Wirtschaft

Analysten bestaunen Minuszeichen Japan-Bonds erzielen Negativ-Rendite

Rendite unter Null: In Japan tritt die Unsicherheit an den Märkten im Anleihenhandel offen zutage.

Rendite unter Null: In Japan tritt die Unsicherheit an den Märkten im Anleihenhandel offen zutage.

(Foto: REUTERS)

Verkehrte Welt am japanischen Anleihenmarkt: Die Unsicherheit an den Börsen treibt Investoren in sichere Positionen - zum ersten Mal überhaupt dringt die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen in die negative Zone vor.

Bemerkenswerte Premiere im fernöstlichen Bond-Handel: Erstmals müssen Anleger, die in richtungsweisende Schuldscheine des japanischen Staates investieren wollen, draufzahlen. Die Rendite der als Referenz genutzten japanischen Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit fiel in der Nach auf Dienstag unter Null. Im Handelsverlauf drang die Rendite der Bonds sogar ein kleines Stück in den negativen Bereich vor.

Die Schuldverschreibungen sind so begehrt, dass Investoren dem japanischen Staat theoretisch einen Aufschlag bieten müssen, um das eigene Geld zum Nutzen der Staatskasse parken zu dürfen. Die Entwicklung löste im Spezialistenhandel Aufsehen aus: In den Handelsräumen einer Bank Investmentbank in Tokio etwa zeigten Analysten mit dem Finger auf die Anzeigetafel, auf der klar und deutlich ein Minus 0,10 zu lesen war.

Damit ist Japan das erste G7-Land mit negativen Zinsen bei den Staatsanleihen. Was für Finanzminister komfortabel wirkt, stellt Pensionsfonds und Versicherer vor zunehmend große Herausforderungen. Das extrem niedrige Zinsniveau entzieht diesen sogenannten institutionellen Investoren nach und nach jede Möglichkeit, mit ihren verwalteten Vermögen die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Gewinne zu erzielen.

Auslöser der außergewöhnlichen Bewegung war Beobachtern zufolge die anhaltende Talfahrt an den Aktienmärkten. China-Schwäche, Ölpreis-Verfall, Zinswende in den USA: Mittlerweile ist die Verunsicherung selbst in den etablierten Industrienationen so groß, dass viele Börsianer ihre Mittel aus den Unternehmenswerten abziehen.

Die frei werdenden Milliarden strömen zu einem gewissen Teil in den Markt für Staatsanleihen. Hier lassen sich Vermögenswerte sehr viel schneller unterbringen als etwa am Immobilienmarkt. Zudem sind Transaktionen hier auch in einem sehr viel größeren Maßstab möglich als etwa bei Tagesgeldkonten, die vornehmlich Kleinanlegern offen stehen.

Der Trend bleibt nicht auf die Japan-Bonds beschränkt. Schweizer Anleihen mit vergleichbarer Laufzeit werfen bereits seit über fünf Monaten eine negative Rendite ab. Auch die deutschen Bundesanleihen sind mit der Talfahrt an den Aktienmärkten plötzlich in gesteigerten Maßen gefragt. Marktteilnehmer werteten die Entwicklung insgesamt als weiteres Indiz für die Anomalie an den Finanzmärkten.

(Hinweis für Mobilnutzer: Die Tabelle zur Lage am Bond-Markt finden Sie hier.)

Bundesanleihen nahe Null

Generell bewegten sich Kurse an den Bond-Märkten derzeit nach oben, heißt es, im Gegenzug fallen die Renditen in den Keller. Am Abend rentierten die deutschen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren noch mit einer Rendite von 0,2160 Prozent, Anfang des Jahres warfen sie mit 0,60 Prozent noch fast dreimal so viel ab. Nur einmal gab es bislang weniger, nämlich im April 2015 mit kurzzeitig weniger als 0,01 Prozent.

Der Anlagenotstand ist nach Einschätzung der Marktstrategen vom Bankhaus Metzler dafür verantwortlich, dass mehr als 70 Prozent der ausstehenden Bundesanleihen inzwischen im negativen Bereich rentieren. Ein Blick auf die Zinskurve zeigt, dass Fälligkeiten bis einschließlich acht Jahren bereits eine Minusrendite liefern.

Als "Übertreibung" stuft Birgit Figge, Anleiheexpertin bei der DZ Bank, die aktuelle Kurshausse bei den zehnjährigen Bundesanleihen ein. Extremer Konjunkturpessimismus bestimme momentan die Investitionsentscheidung der Anleger. Dies, wie auch eine Senkung des Einlagensatzes auf minus 0,40 Prozent durch die EZB auf der März-Sitzung, werde nun am Anleihemarkt eingepreist.

Die DZ Bank gehe in ihrem Szenario nicht davon aus, dass eine Rezession droht. Aktuell lieferten die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA erste Anzeichen, dass sich das Wachstum verlangsame. Wenn der aktuelle Konjunkturpessimismus sich als berechtigt herausstellen sollte, könnte sich der Abwärtstrend bei den Renditen von Bundesanleihen noch fortsetzen.

Risikofaktor EZB

Neben der Flucht in die sicheren Häfen am Kapitalmarkt gilt die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) als einer der großen Treiber am Anleihemarkt. EZB-Präsident Mario Draghi dürfte nach Einschätzung vieler Beobachter im März nochmals nachzulegen. Erst im Dezember hatte die Notenbank eine Senkung des Einlagensatzes sowie die Verlängerung des bestehenden Anleihekaufprogramms beschlossen.

Der nächste Schritt wird bereits für die Sitzung im März erwartet, dabei könnte es um eine Ausweitung des Anleiheankaufprogramms hinsichtlich Dauer, Volumen oder der berücksichtigten Assetklassen gehen. Anleger unterscheiden stärker zwischen "guten" und "schlechten" Euro-Staatsanleihen

Innerhalb der Eurozone sind die Renditen zum Wochenstart deutlich auseinander gelaufen. Während die Renditen der Bundesanleihen zum Wochenstart auf 0,20 Prozent fielen, stiegen die der italienischen BTPs um 18 Basispunkte (BP) auf 1,73 Prozent, die der spanischen Bonos um 16 BP auf nun 1,80 Prozent.

Die Anleihestrategen von Metzler verweisen darauf, dass die aktuelle Entwicklung am Markt für europäische Staatsanleihen nur zu deutlich zeigt, dass ohne den wirklichen Glauben an weitere wirkungsvolle geldpolitische Aktionen der Europäischen Zentralbank zwischen "guten" und "schlechten" Staatsanleihen unterschieden wird. Die Zinsdifferenzen in der Eurozone könnten sich damit noch weiter auseinander bewegen.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ

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