Wirtschaft

Zinsängste am Aktienmarkt Warum sich 1994 nicht wiederholt

Gefährliche Gewöhnung: Seit Jahren leben die Märkte mit einem außergewöhnlich niedrigen Zinsniveau.

Gefährliche Gewöhnung: Seit Jahren leben die Märkte mit einem außergewöhnlich niedrigen Zinsniveau.

(Foto: REUTERS)

Die Zinswende kommt auf jeden Fall, die Frage ist nur wann und wie. Für jeden, der herausfinden möchte, wie sich ein Zinsanstieg auf die Märkte auswirken wird, bietet sich das Jahr 1994 zum Vergleich an.

Als die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im Jahr 1994 die Zinsen erhöhte, gab es am Aktienmarkt gerade mal eine kleine Delle. Wenn sich der Zinszyklus dieses Mal umkehrt, werden Anleger womöglich nicht so viel Glück haben.

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Angesichts des immer stärkeren Arbeitsmarktes in den USA haben Volkswirte ihre Prognosen, wann die Fed erstmals den Leitzins wieder anhebt, nach vorne vorgezogen. Bei der August-Umfrage des "Wall Street Journal" zu den Wirtschaftsprognosen haben 75 Prozent der Ökonomen geantwortet, sie rechneten mit dem ersten Zinsschritt für das erste Halbjahr 2015. Im Mai glaubten das nur 56,5 Prozent.

Für jeden, der herausfinden möchte, wie sich ein Zinsanstieg auf die Märkte auswirken wird, bietet sich das Jahr 1994 zum Vergleich an. Auch damals hatten sich die Anleger an niedrige Zinsen gewöhnt - die Fed hatte fünf Jahre zuvor das letzte Mal die Zinsen angehoben - viele Investoren wurden deshalb auf dem falschen Fuß erwischt, als es dann plötzlich und unerwartet mit den Zinsen nach oben ging. Aber: Während die Anleihekurse abstürzten, litt der Aktienmarkt nur kurzzeitig. Am tiefsten Punkt hatte der S&P-500 gerade mal 5,9 Prozent seit Jahresbeginn verloren. Zum Jahresende 1994 verzeichneten US-Börsianer gerade mal ein Minus von 1,5 Prozent, unter Einberechnung der Dividenden sogar nur 1,3 Prozent.

Diesmal allerdings könnte es nicht ganz so glimpflich ausgehen: Vorsichtige Anleger sollten beim Vergleich bedenken, dass die Zinsen derzeit sehr viel niedriger sind, und wie stark sich das historische Niedrigzinsniveau "nahe Null" auf das Verhalten von Anlegern, Fonds und Unternehmen in aller Welt ausgewirkt hat.

Die Rendite der zehnjährigen US-Treasurys lag Anfang 1994 bei 5,8 Prozent und damit etwa 3,2 Prozentpunkte über der damaligen Inflation. Aktuell rentiert das Papier mit 2,4 Prozent gerade mal 0,3 Prozent über der Teuerungsrate. Das macht es für jeden Investor schwer, am Anleihemarkt reale Gewinne einzufahren. Selbst normalerweise risikoscheue Anleger sind deshalb in den Aktienmarkt abgewandert - vor allem in solche Papiere, die laufende Einnahmen bieten, wie etwa Immobilien-Investmenttrusts (REITs). Und auch Unternehmen haben viel getan, um diese Investoren anzulocken.

Einige haben sich in REITs umgewandelt oder haben Assets in sogenannte Master Limited Partnerships (MLP) ausgelagert. Viele haben ihre Ausschüttungen an Aktionäre über Dividenden und Aktienrückkäufe nach oben gefahren. Bei Unternehmen außerhalb des Finanzsektors haben die Dividenden und die Nettorückkäufe (Rückkäufe minus Kapitalerhöhungen) in den vergangenen zwölf Monaten per Ende März 4,2 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung ausgemacht, wie Daten der Fed zeigen. Ende 1993 lag der Vergleichswert bei 2,8 Prozent.

Aktien könnten wie damals die Anleihen fallen

Wenn Aktien heutzutage im Vergleich zu damals aber viel mehr Gemeinsamkeiten mit Anleihen aufweisen, dann ist auch das Risiko größer, dass sie wie damals die Anleihen auf Zinserhöhungen reagieren und stark fallen.

Hinzu kommt, dass die Aktien-Bewertungen keine Stütze bieten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis im S&P-500 auf Basis der Vorjahresergebnisse liegt derzeit zwar mit 17,3 leicht unter den 18,3 zum Jahreswechsel 1993/94. Ein wichtiger Unterschied ist aber, dass die Gewinne damals im Jahresverlauf stiegen, im S&P- 500 um 18 Prozent.

Derzeit erscheint das unwahrscheinlich, denn die Gewinnmargen liegen bereits auf Rekordniveau und die Arbeits- und Ausrüstungskosten dürften weiter anziehen. Analysten, die mit Blick auf das Unternehmenswachstum normalerweise übermäßig optimistisch sind, erwarten laut Thomson Reuters I/B/E/S bei den Gewinnen im S&P-500 für das nächste Jahr einen Anstieg um 12 Prozent.

Das von Robert Shiller, Wirtschaftsprofessor an der Universität Yale, berechnete, saisonal bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, bei dem zeitweilige Gewinnsprünge geglättet werden sollen, beträgt derzeit 25,6. Das ist historisch betrachtet ein recht hoher Wert, der gut ein Fünftel über dem von Ende 1993 liegt.

Ein Grund, warum Anleger noch bereit sind, einen so hohen Preis zu zahlen, könnten die niedrigen Zinsen sein, mit denen sie künftig niedrigere Chasflows aus ihren Aktieninvestments rechtfertigen. Aber wenn die Zinsen anziehen, fällt diese Rechtfertigung weg. Und damit wohl gleichzeitig auch ein großer Teil der Kursgewinne, die Aktien in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Quelle: ntv.de, Justin Lahart, DJ

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