Wirtschaft

Minusrendite am Bond-Markt Händler reißen sich um Staatsanleihen

Die multimilliardenschwere Krisenpolitik erzeugt massive Nebenwirkungen: Die EZB-Zentrale in Frankfurt am Main.

Die multimilliardenschwere Krisenpolitik erzeugt massive Nebenwirkungen: Die EZB-Zentrale in Frankfurt am Main.

(Foto: REUTERS)

Die Krisenpolitik der Euro-Hüter bringt Deutschland in eine überaus komfortable Lage: Wer dem Staat Geld leihen will, muss dafür effektiv Zinsen zahlen. Die Rendite zweijähriger Bonds fällt auf ein Rekordtief. "Jeder Händler will diese Papiere erwerben."

Die Aufnahme neuer Schulden wird für Deutschland immer lukrativer. Wertpapierhändlern zufolge tragen dazu auch die angepassten Regeln der Europäischen Zentralbank (EZB) bei, die es den Währungshütern erlauben, kurzlaufende Anleihen mit einer stark negativen Verzinsung aus dem Markt zu saugen.

Die Folge: Erstmals wurde in dieser Woche bei der Auktion einer zweijährigen Bundesanleihe eine Negativ-Rendite von minus 0,92 Prozent erzielt. Das bedeutet, dass Investoren Deutschland fast ein Prozent dafür bezahlen, dem Staat Geld leihen zu dürfen - und es so in einem sicheren Hafen zu "parken".

"Jeder Händler will diese Papiere erwerben, weil er sie der Zentralbank weiterverkaufen will", erklärt DZ-Bank-Analyst Rene Albrecht. Die Euro-Wächter hatten im Dezember beschlossen, auch Bonds mit einer Laufzeit von einem Jahr zu erwerben und nicht nur solche mit Laufzeiten zwischen 2 und 30 Jahren. Auch für Käufe von Anleihen mit Renditen unter dem sogenannten Einlagenzins von aktuell minus 0,4 Prozent gab der EZB-Rat den Weg frei. Damit hat die Notenbank eine breitere Auswahl.

Drohende Engpässe am Markt sollen so verhindert werden, heißt es. Hintergrund ist das massive Wertpapierkaufprogramm, mit dem die Währungshüter um EZB-Chef Mario Draghi seit Jahren versuchen, der Eurokrise im Süden und Westen Europas entgegenzuwirken. Weil die Zentralbank enorme Mittel aufwendet, um Anleihen aufzukaufen, sei der Markt in manchen Teilen - wie Kritiker sagen - bereits so gut wie leergefegt.

Die Zentralbank reagiert, indem sie die eigenen Vorgaben lockert, um sich so neue Marktsegmente für das Ankaufprogramm erschließen zu können. Im Januar wurden erstmals Bundesanleihen mit Renditen unterhalb des Einlagensatzes in die Bücher genommen.

Das bleibt nicht ohne Folgen: "Ich glaube, wir werden innerhalb der nächsten Wochen bei zweijährigen Titeln eine Rendite von minus ein Prozent erreichen", schätzt der Zinsexperte Martin van Vliet von der niederländischen Großbank ING. In der vergangenen Woche hatten solche Titel am Markt mit minus 0,964 Prozent bereits so niedrig rentiert wie noch nie.

Viele Banken gehen davon aus, dass die Währungshüter bald an das von ihnen selbstgesetzte Limit stoßen, das es ihnen verbietet, mehr als 33 Prozent der Anleiheschulden eines Euro-Landes zu halten.

Zentralbank stößt langsam ans Limit

"Das Fazit lautet, dass der EZB die zu kaufenden deutschen Anleihen ausgehen und dass das Programm an seine Grenze stößt", so Kim Liu vom Bankhaus ABN Amro. Sollte die Zentralbank in dem Umfang weiter kaufen wie bisher, könnten die Grenzen bereits im Juni erreicht werden. Allerdings hat der Bund signalisiert, bei Bedarf zusätzliche Anleihen auszugeben, um Verwerfungen an der Börse zu verhindern.

Die EZB kauft seit März 2015 Staatsanleihen der Euro-Länder. Monatlich kauft die Notenbank durchschnittlich Papiere im Wert von 80 Milliarden Euro, um die Konjunktur anzukurbeln. Zuletzt wurde das Programm im Dezember verlängert und soll jetzt bis Ende 2017 laufen.

Das Ankaufprogramm bläht den Markt gewaltig auf: Dadurch steigt das Gesamtvolumen inklusive anderer Wertpapiere wie Regionalbonds oder Firmenanleihen um 540 Milliarden auf 2,28 Billionen Euro.  Die Euro-Notenbank könnte in den nächsten Wochen noch weitere Stellschrauben des Programms ändern, um den Umfang kauffähiger Papiere zu erweitern und damit Engpässen vorzubeugen.

Deutschland profitiert

Die radikalste Option wäre es, den sogenannten Kapitalschlüssel aufzugeben, erklärt Analyst Peter Chatwell vom Bankhaus Mizuho. Nach seiner Einschätzung wird die EZB an diesem Kerngerüst der Käufe jedoch nur im äußersten Notfall rütteln. "Sie werden das nicht abschaffen, ohne dass es eine Krise gibt."

Dieser Eckpfeiler des Programms sorgt unter anderem dafür, dass mehr Schuldtitel derjenigen Länder erworben werden, die der EZB auch mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen. Der Anteil der auf ein Land entfallenden Käufe spiegelt dabei auch die jeweilige Wirtschaftskraft wider. Auf deutsche Titel entfallen deshalb besonders viele Transaktionen.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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