Wirtschaft

Machtspiele am Ölmarkt Komplott gegen Russland?

Die Opec steht diese Woche in Wien vor einer Zerreißprobe. Im Fokus stehen nicht nur der Preisverfall, sondern auch die neuen Machtkonstellationen am Ölmarkt. Viel Raum für Verschwörungstheorien.

"Bilde ich mir das ein oder haben wir es mit einem globalen Ölkrieg zu tun, mit den USA und Saudi-Arabien auf der einen Seite und Russland und dem Iran auf der anderen?" Diese Frage stellte der bekannte Journalist Thomas Friedman kürzlich in der "New York Times". Vor der für diese Woche anberaumten Vollversammlung des Ölkartells in Wien steht fest: Öl droht wieder zu einer Waffe zu werden. Ein neuer Kalter Krieg am Ölmarkt?

US-Präsident Obama (l.) im März beim saudischen König bin Abdul Aziz. Saudi-Arabien ist der wichtigste regionale Verbündete der USA im Kampf gegen den IS.

US-Präsident Obama (l.) im März beim saudischen König bin Abdul Aziz. Saudi-Arabien ist der wichtigste regionale Verbündete der USA im Kampf gegen den IS.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Russland spricht man seit Wochen offen von einem Komplott. Der Sekretär von Russlands Nationalem Sicherheitsrat, Nikolaj Patruschej, erinnert in der Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" an die 1980er-Jahre: Die Vereinigten Staaten hätten damals den Ölpreisverfall herbeigeführt, um die Sowjetunion in den Bankrott zu treiben, heißt es. Heute sei der Absturz des Ölpreises ebenfalls zwischen den US-Amerikanern und Saudis abgesprochen, schreibt das Russische Institut für Strategische Studien. Nach dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in Riad im März - mitten in der Ukraine-Krise - textete die russische Zeitung Prawda: "Obama will, dass Saudi-Arabien die russische Wirtschaft zerstört".

Russland und Iran haben ein Problem

Nicht nur Russland, auch der Iran wirft den USA und Saudi-Arabien konspirative Absprachen vor, die sich gegen die Wirtschaft des Landes richteten. Beide Länder sind - wie im Übrigen auch das Opec-Land Venezuela - auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft dringend angewiesen.

Der Iran hat wegen der Atom-Sanktionen des Westens seit 2011 mehr als die Hälfte seiner Öleinnahmen eingebüßt. Zur Deckung des Haushalts ist ein Preis von mindestens 125 US-Dollar pro Barrel nötig. Der iranische Ölminister Bijan Zanganeh gibt Saudi-Arabien die Schuld am Preisverfall. Riad überschwemme den Weltmarkt mit Öl und drücke so den Preis.

Kaum besser sieht es in Russland aus: Moskau hat seinen Haushalt für dieses Jahr mit einem durchschnittlichen Preis von 104 Dollar je Fass kalkuliert. Auch hier wird es eng. Die Wirtschaft leidet unter den EU-Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts. In Russland stammen rund 40 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Export von Rohöl. Aktuell bekommen die Ölproduzenten nur 84 Dollar pro Barrel.

Die Welt ertrinkt in Öl

Der Ölpreis fällt und fällt. Die Welt schwimmt im schwarzen Gold. Amerika scheint auf den ersten Blick der größte Profiteur der neuen globalen Öl-Ordnung.

Der Ölpreis fällt und fällt. Die Welt schwimmt im schwarzen Gold. Amerika scheint auf den ersten Blick der größte Profiteur der neuen globalen Öl-Ordnung.

(Foto: REUTERS)

Tatsache ist: Öl kostet so wenig wie zuletzt vor mehr als vier Jahren. Allein seit Juni sind die Preise um gut ein Drittel gesunken. Aber handfeste Beweise für ein Bündnis zwischen Saudis und US-Amerikanern gibt es nicht. Schuld an dem Preisverfall sind keine Absprachen, sondern vielmehr die Ölschwemme durch die neue Fördermethode Fracking. Mit ihrem Boom bei Schiefergas und Schieferöl sorgen die USA für ein drastisches Überangebot - sie fördern mittlerweile so viel Öl wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auf den Ölpreis drückt zusätzlich der sinkende Verbrauch der Abnehmerländer, die wegen der schwachen Konjunktur weniger Öl nachfragen.

Früher hätte die Opec die Förderung in dieser Situation wahrscheinlich gedrosselt, erklärt ein Ölexperte. Wie sie jetzt reagieren werde? Da sei er zum ersten Mal überfragt. Nicht jeder Player auf dem Rohstoffmarkt folgt nur einem Motiv - wie man an Saudi-Arabien sieht.

Machen die USA mit den Saudis gemeinsame Sache?

Das Königreich zählt zu den engsten Verbündeten der USA. Deshalb rechnen viele Experten nicht damit, dass die Saudis den weit geöffneten Ölhahn zudrehen. Die USA haben wegen des Ukraine-Konflikts nichts dagegen, Russland mit einem niedrigen Ölpreis zu schaden. Jeder Dollar weniger kostet Moskau viele Milliarden, was den Druck auf die Führung erhöht. Ein russischer Ökonom, der von den Medien nicht namentlich zitiert wurde, warnte im Sommer: "Sollte der Preis auf 75 Dollar fallen und dort für ein paar Jahre verharren, werden wir in Russland einen Machtwechsel sehen."

Richtig ist, dass Saudi-Arabien als größter Ölexporteur der Welt und gleichzeitig größter Opec-Produzent bislang nichts unternommen hat, um den Eindruck eines Komplotts zu entkräften. Statt die Förderung zu drosseln, um den Ölpreis zu stabilisieren, hat das Land seine Förderung im September sogar ausgeweitet.

Was dabei aber nicht gesehen wird, ist, dass die Saudis mit ihrer hohen Förderung den Ölpreis so weit in den Keller schicken können, dass es auch für die US-Amerikaner kritisch wird. Die Scheichs lassen sich nicht einfach so von den USA vor den Karren spannen. Der saudi-arabische Ölminister Ali al-Naimi betonte zuletzt: "Hier geht es nur ums Geschäft."

Saudi-Arabien beobachtet die wachsende Konkurrenz aus den USA aufmerksam. Der sinkende Ölpreis kommt den Scheichs entgegen. Denn er bremst die US-amerikanische Schieferöl-Produktion. Fracking ist teuer, das schwarze Gold muss mit hohem technischem Aufwand aus Schiefergestein gelöst werden. Wenn der Ölpreis die Kosten nicht mehr deckt, ist Schluss mit dem amerikanischen Öl-Boom. Damit wären die klassischen Ölförderländer wieder am Zug. Mehrere US-Produzenten signalisierten bereits, dass sie nur bei einem Preis von mehr als 70 Dollar je Barrel profitabel arbeiten. Die Internationale Energiebehörde IEA rechnete vor, dass die Investitionen in die US-Schieferölproduktion aufgrund der negativen Preisentwicklung im nächsten Jahr bereits um rund zehn Prozent sinken werden. Geht es so weiter, werden die USA den Ölhahn wieder zurückdrehen müssen - und die Preise steigen wieder.

Wer hält länger durch?

Fest steht: Auch Saudi-Arabien würde langfristig lieber höhere Preise sehen. Das Opec-Schwergewicht hat aber das Glück, dass es auf Zeit spielen kann. Da die Produktionskosten traditioneller Ölförderländer deutlich niedriger sind als bei den Frackingproduzenten, verdient das Land auch noch bei deutlich niedrigeren Preisen gutes Geld. Außerdem verfügt Saudi-Arabien über hohe Devisenreserven und kann damit den Staatshaushalt notfalls ausgleichen, falls die Finanzierung durch die Öleinnahmen nicht reicht.

"Die Saudis sind sich ihrer Fähigkeit, die Preise auf dem Welt-Ölmarkt zu bestimmen, sehr, sehr genau bewusst", antwortete US-Außenminister John Kerry im September bei einem Besuch in Riad auf die Frage nach der Bedeutung des Ölpreises für den russischen Haushalt. Das war nicht nur in Richtung Moskau gesagt. Die Opec steht für rund ein Drittel der weltweiten Ölproduktion. Die Saudis als größter Exporteur werden vor allem im eigenen Interesse handeln. Schon früher haben sie bewiesen, dass sie bei der Verteidigung ihrer Anteile auch auf ihre Opec-Kollegen keine Rücksicht nehmen. Ganz so klar, wie die Fronten auf dem Ölmarkt momentan gezeichnet werden, sind sie eben nicht. Von einem Krieg kann keine Rede sein. Dass politische Kräfte mitwirken, kann man wohl aber nicht abstreiten. Es verspricht, spannend zu werden.

Die Opec-Konferenz, die am Donnerstag beginnt, ist die erste seit Beginn des Ölpreisverfalls im Juni. Russland, das kein Opec-Mitglied ist, wird am Treffen teilnehmen. Nicht nur die Abgesandten aus Moskau werden sehr genau hinschauen, wer mit wem spricht.

Quelle: ntv.de

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