Wirtschaft

Alternative zu Russland Kanada bietet Erdgas an

Die Spannungen zwischen Moskau und dem Westen drohen die Energielandkarte Europas grundlegend zu verändern. Die Krim-Krise taucht die Zuverlässigkeit Russlands als Erdgas-Lieferant in neues Licht. Gazprom könnte am Ende in die Röhre schauen.

"Wir haben enorme Energieressourcen in unserem Land": Stephen Harper zu Besuch bei der Kanzlerin.

"Wir haben enorme Energieressourcen in unserem Land": Stephen Harper zu Besuch bei der Kanzlerin.

(Foto: AP)

Nach den Vereinigten Staaten bringt sich nun auch Kanada als künftiger Lieferant für Gas und Erdöl in Europa ins Spiel. "Unabhängig vom Russland-Ukraine-Konflikt wollen wir natürlich unsere Energieexporte diversifizieren", sagte der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. "Wir haben enorme Energieressourcen in unserem Land. Im Moment verkaufen wir nur auf dem nordamerikanischen Markt."

Am Tag zuvor hatte bereits US-Präsident Barack Obama betont, dass die USA beginnen könnten, Europa mit Flüssiggas (LNG) zu versorgen, um die Energieabhängigkeit vieler EU-Staaten von Russland zu verringern. Mit speziellen Tankern ließe sich Flüssiggas weitgehend problemlos über den Atlantik verschiffen. Beim Ausbau entsprechender Terminals hinkt Deutschland allerdings noch hinterher. Bislang schien die Versorgung per Pipeline aus dem Osten als günstiger - unabhängig von etwaigen politischen Risiken.

Teure Röhren aus dem Osten

Merkel betonte, dass die Bundesregierung sehe, wo es auf der Welt alternative Rohstoffquellen gebe. Sie dämpfte aber Erwartungen auf ein schnelles Ende der hohen Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen. "Bestimmte Infrastruktur ist noch nicht so da, wie wir dies brauchen könnten", sagte sie mit Blick auf das Terminalproblem. An der amerikanischen Ostküste fehlen bislang noch Anlagen zum Antransport größerer Erdgasmengen und der anschließenden Verflüssigung.

Sollte Europa im Zuge der Krim-Krise tatsächlich zum neuen Großabnehmer aufsteigen, müssten die LNG-Exportterminals in den USA entsprechend erweitert werden. In Deutschland liegen seit Jahren Pläne zum Ausbau entsprechender Anlagen in Wilhelmshaven in der Schublade. Ein dort seit Jahren geplanter LNG-Anlandeterminal ist bisher nicht errichtet worden. Jetzt gehe es um "langfristige Orientierungen", sagte Merkel.

Ohne Erdgas geht es nicht

In den vergangenen Jahrzehnten war Europa - auch unter dem Einfluss von Merkels Amtsvorgänger Gerhard Schröder - in seinen Lieferbeziehungen näher an Moskau herangerückt. Mit milliardenschweren Investitionen wurden Pipelines über Land und durch die Ostsee errichtet, die russisches Erdgas möglichst direkt nach Deutschland transportieren sollen. Die Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft gelten als zentrales Standbein im russischen Staatshaushalt.

Als Folge der Krim-Krise hatten die EU und die USA bei der Energieversorgung zuletzt eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Sobald es ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Partnern gebe, werde die Vergabe von Lizenzen für US-Unternehmen zur Lieferung von Flüssiggas (LNG) Richtung Europa wesentlich einfacher, hatte Obama in Brüssel betont.

In Deutschland ist die Produktion von Erdgas im vergangenen Jahr bei nachlassenden Reserven unterdessen weiter gesunken. Die Förderung heimischen Erdöls blieb zwar stabil, doch auch hier schrumpft die Reserve, wie das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in seinem Jahresbericht mitteilte.

Die Förderung von Erdgas sank demnach um 8,8 Prozent, die von Erdöl erhöhte sich geringfügig um 0,6 Prozent. Die Reserven bei Erdgas reduzierten sich im Vergleich zum Vorjahr um 15,9 Prozent, bei Erdöl um 3,2 Prozent. 2013 kam noch ein Zehntel des in Deutschland verbrauchten Gases aus eigener Förderung, beim Erdöl lag der Anteil bei 2,8 Prozent. Der Rest muss aus dem Ausland importiert werden.

Neue Röhre für Ungarn und Slowakei

Liquified Natural Gas( LNG) per Schiff: Liegt Europas Zukunft im Westen?

Liquified Natural Gas( LNG) per Schiff: Liegt Europas Zukunft im Westen?

(Foto: REUTERS)

Der Aufbau von Förderbeziehungen durch Pipelines ist aufwändig und zieht sich inklusive aller Vorbereitungen auf politischer und bürokratischer Ebene oft über mehrere Jahre. Jüngste Entwicklung auf der europäischen Energielandkarte ist eine neue Verbindung in Ostmitteleuropa. Zwischen den Nachbarländern Ungarn und Slowakei gibt es eine neue Erdgas-Pipeline, durch die ab Januar 2015 der Brennstoff in beide Richtungen transportiert werden soll.

Damit solle die Region unabhängiger von russischen Gasimporten werden, "was immer uns auch von Osten her widerfährt", sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bei der Einweihung des Bauwerks zusammen mit seinem slowakischen Kollegen Robert Fico.

Verlässlicher als Russland?

Durch die 111 Kilometer lange Pipeline könnten 500.000 Kubikmeter Gas pro Stunde aus der Slowakei nach Ungarn gepumpt werden, in umgekehrter Richtung betrage die Kapazität 200.000 Kubikmeter pro Stunde. Bauherr ist die staatlich kontrollierte ungarische Gesellschaft Magyar Gaz Tranzit Zrt. Premier Fico bedankte sich dafür, dass sich die EU mit 30 Millionen Euro an den Baukosten beteiligt habe. Die Gesamtkosten wurden nicht genannt, früheren Schätzungen zufolge sollen sie 160 Millionen Euro umfassen.

Woher das Gas kommen soll, wurde zunächst nicht bekanntgegeben. Es gehe darum, eine Verbindung zwischen polnischen und kroatischen Gasnetzen zu schaffen, hieß es von Regierungsseite. Damit eröffnen sich die Betreiber der ungarisch-slowakischen gleich zwei Alternativen zum russischen Erdgas. Über Polen könnten Anbindungen ins Förderland Norwegen geschaffen werden. Über Kroatien ergibt sich ein Zugang zu Adria und Mittelmeer, über das libysches oder algerisches Erdgas nach Ungarn und die Slowakei geliefert werden könnte.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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