Wirtschaft

Kalter Krieg am Ölmarkt Preisverfall schwächt Gegner der USA

Arbeit an einem Bohrloch im US-Bundesstaat Colorado.

Arbeit an einem Bohrloch im US-Bundesstaat Colorado.

(Foto: picture alliance / dpa)

Länder wie Russland und Iran leiden unter dem niedriger werdenden Ölpreis. Auslöser ist der US-Ölboom, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte. Das führende Förderland Saudi-Arabien ist kein Zünglein an der Waage mehr.

Die USA setzen an den internationalen Ölmärkten ihre politischen Gegner massiv unter Druck. Die weltgrößte Volkswirtschaft ist Auslöser und großer Nutznießer des rund 25-prozentigen Ölpreisverfalls seit Sommer. Mit ihrem Schiefergas- und Ölboom sorgen die USA für ein Überangebot an den Märkten. Zugleich macht der Preissturz die noch immer nötigen Importe des schwarzen Goldes für sie und ihre europäischen Verbündeten deutlich billiger. Einige der ärgsten Gegner des Westens - Russland, Iran oder Venezuela - sind dagegen als Weltmarkt-Produzenten die Verlierer.

Russlands Wirtschaft ächzt unter den schrumpfenden Erlösen aus dem Ölgeschäft besonders. Rund 40 Prozent der Einnahmen des russischen Staates stammen aus dem Export von Rohöl. Im Haushaltsplan für 2014 rechnet die Regierung in Moskau mit einem durchschnittlichen Preis von 104 Dollar je Fass, aktuell sind es weniger als 84 Dollar.

Jeder Dollar weniger kostet Russland viele Milliarden, was den Druck auf die Führung erhöht, die Abhängigkeit von den Öl-Ausfuhren zu reduzieren. Ein russischer Ökonom, der nicht namentlich zitiert werden will, meinte im Sommer gar: "Sollte der Preis auf 75 Dollar fallen und dort für ein paar Jahre verharren, werden wir in Russland einen Machtwechsel sehen."

Die Einnahme-Einbußen schüren an den Märkten bereits die Furcht vor einem Zahlungsausfall Russlands. Die Preise für russische Kreditausfall-Versicherungen (CDS) kletterten Anfang Oktober auf den höchsten Stand seit Ende Februar. Im Westen hoffen einige darauf, dass der ökonomische Druck über den Ölpreis die Regierung zu Zugeständnissen in der Ukraine-Politik bewegen könnte. Dies müsse aber nicht unbedingt passieren, betont Professor Paul Stevens vom Forschungsinstitut Chatham House in London. Klar sei bislang nur: "Im Haushalt werden sie gewiss den Druck zu spüren bekommen."

USA überholen bald Saudi-Arabien

Ganz anders ist die Lage in den USA, dem größten Öl-Verbraucher der Welt. Dank der umstrittenen Fracking-Fördermethode wird dort ein großer Teil des benötigten Öls mittlerweile selbst produziert. In ihrem September-Bericht schätzt die Weltenergiebehörde IEA, dass in den USA ab Ende nächsten Jahres täglich zwölf Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) gefördert werden. Damit überholen die USA Saudi-Arabien, den größten Produzenten der Organisation erdölexportierender Länder (Opec). Zum Vergleich: Russlands Öl-Produktion wird von Analysten mit knapp elf Millionen Barrel veranschlagt.

Noch 2010 haben die Amerikaner fast die Hälfte des Öls, das sie verbrauchten, importieren müssen. Die US-Energiebehörde EIA rechnet für nächstes Jahr nur noch mit einer Importquote von rund 20 Prozent. Zudem wird in Washington nach Reuters-Informationen auch über die Rechtmäßigkeit des Export-Verbots nachgedacht, das seit der Ölkrise in den 1970er Jahren besteht. Zwar stehe eine sofortige Aufhebung nicht an, doch gebe es unter anderem aus der EU entsprechende Anfragen, sagen Experten und Regierungsvertreter in Washington. Die Europäische Union versucht wegen der Ukraine-Krise schon länger, die Abhängigkeit von russischen Importen zu verringern.

Die Folgen des Überangebots und der schrumpfenden Nachfrage - auch im Zuge der Konjunkturabschwächung - sind an den Preisen abzulesen: Mit gut 83 Dollar kostet ein Fass Nordseeöl der Sorte Brent so wenig wie seit vier Jahren nicht mehr. Noch im Juni hatte ein Barrel fast 116 Dollar gekostet. Die IEA rechnet vor, dass die Opec derzeit mehr als eine Million Fässer mehr produziert als sie verkaufen kann.

Iran droht nicht mehr

Das trifft auch den Öl-Produzenten Iran, dessen Wirtschaft ohnehin mit Sanktionen des Westens zu kämpfen hat. Den USA kommt dies bei den Atomverhandlungen mit der Islamischen Republik gerade recht. Denn politisch fehlt der Regierung in Teheran so ein früher oft benutztes Druckmittel. Noch vor einigen Jahren hatten Drohungen aus Teheran, die Straße von Hormus als wichtige Öl-Exportroute zu sperren, an den Märkten für Aufregung gesorgt. Zurzeit droht aus dem Iran niemand mehr. Einige Analysten vermuten auch, dass der radikalen Miliz Islamischer Staat (IS) der Preisverfall schadet. Die IS hat eine Reihe von Ölfeldern in Syrien und dem Irak erobert und finanziert sich teils durch Verkäufe auf dem schwarzen Markt.

In der Vergangenheit ist bei einem Preisverfall oft Saudi-Arabien als weltgrößter Erdöl-Exporteur aktiv geworden und hat die Förderung gedrosselt. Doch die Zweifel wachsen, dass dies nun angesichts der Ölschwemme aus Nordamerika etwas bringt. Um die Preise zu stabilisieren, müssten die USA, Kanada und auch Brasilien ihre Produktion einschränken, erklärt IEA-Chefanalyst Antoine Halff. Die Regierung Saudi-Arabiens - ein politischer Verbündeter der USA seit Jahrzehnten - ließ daher erst vor wenigen Tagen wissen, dass man auch mit einem Ölpreis von 80 Dollar leben könnte. Kurzfristig könnte zwar auch Saudi-Arabiens Haushalt unter den geringeren Einnahmen leiden. Doch langfristig habe die Regierung in Riad Reserven, erklären Analysten. "Die verkraften das schon."

Quelle: ntv.de, David Sheppard, Rania El Gamal und Andrea Lentz, rts

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