Wirtschaft

Märkte ignorieren Klimaziele Blase geplatzt, Planet gerettet

Wann eine Spekulationsblase platzt, hängt vor allem von der Wahrnehmung der Situation durch die Anleger ab.

Wann eine Spekulationsblase platzt, hängt vor allem von der Wahrnehmung der Situation durch die Anleger ab.

(Foto: REUTERS)

Die Rohstoffmärkte agieren, als sei Klimapolitik nichts anderes als heiße Luft. Sollte die Politik die erklärten Klimaziele durchsetzen, könnte die "Kohlenstoffblase" der Weltwirtschaft erheblichen Schaden zufügen.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Menschheit schon gut ein Drittel ihres CO2-Budgets bis 2050 verbrannt.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Menschheit schon gut ein Drittel ihres CO2-Budgets bis 2050 verbrannt.

(Foto: REUTERS)

Der globale Handel bewegt sich auf das Platzen einer neuen Blase zu. Doch diesmal werden nicht leichtfertig vergebene Kredite im US-Immobilienmarkt der Auslöser sein, sondern ein eklatantes Missverhältnis zwischen privatwirtschaftlichen Investitionen und politischen Zielsetzungen im Kampf gegen den Klimawandel. Das zumindest ist die These der Carbon Tracker Initiative, einer britischen Nichtregierungsorganisation, die mit der Citigroup, der HSBC sowie Standard & Poor’s und der Internationalen Energieagentur auf eine Reihe einflussreicher Unterstützer zählen kann.

In einem zusammen mit dem früheren Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, veröffentlichten Report weist die NGO auf die reale Gefahr einer sogenannten Kohlenstoffblase hin. Schon jetzt erreicht diese "Carbon Bubble" gewaltige Ausmaße. Den Experten zufolge sind 60 bis 80 Prozent der von führenden Rohstoffunternehmen gehaltenen Reserven eigentlich "unverbrennbar" und somit faktisch wertlos - wenn die international abgestimmte Klimapolitik tatsächlich wie geplant greift.

Das Problem: In den Büchern der Konzerne und damit auch den Portfolios zahlreicher Anleger werden diese Reserven weiterhin als Aktiva geführt. Die Masse der nicht geförderten fossilen Energieträger bildet damit eine Blase, die eine erfolgreiche Klimapolitik zum Platzen bringen dürfte.

Unternehmen erwarten deutliche Kursverluste

Denn diese Reserven wären tatsächlich unverbrennbar, wenn die Staaten die vereinbarten Maßnahmen zur Erreichung des Klima-Minimalziels der Staatengemeinschaft ergreifen. Dieses Ziel sieht eine Eindämmung des Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperatur auf höchstens zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau vor. Diese zwei Grad stellen nach Überzeugung der Wissenschaftler die Grenze dar, bis zu welcher die Folgen der Klimaerwärmung als noch einigermaßen vorhersehbar gelten.

Am Londoner FTSE 100, dem Index der Börse, mach Rohstoffunternehmen einen beträchtlichen Anteil aus - das britische Unterhaus nannte sie jüngst "überbewertet".

Am Londoner FTSE 100, dem Index der Börse, mach Rohstoffunternehmen einen beträchtlichen Anteil aus - das britische Unterhaus nannte sie jüngst "überbewertet".

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Würde sich am Markt die Überzeugung durchsetzen, dass es der Welt mit einer Eindämmung des menschengemachten Treibhauseffektes ernst ist, müssten die betroffenen Unternehmen den Experten von Carbon Tracker zufolge mit einem Verlust von 40 bis 60 Prozent ihres Börsenwertes rechnen - mit entsprechenden Folgen für die Anleger. Die Weltöffentlichkeit sähe sich mit gravierenden Auswirkungen auf die Stabilität des internationalen Finanzverkehrs konfrontiert. An wichtigen Handelszentren für das Geschäft mit den fossilen Brennstoffen, wie etwa in Moskau, Toronto oder London, trägt dieser Sektor jeweils bis zu einem Drittel des Börsenvolumens bei.

In London wächst die Sorge: Das Unterhaus des britischen Parlaments hat das von Carbon Tracker angemahnte Problem in einem Report vom Februar dieses Jahres ausdrücklich anerkannt. Wörtlich spricht der Bericht von "einer Überbewertung auf den Aktienmärkten von Unternehmen, die Brennstoffe herstellen und nutzen" und der dadurch drohenden Gefahr einer Kohlenstoffblase. Die Schieflage ist eklatant, denn das Finanzierungsvolumen grüner Technologien liegt dem Bericht zufolge nicht einmal bei der Hälfte dessen, was für eine erfolgreiche Umsetzung der Emissionsziele notwendig wäre.

Auch die Bundesregierung will nun prüfen, wie sich die Investitionen der staatlichen Förderbank KfW in Projekte zur Kohleförderung mit den Klimazielen vereinbaren lassen. Mit einem Ausstieg aus solchen Projekten läge die KfW auf einer Linie mit der Weltbank sowie der Europäischen Investitionsbank.

Klimaschutz bedroht Pensionsfonds

Auf der Ebene der Investoren könnte sich das Problem als verhängnisvoll erweisen. Viele Pensions- und Anlagefonds legen Geld konservativ an und verfolgen dabei eine passive Investitionsstrategie. Sie orientieren sich an bestehenden Marktindizes wie etwa dem Londoner Leitindex FTSE 100. Die Rendite bei verhältnismäßig spekulativen Investitionen, wie etwa in Ökostromprojekte, gilt hingegen als weniger verlässlich. Doch genau diese zur Orientierung dienenden Börsenbarometer hat das britische Unterhaus nun vor dem Hintergrund der Karbon-Blase als überbewertet bezeichnet. Unabhängig davon hob der Weltklimarat in seinem letzten Bericht die finanziellen Vorzüge einer konsequenten Ausrichtung auf alternative Energien hervor.

Der Abbau von Ölsand in der kanadischen Provinz Alberta bedarf eines massiven Eingriffes in die Natur.

Der Abbau von Ölsand in der kanadischen Provinz Alberta bedarf eines massiven Eingriffes in die Natur.

Durch das frische Kapital von Sparern, Gemeinden oder sogar der Kirche pumpen die Anlagefonds die Blase immer weiter auf. Insbesondere die Pensionskassen verfolgen die vermeintlich risikoarme Strategie der passiven Investition. Dadurch finanzieren sie nicht nur immer neue Vorhaben zur Ausbeutung begrenzter Ressourcen, sondern riskieren auch, dass ein nicht geringer Teil ihres Geldes bei einem Platzen der Blase verloren ginge. Im Klartext: Ohne Kurswechsel in der Anlagestrategie droht eine erfolgreiche Klimapolitik also Rentengelder zu vernichten.

Um das angestrebte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, muss die Menschheit ihren Ausstoß zwischen den Jahren 2000 und 2050 laut Weltklimarat auf ein Budget von rund 900 Gigatonnen CO2 begrenzen. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends sind bereits rund ein Drittel des Budgets verbraucht worden, wodurch die für die kommenden 40 Jahre noch verkraftbaren Emissionen bei nur noch etwa 565 Gigatonnen CO2 liegen.

Die weltweiten Reserven an Kohle, Öl und Gas übertreffen diese Zahl mit circa 2800 Gigatonnen um ein Vielfaches. Allein die 100 größten Rohstoffunternehmen, wie beispielsweise Exxon, Gazprom oder Shell, besitzen zusammen Reserven im Gegenwert von gut 745 Gigatonnen CO2. Bleibt die weltweite Abgaserzeugung auf ihrem derzeitigen Stand von rund 36 Milliarden Tonnen pro Jahr, wäre das Budget spätestens im Jahr 2030 aufgebraucht.

Klimawandel als "weltgrößtes Marktversagen"

Über die genauen Grenzwerte einer erfolgreichen Klimapolitik mag zwar noch debattiert werden, doch von einem Erreichen der wissenschaftlichen Vorgaben ist der derzeitige Verbrauch in jedem Fall weit entfernt.

Das Investitionsgebaren der Bergbauindustrie jedenfalls deutet ganz klar in einer bestimmte Richtung. Die anhaltende Debatte um das umstrittene Fracking in den USA und Europa oder die enorm umweltbelastende Ausbeutung von Ölsanden in Kanada stellen dabei nur besonders prominente Vorhaben der Industrie dar. Im Jahr 2012 betrugen die Ausgaben der 200 größten Unternehmen für die Exploration und Ausbeutung neuer fossiler Brennstoffvorkommen schon fast 675 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr stieg diese Zahl noch einmal um zehn Prozent. Ein Teil der höheren Ausgaben lässt sich zwar durch die ebenfalls gestiegenen Produktionskosten erklären, doch frisches Brennmaterial zu finden bleibt weiterhin eines der grundlegenden Ziele führender Konzerne.

Carbon-Tracker-Unterstützer Stern nannte den Klimawandel "das weltgrößte Marktversagen", da "soziale und ökologische Auswirkungen nicht in den Preismechanismus miteinbezogen" würden. Möglicherweise kalkulieren die Konzerne mögliche Auswirkungen jedoch sehr wohl in ihre Anlagestrategien ein. Die sich daraus ableitende Schlussfolgerung - stabile Rahmenbedingungen im Rohstoffsektor - wäre jedoch alles andere beruhigend. Denn dann würde es sich nicht um ein Versagen des Marktes handeln, sondern um die in den Führungsetagen der Förderkonzerne vorherrschende Überzeugung, dass die Staaten ihre Klimaziele ohnehin nie einhalten werden.

Quelle: ntv.de

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