Wirtschaft

Wende im Schuldenstreit? Bond-Gläubiger fechten US-Urteil an

Auf Argentiniens Straßen muss er als das Gesicht der Krise herhalten: US-Richter Thomas Griesa (r.).

Auf Argentiniens Straßen muss er als das Gesicht der Krise herhalten: US-Richter Thomas Griesa (r.).

(Foto: AP)

Der Vorstoß aus Europa dürfte neue Bewegung in die Debatte um den argentinischen Schuldendienst bringen: Eine Gruppe von Euro-Gläubiger will den juristischen Blockadegriff der US-Justiz lockern. Das könnte dem Land etwas Luft verschaffen.

Besitzer argentinischer Euro-Staatsanleihen wollen gegen das US-Gerichtsurteil vorgehen, das dem Land Teile seines Schuldendienstes untersagt. Anwälte der Gläubiger reichten bei einem Bundesgericht in New York vor dem Wochenende entsprechende Dokumente ein.

Die Aussichten auf eine ausgiebige juristische Klärung stehen nicht schlecht: Die Euro-Gläubiger argumentieren, dass ihre Papiere nach britischem Recht begeben wurden und deshalb von dem US- Richterspruch nicht betroffen seien. Dieser beziehe sich ausschließlich auf die mehrheitlich in Dollar ausgestellten Anleihen.

Der Konflikt um Altschulden aus der Staatspleite von Ende 2001 hatte Argentinien Ende Juli in die Zahlungsunfähigkeit befördert. Das Land darf laut Richterspruch andere Gläubiger nicht bedienen, solange es seine Schulden bei den Hedgefonds - die sich einer mühsam ausgehandelten Umschuldungsvereinbarung nicht angeschlossen hatten - nicht beglichen hat. Die großen Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch haben die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas deshalb als Pleitefall eingestuft.

"Geier" bedrohen Argentinien

Im Schuldenstreit sind die Fronten verhärtet. Während sich die Regierung in den Jahren nach der 2001er-Pleite mit den meisten Gläubigern auf einen Schuldenerlass und einen Umtausch von Anleihen einigte, kauften einige Hedgefonds Schuldtitel mit einen hohen Abschlag und fordern nun eine volle Auszahlung. Das lehnt Argentinien ab.

Nach zähen Schlichtungsbemühungen wies ein US-Gericht unter dem Vorsitz des New Yorker Richters Thomas P. Griesa aber an, dass die Inhaber der neuen Anleihen nur dann ausgezahlt werden dürfen, wenn die Regierung auch die Hedgefonds bedient, die sich nicht der Umschuldungsvereinbarung angeschlossen hatten.

"Technischer Zahlungsausfall"

Wenn Argentinien nicht fälligen Verpflichtungen nachkommt, droht ein sogenannter "technischer Zahlungsausfall" ("technical Default"). Das klingt dramatisch, ist aber keine Staatspleite. Das Land ist nicht tatsächlich zahlungsunfähig. Die Konsequenzen gleichen jedoch nach Ansicht von Experten denen eines "normalen" Defaults, einer tatsächlichen Pleite: Die Ratingagenturen würden das Land herunterstufen, Kreditausfallversicherungen würden ausgelöst. Es wäre für Argentinien noch schwieriger, wieder an die Finanzmärkte zu kommen.

Die dafür fällige Summe kann Argentinien allerdings eigenem Bekunden zufolge nicht aufbringen. Deshalb trat ein Zahlungsausfall ein, der den Zugriff des Landes auf den Anleihe-Markt blockiert, die Landeswährung auf einen Tiefstand drückte und der Wirtschaft des Landes zunehmend Probleme bereitet.

Mitte der Woche hatte die Hoffnung auf eine Lösung der Krise durch Privatbanken einen Dämpfer erhalten. Die Institute hatten vorgeschlagen, den Hedgefonds die umstrittenen Anleihen abkaufen zu wollen. Die Fonds-Manager erteilten diesen Bemühungen jedoch eine Absage. Sie halten an der Auszahlung in voller Höhe fest.

"Wir fürchten, das Schlimmste steht noch bevor", teilte Aurelius Capital, einer der klagenden Fonds, in der Nacht auf Donnerstag in New York mit. "Es gibt keine realistische Aussicht auf eine private Lösung - wir haben keine auch nur annähernd akzeptablen Vorschläge erhalten", heißt es in dem Statement. Aurelius hatte an der Seite von Elliott Management vor US-Gerichten die Rückzahlung von Forderungen über 1,3 Milliarden Dollar plus aufgelaufenen Zinsen von Argentinien erstritten.

Argentinien kämpft mit Hedgefonds

Argentinien streitet mit Investoren um Altschulden aus der Staatspleite von 2001. Eine Gruppe von Gläubigern, angeführt vom New Yorker Hedgefonds NML Capital aus dem Elliott-Imperium des US-Milliardärs Paul Singer, hält Forderungen von Anlegern, die die Umschuldungen aus den Jahren 2005 und 2010 verweigert haben. Diese Gläubiger fordern die komplette Rückzahlung in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar.

Solange diese Schulden bei den Hedgefonds nicht beglichen sind, darf Argentinien seine restlichen Anleihen nicht bedienen. Ein entsprechendes Urteil ist vom obersten US-Gericht ("Supreme Court") bestätigt worden. Fallen die Zinszahlungen aus, droht ein "Zahlungsausfall".

"Internationale Mafia"

Hochrangige Vertreter der argentinischen Regierung ließen daraufhin ihrer Frustration über die von US-Investoren erzwungene Staatspleite öffentlich freien Lauf und verschärften den Tonfall ihrer Beschimpfungen noch einmal deutlich. Nach dem mittlerweile schon gewohnten Titel "Geierfonds", sprach ein Kabinettsmitglied jetzt sogar von einer "internationalen Mafia".

Argentinien befinde sich in der Hand einer internationalen Finanzmacht, beklagte Kabinettschef und Regierungssprecher Jorge Capitanich. "Diese besteht aus kleinen, unersättlichen Interessen, die eine echte internationale Mafia formen." Die Welt müsse diese "Geier" in die Schranken weisen. "Sie wollen dem argentinischen Volk Schaden zufügen und unsere Souveränität verletzen", fügte er hinzu.

Nachdem die direkten Verhandlungen um einen Kompromiss gescheitert waren, hatten sich zuletzt private Banken um eine Lösung bemüht. Ein Konsortium internationaler Institute um die Citigroup und Deutsche Bank soll nach Investoren gesucht haben, die den Hedgefonds die strittigen Anleihen abkaufen.

"Kalkuliert" und "zynisch"

Auch der argentinische Milliardär Eduardo Eurnekian erklärte gegenüber lokalen Medien, kontaktiert worden sein. Zuvor war bereits ein Rettungsplan gescheitert, bei dem argentinische Geldhäuser unter Mithilfe der Zentralbank die Anleihen hätten übernehmen sollen.

Nach Angaben des US-Hedgefonds Aurelius handelte es sich dabei jedoch nicht um ernst gemeinte Lösungsvorschläge. "Die argentinische Regierung hat eine kalkulierte, zynische Entscheidung getroffen, die Urteile des Gerichts zu missachten und zu verletzen", kritisierte der Hedgefonds.

Argentinien könnte allerdings auf Zeit spielen. Denn zum Jahresende läuft eine wichtige Klausel in den Anleiheverträgen aus. Sie verbietet es, die Hedgefonds besserzustellen als diejenigen Anleger, die nach der Staatspleite vor 13 Jahren Verluste akzeptiert hatten. Ab 2015 wäre eine Lösung deshalb einfacher, heißt es. Die argentinische Regierung geht davon aus, dass die anderen Gläubiger auf gleiche Behandlung klagen, wenn sie die Hedgefonds jetzt auszahlen würde.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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