Wirtschaft

So war das von Draghi nicht gedacht Turbulenzen am Zinsmarkt

Beim Anleihenmarkt kann einem derzeit leicht schwindelig werden.

Beim Anleihenmarkt kann einem derzeit leicht schwindelig werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach jahrzehntelanger Talfahrt legen die Zinsen für Bundesanleihen im April eine satte Kehrtwende hin und klettern seither ungewöhnlich stark nach oben. Der Trend könnte anhalten. Das dürfte die EZB nicht gerade erfreuen.

Zähneknirschend dürfte Mario Draghi den Zinsanstieg bei Anleihen der Euro-Zone verfolgen: Dabei hat er den Kursrückgang am Rentenmarkt selbst beschleunigt, als er bei der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung Anfang Juni gesagt hatte: "Die Märkte müssen sich an Perioden höherer Volatilität gewöhnen." Das war das Letzte, was Investoren von Draghi hatten hören wollen. Nachdem die Zinsen für zehnjährige deutsche Anleihen in den zwei Tagen vor der EZB-Sitzung bereits von 0,50 Prozent auf 0,72 Prozent stiegen, sprangen sie nach Draghis Aussagen auf 0,80 Prozent.

Bundesanleihe 10 Y
10-jährige Bundesanleihen 110,44

Die Anleger hatten sich gewünscht, dass Draghi für eine Beruhigung am Markt sorgt und dazu notfalls kurzfristig noch größere Anleihenkäufe durchführt. Aktuell liegen die Zinsen bei rund 0,90 Prozent, nachdem sie zwischenzeitlich sogar bis auf 1,05 Prozent geklettert werden. Am Rekordtief am 20. April waren es nur 0,08 Prozent. Während die Renditen auf dem Weg nach oben sind, ist der Bund-Future spiegelbildlich auf dem Weg nach unten. Er ist ein Terminkontrakt, der sich auf eine fiktive, zehnjährige Bundesanleihe mit einem Kupon von sechs Prozent bezieht. Der Bund-Future liegt trotz der jüngsten Erholung um sechs Prozent unter dem April-Hoch.

Zinsen in einer Aufwärtsspirale

Neben Dragh sorgte eine andere Stimme ebenfalls für die Trendwende am Anleihenmarkt. Am 21. April bezeichnete der berühmte Manager von Rentenfonds, Bill Gross, Bundesanleihen als "short of a life time" ("Leerverkauf eines Lebens"), also als einmalige Gelegenheit, um auf fallende Kurse zu setzen. Damals waren viele Investoren davon ausgegangen, dass die Kurse langfristiger Bundesanleihen immer weiter steigen und im Gegenzug die Renditen sinken würden und ebenso in den negativen Bereich rutschen würden, wie kürzer laufende deutsche Anleihen.

Am 28. April sagte dann aber ein anderer Anleihenguru, Jeffrey Gundlach, dessen Wort inzwischen noch mehr Gewicht haben dürfte als das von Bill Gross, dass er darüber nachdenke, eine hundertfach gehebelte Wette gegen Bundesanleihen einzugehen. Das verpasste den Papieren den nächsten Tiefschlag. Der Ausverkauf am Markt verstärkt sich selbst, weil mit jeder Verkaufsrunde weitere Stoppkurse ausgelöst werden und damit die nächsten Anleihen verkauft werden. Verschärft wird die Lage ausgerechnet durch das gigantische Anleihenkaufprogramm der EZB. Denn dadurch verringert sich das Anleihenvolumen, das im Besitz von Investoren ist und damit für den Handel zur Verfügung steht. Bei einer Verringerung der Liquidität führen bereits kleine Verkäufe zu kräftigen Kursverlusten.

Der Zinsanstieg ist also nicht wie meist üblich auf eine Besserung der Konjunkturperspektiven zurückzuführen. Zwar entwickelt sich die deutsche Wirtschaft derzeit erfreulich, allerdings senken Analysten zusehends die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der USA und Chinas, der zwei größten Volkswirtschaften der Welt. Mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Monaten sollte sich das auch auf die exportabhängige deutsche Wirtschaft und damit auf die Wirtschaft der Euro-Zone insgesamt durchschlagen und diese zusehends bremsen.

Langläufer brechen stärker ein

Deutlich stärker als die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen sind jene für 30jährige gestiegen. Nachdem sie am 20. April noch bei 0,44 Prozent lagen, sind sie zuletzt auf knapp 1,6 Prozent nach oben geschossen. Im Gegenzug ist der Buxl-Future um 18 Prozent eingebrochen. Der Terminkontrakt bezieht sich auf eine fiktive Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 24 bis 35 Jahren und einem Kupon von sechs Prozent. Bei einem Zinsanstieg verlieren langlaufende Anleihen üblicherweise viel stärker an Wert als Kurzläufer, weil das Kapital bei Langläufern länger gebunden ist, womit sich die Zinsdifferenz über einen längeren Zeitraum summiert. Je stärker der Zinsanstieg ausfällt, umso mehr verlieren daher Langläufer in der Regel an Wert. In Zeiten steigender Zinsen sollten diese Anleihen daher gemieden und Kurzläufer bevorzugt werden.

Denn trotz des gigantischen Anleihenkaufprogramms der EZB könnten die Zinsen in der Euro-Zone weiter steigen. Daher bleibt die Frage, wie lange Draghi dem Treiben noch zuschauen kann. Zwar sind die Zinsen im langfristigen Vergleich immer noch extrem niedrig. Allerdings steigen die Schulden für etliche Länder wie Italien, Spanien und Frankreich nicht nur nominell sondern auch im Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt auf immer neue Rekordstände. Vor dem Hintergrund sind steigende Zinsen eine erhebliche Belastung für die Wirtschaft. Mit dem gigantischen Anleihenkaufprogramm wollte Draghi genau das Gegenteil erreichen – der Zinsanstieg ist eine Herausforderung der Geldpolitik der EZB.

Quelle: ntv.de

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