Wirtschaft

China-Index auf Sechs-Jahres-Tief Was die PMI-Daten aus Peking bedeuten

"Der Rückgang zeigt, dass die Industrie des Landes eine entscheidende Phase in ihrem Transformationsprozess erreicht hat."

"Der Rückgang zeigt, dass die Industrie des Landes eine entscheidende Phase in ihrem Transformationsprozess erreicht hat."

(Foto: REUTERS)

Neue Konjunkturzahlen belegen: Die Einkaufsmanager in der chinesischen Industrie sehen noch immer kein Licht am Ende des Tunnels. Auf seiner USA-Reise hält Chinas Präsident Xi Jinping mit viel Zweckoptimismus dagegen.

Ein wichtiger Frühindikator zur Konjunkturlage in China ist auf den niedrigsten Stand seit sechseinhalb Jahren gefallen: Der Einkaufsmanagerindex der verarbeitenden Industrie ("Purchase Manager Index", PMI), der die Stimmung in den Chefetagen von produzierenden Unternehmen misst, ging im September von 47,3 auf 47,0 Punkte zurück.

Noch ist die Entwicklung nicht offiziell: Die Daten, die eine härtere Landung der chinesischen Wirtschaftsdynamik andeuten, beruhen bislang nur auf einer ersten, vorläufigen Schätzung des chinesische Wirtschaftsmagazin "Caixin".

Dennoch reagieren Konjunkturexperten in aller Welt alarmiert: Mit dem neuen Stand erreicht der Index voraussichtlich den tiefsten Stand seit März 2009. Analysten hatten im Durchschnitt mit einem Wert von 47,5 Punkten gerechnet. Werte über der kritischen Grenze von 50 Punkten deuten auf eine positive Stimmung in der Wirtschaft hin. Werte unter 50 kündigen einen möglichen Abschwung an.

Muss sich China nach Jahren starken Wachstums nun auf die vielbeschworene "harte Landung" einstellen? Laut des vorläufigen Reports haben Chinas Fabriken im August - wie bereits in den Vormonaten - erneut ihre Produktion heruntergefahren und sowohl Verkaufspreise als auch Mitarbeiterzahlen reduziert. Hintergrund sind rückläufige Entwicklungen bei den Aufträgen aus dem In- und Ausland, die offenbar stärker ausfielen als erwartet.

Probleme, millionenfach multipliziert

"Der Rückgang zeigt, dass die Industrie des Landes eine entscheidende Phase in ihrem Transformationsprozess erreicht hat", fasste He Fan, Chefökonom der Caixin Gruppe, die Lage zusammen. Hinter der eleganten Formulierung verbergen sich ernste Bedenken. Sollte sich der Trend verstärken droht den Wirtschaftslenkern in Peking ein schwer kontrollierbarer Wirtschaftsabschwung mit steigenden Arbeitslosenzahlen, einbrechender Binnennachfrage und gewaltigen Überkapazitäten in der Industrie.

Weil das alles in den neuen chinesischen Maßstäben stattfindet, muss schlimmstenfalls mit gigantischen Umwälzungen gerechnet werden: Auf dem Spiel steht nicht weniger als der soziale Friede in dem von der Kommunistischen Partei regierten Riesenreich mit seinen mittlerweile knapp 1,4 Milliarden Einwohnern.

Soziale Verwerfungen drohen

Chinas Wirtschaft befindet sich auch so schon in einem großen Umbauprozess: Das alte Wachstumsmodell als "Werkbank der Welt", auf der Millionen Chinesen zu Niedriglöhnen günstige Produkte für den Westen herstellen, stößt schon lange an seine Grenzen. Deshalb plant Peking, die eigene Industrie moderner, innovativer und leistungsfähiger zu machen - ohne zugleich gefährliche Effekte der Massenarbeitslosigkeit im Heer der Wanderarbeiter zu erzeugen.

Hightech-Produkte aus China sollen innerhalb der nächsten Jahre mit denen von westlichen Industrienationen konkurrieren können, lautet das Ziel. Zuletzt hatten sich jedoch weltweit Sorgen verbreitet, dass dieser Umbau nicht schnell genug gelingt, und sich die Probleme im Land häufen könnten. Im Klartext heißt das: Scheitert die "Transformation", bricht das Wohlstandsversprechen der Machthaber in Peking in sich zusammen. Die Kommunistische Partei Chinas müsste um Rückhalt in der Bevölkerung und letztlich auch ihren Machtanspruch fürchten.

Präsident Xi beschwichtigt in Seattle

Bereits seit Wochen versucht die Führung in Peking zu beschwichtigen. Erst am Dienstag, im Vorfeld der überraschend schwachen Konjunkturdaten, hatte Chinas Präsident Xi Jinping erneut ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage seines Landes gezeichnet. Die Wirtschaft befinde sich in einer "ordnungsgemäßen Spanne", sagte Xi während eines Staatsbesuchs in den USA vor Unternehmern in Seattle.

Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft sei in den vergangenen Monaten unter Druck geraten, gestand Xi bei seinem USA-Besuch ein. Jedoch sei das wegen der "komplexen" und "volatilen" Lage der Weltwirtschaft erwartet worden. Auch mit der Ankündigung, die chinesischen Märkte weiter für ausländische Unternehmen und Investoren zu öffnen, versuchte Peking zuletzt, Ängste über die befürchtete 'harte Landung' der Wirtschaft zu zerstreuen.

Scheitert Peking an 7,0 Prozent?

Mit einem Wachstum von 7,3 Prozent war die Wirtschaft des riesigen Landes im vergangenen Jahr so langsam wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gewachsen. Für das laufende Jahr peilt Peking ein Wachstumziel von etwa 7,0 Prozent an. Die Asiatische Entwicklungsbank rechnet in ihrer jüngsten Prognose jedoch nur noch mit 6,8 Prozent Wachstum.

Die aktuelle Vorabschätzung zur Lage in der Industrie und der Stimmung der Einkaufsmanager deutet an, dass China beim Wachstum tatsächlich unter die Zielmarke von 7,0 Prozent fallen könnte. Der von Caixin ermittelte vorläufige Wert beinhaltet 85 Prozent der Antworten von Unternehmen, die an einer monatlichen Stimmungsbefragung beteiligt sind. Der endgültige PMI-Index wird wie üblich erst gegen Monatsende veröffentlicht.

Die Entwicklung ist auch für Europa von enormem Interesse: In den vergangenen Jahren ist China nicht zuletzt für die deutsche Automobilindustrie zum wichtigsten Auslandsmarkt aufgestiegen. Große Zukunftshoffnungen - in Form von Absatz- und Umsatzerwartungen - sind eng mit einem fortgesetzt stabilen Wirtschaftswachstum in China verknüpft. Sollte sich die Konjunktur in China stärker als erwartet abkühlen, drohen damit auch empfindliche Rückschläge für die deutsche Wirtschaft.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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