Wirtschaft

Drohender Aktiencrash Anleger im Taka-Tuka-Land

Was bei Pippi noch lustig ist, könnte für Anleger teuer werden.

Was bei Pippi noch lustig ist, könnte für Anleger teuer werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Aktienbörsen sind deutlich überbewertet. Das führte in der Vergangenheit regelmäßig zum Crash. Denn die Anleger können einfach nicht von den vier großen Fehlern lassen.

Genau vor 70 Jahren wurde erstmals Pippi Langstrumpf verlegt. Die Geschichte des kleinen Mädchens, das sich der Rationalität der Erwachsenenwelt verweigert, ist seitdem ein Bestseller. Schaut man in diesen Wochen auf die Akteure an den Kapitalmärkten, so drängt sich der Eindruck auf, dass auch hier kindliche Träume und Akzeptanzverweigerung gegenüber den Realitäten und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten wieder zunehmend um sich greifen. Leben Investoren heute im Taka-Tuka-Land? Zu weit hergeholt? Wohl kaum!

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Wie Pippi Langstrumpf machen sich die Börsianer die Welt so wie sie ihnen gefällt. Dabei unterlaufen ihnen vier schwerwiegende Irrtümer:

Irrtum Nr. 1: Aktien sind fundamental nicht teuer

Wenn wir uns die Wertentwicklung des Dax im Verhältnis zum Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) über den gesamten Börsenzyklus anschauen, wird deutlich: Bei tendenziell hohen KBVs lieferten Aktien in der Folgezeit keine guten Renditen. Die substanzorientierte Kennzahl setzt den Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum entsprechenden Buchwert, also zum Eigenkapital. Entscheidend ist aber weniger die absolute Größe dieser Kennzahl, sondern der Trend.

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Lag in der Vergangenheit das Kurs-Buchwert-Verhältnis der Dax-Unternehmen (blaue Fläche) über seinem langfristigen Durchschnitt, wurden Anleger in den drei Folgejahren mit negativen Erträgen abgestraft (rote Linie) – sie verloren Geld. Umgekehrt gilt der Zusammenhang natürlich auch. Nach dem Platzen der Internetblase (2002-2003) notierte beispielsweise das Dax-KBV rund 40 Prozent unter "normal" – in der Folgezeit stieg der Dax  um 35 Prozent – pro Jahr wohl gemerkt. Aktuell bewegt sich das Dax-KBV rund zehn Prozent über dem langfristigen Trend – das signalisiert nichts Gutes. Nicht nur der deutsche Aktienmarkt ist (zu) hoch bewertet und mindestens reif für eine Korrektur.

Irrtum Nr. 2: Aktien sind im Verhältnis zu Anleihen attraktiv

Uwe Günther ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der „BPM - Berlin Portfolio Management GmbH“. Außerdem fungiert er als Co-Anlageberater des Mischfonds BPM-Global Income Fund.

Uwe Günther ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der „BPM - Berlin Portfolio Management GmbH“. Außerdem fungiert er als Co-Anlageberater des Mischfonds BPM-Global Income Fund.

(Foto: BPM - Berlin Portfolio Management GmbH)

Auch diese Annahme müssen wir relativieren. Die Attraktivität einer Anlage hängt maßgeblich vom Ertrag ab, der zu erwarten ist. Je mehr der Anleger für ein Investment zahlen muss, desto niedriger fällt der wahrscheinliche Return aus. Ein Beispiel: Wenn der Cashflow von Dividendenwerten drei Prozent über dem der derzeit fast zinslosen Anleihen liegt und dieser Zustand noch fünf Jahre anhält, würde dies einen Bewertungsaufschlag von 15 Prozent gegenüber historischen Durchschnittsbewertungen rechtfertigen. Aktuell übersteigt die Risikoprämie von Aktien allerdings ein Vielfaches dessen, was die ausgeweitete Cashflow-Spanne begründen könnte. Beispielsweise Nestlé: Der Liebling aller Value-Investoren kommt derzeit auf ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 3,3. Von den gut 70 Euro, die die Aktie aktuell kostet, sind also nur rund 20 Euro durch Eigenkapital unterlegt, das den Anteilseignern zusteht. Die übrigen 50 Euro sind künftige Barmittelzuflüsse, erwartete Gewinnsteigerungen und Dividendenerhöhungen. Gerät die Gewinn- und/oder die Dividendenentwicklung einmal ins Stocken, schrumpfen die Zukunftserwartungen erfahrungsgemäß ganz schnell zusammen.

Bei Anleihen erhält der Anleger am Ende der Laufzeit zumindest nominal seinen Kapitaleinsatz zurück. Es besteht also ein hohes Maß an Sicherheit. Zwar gibt es derzeit kaum Zinsen, aber auch keine Geldentwertung. Im aktuellen Umfeld lässt sich mit ausfallsicheren Anleihen zumindest der Wert des eingesetzten Vermögens erhalten. Diese Garantie fehlt bei Aktien. Das macht sie für starke Kursverluste anfällig. In den Jahren 2000 bis 2003 ging es um rund 75 Prozent runter, 2008 und 2009 immerhin um gut die Hälfte.

Irrtum Nr. 3: Die Unternehmen verdienen prächtig

Im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist kaum eine Kraft zuverlässiger als die sogenannte Mean-Reversion. Die Theorie besagt, dass die Gewinne der Unternehmen um einen Mittelwert schwanken. Nach dem Motto "What goes up, must come down and vice versa" kehren die Profite langfristig betrachtet immer wieder zu ihrem historischen Durchschnitt zurück. Investitionen in Aktien erwiesen sich zum Zeitpunkt hoher Gewinnmargen regelmäßig als ein Garant für nachfolgend schwache Anlageerträge. Zurzeit bewegen sie sich vor allem in den USA auf Rekordniveau. Dazu tragen auch die umfangreichen Aktienrückkäufe bei. Zusätzlich plustern die Unternehmen ihre angebliche Substanz durch unterlassene Goodwill-Abschreibungen und Pensionsrückstellungen auf. Wieder sinkende Gewinne wären nur eine Rückkehr zu Normalität.

Irrtum Nr. 4: Wer heute gute Value-Aktien kauft, macht man nichts verkehrt

Die Aussage stimmt sogar - zumindest, wenn der Anleger in Zeiträumen von mindestens zehn Jahren denkt. Heute stellt sich die Frage, wie viel von einem Aktien-Investment tatsächlich mit Value und wie viel mit durch Kreditgeld aufgeblasener Fantasie unterlegt ist? Die Ausweitung der Bewertungen, die gerne als Argument für weiter steigende Kurse aufgeführt wird, ist nichts anderes als das Aufblähen von unternehmerischer Substanz durch virtuelles Kreditgeld. Erfahrungsgemäß verschwindet ein beträchtlicher Teil des Aktienkurses bei den üblichen Schuldencrashs. Übrig bleibt dann ungefähr die reale Substanz. Daher kommt übrigens auch der Ansteckungseffekt zwischen Anleihen und Aktien: Dividendenpapiere sind zunehmend durch Schulden, und nichts anderes sind Anleihen, finanziert. Umgekehrt sind Schulden teilweise aber auch durch Aktien besichert. Na denn! 

Unter all diesen Gesichtspunkten sind Aktienkäufe heute so unattraktiv wie schon lange nicht mehr. Das Korrekturpotenzial bewegt sich zurzeit mindestens auf dem Niveau der Jahre 2000 bis 2003 oder 2008 und 2009. Sind wir jetzt Spielverderber, weil wir darauf hinweisen, dass vor allem die Geldfluten nach den Krisen 2003 und 2009 die Märkte wieder in massive Fehlbewertungen trieben? Absicherungen bestehender Positionen sind heute Pflicht.

Eine Normalisierung muss nicht umgehend kommen. Teure Märkte können noch teuer werden! Ein Grundirrtum vieler Untergangspropheten besteht darin, dass sie nicht erkennen (wollen), dass als Auslöser für Korrekturen nicht die reine Überbewertung reicht, sondern zusätzlich eine veränderte Risikowahrnehmung von Investoren nötig ist. Solange diese ausbleibt, kann die Takka-Tukka-Land-Party weitergehen. Wenn die Börsianer aber wieder die bestehenden Risiken adressieren, ist Schluss.

Früher galt: Der Gewinn liegt im Einkauf, was der klassischen Lehre entsprach. Der günstige Erwerb ist mittlerweile aber weder bei Aktien noch bei Anleihen möglich. Heute gilt: Der Gewinn liegt im Verkauf, was an ein Déjà-Vu des Neuen Marktes erinnert. Morgen gilt vielleicht: Der Gewinn liegt im Dabeisein, was die Illusion des ewigen Lebens von Aktien-Haussen bedeuten würde. Wir bleiben bei ersterem.

Disclaimer

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die BPM - Berlin Portfolio Management GmbH gibt jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnt jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben. www.berlin-pm.com

Quelle: ntv.de

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