Wirtschaft

Was will der Gigant damit? Google greift nach Soundcloud

Soundcloud: Seit Dezember gibt es das Premium-Angebot "Go" für knapp zehn Euro im Monat.

Soundcloud: Seit Dezember gibt es das Premium-Angebot "Go" für knapp zehn Euro im Monat.

(Foto: dpa)

Der Internetriese Google will wohl den deutsche Musik-Streamingdienst Soundcloud übernehmen – was auf den ersten Blick überraschend klingt, könnte die ächzende Musikindustrie retten.

Die Fakten beeindrucken: 135 Millionen Songs im Angebot, der Musikstreaming-Pionier Spotify bot zuletzt eine Milliarde Euro und Major Labels wie Universal und Sony sind schon an Bord. Das Berliner Vorzeige-Start-up Soundcloud begeistert die Musikszene. "Wir haben ein einzigartiges Angebot, das keiner sonst hat", sagt Mitgründer und Chef Alexander Ljung.

Alphabet (ehem. Google)
Alphabet 154,09

Kurz nach dem Jahresbeginn steht die Musikschmiede offenbar vor ihrem nächsten großen Coup. Nachdem Twitter im vergangenen Jahr ankündigte, 100 Millionen Dollar in Soundcloud zu pumpen, ist nach Informationen von "Music Business Worldwide" jetzt der Internetgigant Google "sehr interessiert" daran, die Berliner zu übernehmen. Allerdings wollen die Kalifornier laut gut informierten Insidern wohl nur noch knapp 500 Millionen Dollar bieten.

Wofür das Geld? Das Prinzip hinter Soundcloud ist schnell erklärt: User können Musik hochladen und sie mit anderen auf der Plattform teilen. Zwar gilt die Plattform als Spezialist für Independent Music, doch mit dabei sind mittlerweile auch Major Labels wie Sony und Universal. Seit wenigen Wochen gibt es die Premium-Variante "Go", die für knapp zehn Euro im Monat komplett werbefrei funktioniert. Ansonsten muss der User Werbung anschauen, bevor er sich bestimmte Songs anhören kann.

Vier von zehn über 14 streamen Musik

Lange gefürchtet, könnte Musikstreaming in Deutschland zum rettenden Anker für die Musikindustrie werden. Nach Angaben des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) hat die Musikvermietung hierzulande in der ersten Hälfte 2016 rund 176 Millionen Euro in die Kassen gespült und macht damit rund ein Viertel der Gesamteinnahmen aus. Wie der Digitalverband Bitkom im abgelaufenen Jahr bilanzierte, hören inzwischen vier von zehn Internetnutzer ab 14 Jahren Musik über Streamingdienste wie Spotify und Co. Der Blick in die USA zeigt, wie die Zukunft aussehen könnte: Dort hat der Streaming-Umsatz 2015 zum ersten Mal den Umsatz von Musik-Downloads überholt.

Der Vorstoß Googles offenbart auch: Die Musikstreaming-Branche steht unter Druck. Jetzt entern auch die großen Giganten von außen den Markt und bedrohen die Kleinen. Sie, die sich in ihre Nischen verkrochen hatten, kamen zuletzt aus der Deckung und gingen Kooperationen ein (wie der französische Deezer mit der Discountkette Lidl). Auch die Milliarden-Offerte des schwedischen Branchenprimus Spotify an die Berliner Soundcloud im Herbst wurde von Experten noch als positiv gewertet. Der Markt schaffte offenbar die notwendige Konsolidierung. Doch dann kam es Schlag auf Schlag: Spotify zog die Offerte zurück und machte auf dem Markt immer mehr Platz für die Angebote von Apple, Amazon und Google.

Und dann ist da noch das Problem Stream-Ripping, das den Markt ohnehin noch unter Druck setzt: Jene Seiten im Netz, mit der sich die gestreamte Musik auch ganz einfach mitschneiden lässt.

Der Markt braucht "Besonderheiten"

Der Schritt von Google ergibt aus vielerlei Sicht Sinn: Zwar betreibt der Riese mit Youtube das weltweit größte Streamingangebot – allerdings werbefinanziert. Nur in wenigen Ländern gibt es mit Youtube Red ein Abo-Modell. Doch, um dauerhaft zahlende Kunden zu binden, braucht es laut Werbeexperte Thomas Koch der Beratungsfirma TK One "Besonderheiten".

Für eben solche "Besonderheiten" ist der Markt groß genug. Viele Player suchen sich eigene Sparten. So bildet beispielsweise Apple mit seinem Angebot "Music" neben der aktuellen Musik noch die Radioszene ab und Branchenprimus Spotify hat Videos mit ins Angebot geholt. Der kleinere Konkurrent Deezer stellt zudem Hörbücher und Podcasts mit ins CD-Regal.

Und dann ist da noch das Prinzip Hoffnung. Umfragen zeigen immer wieder: Gäbe es ein umfassendes und technisch einfaches Streaming-Angebot, wären Nutzer auch bereit, Gratisangebote auszulassen oder illegale Wege zu verlassen und für Musik wieder zu bezahlen. Ebnet Google dafür den Weg, könnte es letztlich der Gigant sein, der die deutsche Musikindustrie wieder in die Gewinnzone bringt.

Quelle: ntv.de

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