Wirtschaft

Referendum macht Märkten Sorge In Italien steht viel auf dem Spiel

Laut den Umfragen sieht es danach aus, dass Renzi das Referendum verliert.

Laut den Umfragen sieht es danach aus, dass Renzi das Referendum verliert.

(Foto: REUTERS)

Nach dem Sieg von Donald Trump machen sich Investoren zunehmend Sorgen: Beim Verfassungsreferendum droht mit Italien die nächste Bastion zu fallen. Die Zinsen steigen bereits. Was könnte passieren?

Kurze Ablenkung für Matteo Renzi: Der italienische Ministerpräsident ist ebenso wie die Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Spanien dabei, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama auf seiner letzten Europa-Tour in Berlin empfängt. Das Treffen könnte Renzi ein paar Stunden davon ablenken, wie viel beim Verfassungsreferendum am 4. Dezember auf dem Spiel steht. Laut den Umfragen sieht es danach aus, dass Renzi das Referendum verlieren dürfte. Er hat für diesen Fall angekündigt, dass er sich an der Bildung einer Übergangsregierung nicht beteiligen werde.

Sie hätte hauptsächlich die Aufgabe Neuwahlen durchzuführen, die bereits im Frühjahr oder Sommer 2017 stattfinden könnten. "Dann gäbe es ein tatsächliches Risiko, dass Parteien gewählt werden, die ein Referendum über einen Verbleib in der Europäischen Union fordern. Und derzeit ist es nicht klar, wie sich die Italiener in diesem Fall entscheiden würden", schrieb John Mauldin, Autor, Finanzexperte und Börsenbriefschreiber von MauldinEconomics.com zuletzt.

Laut den aktuellen Umfragen liegen die Gegner des Verfassungsreferendums mit 39 Prozent vor den Befürwortern mit 36 Prozent. Laut den Analysten der Deutschen Bank ist die Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern des Referendums zuletzt auf 60 Prozent geklettert. Die oppositionelle Bewegung MoVimento 5 Stelle ("5 Sterne") des Kabarettisten Beppe Grillo strebt ein Referendum über den Ausstieg Italiens aus dem Euro an. Sollte Renzi also das Verfassungsreferendum verlieren, könnten sich die Sorgen vor einem möglichen Euro-Austritt Italiens schnell verstärken. Der Euro ist aber ohne Italien kaum denkbar, ist das Land doch die drittgrößte Volkswirtschaft der Union, hinter Deutschland und Frankreich. "Investoren nehmen die 5-Sterne-Bewegung wesentlich ernster, seitdem Virginia Raggi die Bürgermeisterwahl in Rom im Juni gewonnen hat", sagt Ugo Lancioni, Analyst bei Neuberger Berman in London.

Zinsen steigen

Wegen der Sorge, dass Renzi eine Niederlage erleiden könnte, haben sich die Zinsen für zehnjährige Anleihen in den vergangenen drei Monaten annähernd verdoppelt auf aktuell etwas mehr als zwei Prozent. Dabei hatte sich der Aufwärtstrend nach dem Sieg von Donald Trump deutlich beschleunigt. Das könnte schnell zum Problem werden, sind doch die Schulden Italiens auf den Rekord von 2,25 Billionen Euro gestiegen. Sie sind damit größer als jene Deutschlands (2,17 Billionen), obwohl die Wirtschaftsleistung Italiens nur 54 Prozent der Leistung Deutschlands ausmacht. Damit liegt die Verschuldung Italiens bei 135,5 Prozent des BIPs – das ist der zweitschlechteste Wert in der Euro-Zone.

"Die Eurokrise schleicht sich in neuem Gewand zurück in die Köpfe der Anleger. Nicht mehr Griechenland, sondern Italien ist jetzt das Land, welches aus Sicht der mehr als 1000 befragten Investoren am wahrscheinlichsten die Eurozone binnen Jahresfrist verlassen wird. Diese Entwicklung unterstreicht die hohe Bedeutung, die dem Verfassungsreferendum in Italien am 4. Dezember zukommen wird", schreibt Manfred Hübner, Geschäftsführer von sentix, die die Umfrage durchgeführt hat. So liegt der Wert für einen möglichen Euro-Austritt Italiens mit 9,89 Prozent über dem Wert von Griechenland mit 8,48 Prozent. Die Analysten der Deutschen Bank befürchten, dass der Finanzmarkt im Falle einer Niederlage Renzis die "politische Instabilität als Italiens Status quo" einfach hinnehmen wird. "Wir sind anderer Meinung, und sehen ein nicht unerhebliches Risiko, dass eine neue, längere Periode ineffektiven Regierens mittelfristig zu einer systemischen Instabilität führen wird", schreiben die Experten.

Italienische Wirtschaft schwächelt seit Jahren

Die Probleme Italiens sind immens: die notleidenden Kredite der Banken liegen bei rund 360 Milliarden Euro. Das sind rund 18 Prozent des gesamten Kreditvolumens. "Die Institute bekommen die seit Jahren schwächelnde Konjunktur erheblich zu spüren", erklärt Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets. "Zwar ist die Wirtschaft im dritten Quartal um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Gegenüber dem Vorjahr steht allerdings ein Plus von lediglich 0,9 Prozent zu Buche und das ist der zweitschlechteste Wert in der Euro-Zone", ergänzt Stanzl.

Die seit Jahren kränkelnde Wirtschaft belastet die Italiener schwer. Die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf – also unter Berücksichtigung der Inflation - lag 2015 mit 25.600 Euro in der Nähe des 20-Jahres-Tiefs (1997: 25.500 Euro). Gleichzeitig liegt die Arbeitslosenquote mit 11,7 Prozent auf einem hohen Niveau. Und nun belasten die deutlich steigenden Zinsen die Wirtschaft und damit den Aktienmarkt. So ist der FTSE Mib gegenüber Ende 2015 um 23 Prozent gesunken und nähert sich rapide dem Jahrestief. Mit rund 16.400 Punkten notiert der Index auf dem Stand vom Frühjahr 2009.

Der Zinsanstieg könnte kurzfristig weitergehen. Umso mehr wächst der Druck auf EZB-Chef Mario Draghi, bei der Sitzung am 8. Dezember eine Veränderung des Anleihenkaufprogramms der EZB anzukündigen und künftig verstärkt Anleihen aus der Peripherie, also aus Italien und Portugal, zu kaufen, um so die Lage etwas zu beruhigen. Ansonsten könnte es am italienischen Anleihen- und Aktienmarkt noch ungemütlicher werden – und die Infektionsgefahren für andere Länder zunehmen.

Quelle: ntv.de

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