Wirtschaft

Welt-Systemstressindex Geldpolitik lässt Stresskurve abklingen

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Vermögensverwalter Markus Zschaber stellt n-tv.de und teleboerse.de einen neuen Index zur Verfügung, den Welt-Systemstressindex. Das Fazit zu Beginn: der systemische Stress nimmt ab.

Die Griechenlandkrise im Sommer, Spekulationen über eine zügige Zinswende in den USA, die abkühlende Wirtschaft in vielen Schwellenländern, die hohe negative Dynamik in den Rohstoffpreisen und jüngst der VW-Skandal führten in den letzten Wochen und Monaten zu hoher Verunsicherung und einem messbaren Anstieg des systemischen Stresses im weltweiten Kontext.

Die Folgen waren, dass sich Unsicherheit in den Köpfen vieler Unternehmen rund um den Globus breitmachte, Aktienmärkte einbrachen und anschließend Konjunktur- und Wachstumsprognosen durch viele anerkannte Institutionen für die Weltwirtschaft in 2015 gedrosselt wurden; und nicht selten auch für 2016. "Wir haben eine abrupte Neuadjustierung des systemischen Risikos gesehen, zeitweise sogar panisches Verhalten, wenn ich an die Reaktionen an den Kapitalmärkten denke", blickt Markus Zschaber, Chef der gleichnamigen Vermögensverwaltung, die monatlich den "Welt-Systemstressindex" veröffentlicht, zurück auf die vergangenen Wochen.

Der "Welt-Systemstressindex" deutete einen ersten Anstieg des systemischen Stresses bereits im Frühjahr 2015 an. Mit Blick auf die Detailanalysen sticht hervor, dass, nach dem Anstieg der Stresskurve im Frühjahr, seit Mitte September eine leichte tendenzielle Entspannung determiniert werden kann. Hier erkennt man sehr gut, dass die Kapitalmärkte gerade in der zweiten Hälfte des Septembers von Panik und Ineffizienz beeinflusst wurden, sicherlich auch zurückzuführen auf den VW-Skandal, welcher allerdings eindeutig im globalen Kontext keine Erhöhung des systemischen Stresses verursacht hat, sondern vielmehr ein isoliertes Problem für die Automobilwirtschaft ist.

In allen drei makroökonomisch relevanten Wirtschaftsräumen (USA, Europa und Asien) reduzierte sich seit Mitte September der systemische Stress, wobei in Asien die höchste Entspannung bis heute stattfand, hier reduzierte sich das Stressniveau um fast 50 Prozent, allerdings wurde zuvor auch die höchste Stressdynamik weltweit gemessen. Drei wesentliche Merkmale waren laut Zschaber für die gegenwärtige Entspannung in Asien verantwortlich, wobei das derzeitige Stresslevel noch keine endgültige Entwarnung darstellt.

Dr. Markus C. Zschaber

Dr. Markus C. Zschaber

Zunächst haben sich seit Mitte September die Zinsdifferenzen auf den asiatischen Geldmärkten wieder reduziert, was für ein höheres Vertrauen der Banken spricht, hinsichtlich ihrer Refinanzierung. Zweitens sieht der Experte wieder eine erhöhte Aktivität durch Carry-Trades aus dem Westen, welches bedeutet, dass wieder vermehrt ausländisches Kapital zurück in die asiatischen Volkswirtschaften findet. Drittens ist auch der geldpolitische Kurs durch die Notenbanken in allen relevanten asiatischen Volkswirtschaften, angeführt durch die Bank of China, welche die Überschussliquidität auch in den vergangenen Tagen ausgeweitet hat, vorhanden und aktiv, welches wiederum zu mehr Stabilität im dortigen Kreditzyklus führen wird.

Mehr Optimismus für Asien und das dortige realwirtschaftliche Momentum ist gegenwärtig angemessen, eine wirkliche Verunfallung in den dortigen Wirtschaftsräumen wird nicht gesehen. Gerade von den asiatischen Notenbanken wird in naher Zukunft noch einiges zu erwarten sein.

In den USA konnte auf breiter Front ein abnehmender Stress wahrgenommen werden. Zum einen verbesserte sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gegenüber den Vormonaten leicht, aber auch die Amplitude in den finanziellen Konditionen. Hervorzuheben sind hier verbesserte Konditionalitäten auf den Geld-, Renten-, hochverzinslichen und Devisenmärkten zu Gunsten der USA, welches eine zunehmende Stabilisierung des wirtschaftlichen Zyklus zukünftig untermauert. Dieses kommt dem Aktionsradius auf Grund des starken Wunsches der US-Notenbank, dieses Jahr eine erste Zinserhöhung durchzuführen, entgegen. Trotz des abnehmenden systemischen Stresses erwartet Zschaber aber für die USA keine wirkliche Zinswende, sondern nur ein 'Zinswendchen'. Spätestens in den vergangenen beiden Monaten sollte nun allen Marktteilnehmern klar geworden sein, was seit geraumer Zeit vermutet und prognostiziert wurde. "Indem die Federal Reserve Bank (Fed) ihre Geldpolitik im September nicht gestrafft hat, bestätigte sie, dass sie gegenüber den globalen Entwicklungen nicht blind ist und sehr aufmerksam handelt. Schwächere Exporte, niedrigere Investitionen im Energiesektor und der starke US-Dollar wirken natürlich nachhaltig auf die US-Wachstums- und Inflationsprognosen", so Vermögensverwalter Markus Zschaber weiter. Es wird eine Zinserhöhung geben, allerdings keinen Zinserhöhungszyklus, wie in den vergangenen Jahrzehnten und von den meisten erwartet!

Auch in Europa konnte zuletzt eine abnehmende Stresskurve erkannt werden. Ähnlich wie in den USA konnte eine robuste Entspannung festgestellt werden, welche sich aus leicht verbesserten Konjunktur- und verbesserten finanziellen Daten zusammensetzt. Vor allem die verbesserten Kredit- und Refinanzierungsbedingungen für die Eurozonenstaaten sowie die Unternehmen sind hervorzuheben. Auch seitens der Kreditausfallversicherungen gab es explizit in Europa wieder ein positives Bild bei allen Staaten und in allen relevanten Industriesektoren, ausgenommen im Automobilsektor.

In Europa wird eine ansteigende Traktion der Konjunktur gesehen, wenn auch mit moderater Dynamik. Dennoch sind die Signale der EZB sehr ernst zu nehmen, dass eine Ausweitung des aktuellen Anleihenaufkaufprogramms im Dezember 2015, wahrscheinlich koordiniert mit der Zinserhöhung in den USA, stattfindet. Dies hat Mario Draghi auf der jüngsten Pressekonferenz bereits durchklingen lassen. Mit Blick auf die gegenwärtigen Inflationsentwicklungen und Inflations-erwartungen, ist das Timing (Dezember) durchaus angemessen für eine Ausweitung des Programms.

Bereits jetzt ist zu erkennen, dass allein die Aussage der EZB, weiterhin aktiv zu handeln, den systemischen Stresses ein Stückweit reduziert hat. Die EZB wird gerade im Hinblick auf die restriktivere Politik der Fed zum wichtigsten Gegenpart hinsichtlich der Ausweitung der globalen Geldmenge. Der Experte ist davon überzeugt, dass die EZB-Politik die Unsicherheiten über einen zu frühen Zinserhöhungskurs der US-Notenbank überkompensieren wird.

Zusammenfassung: Mit einem Punktestand des "Welt-Systemstressindex" in Höhe von - 33 bestehen aus der makoökonomischen Analyse als auch aus der Finanzmarktanalyse im Rahmen des Indikators solide Entwicklungsstrukturen, welche auf eine robustere globale Entwicklung des Wachstums hinweisen. Das vierte Quartal könnte damit die zuletzt eher reduzierten Erwartungen übertreffen. Seitens des wichtigen geldpolitischen Treibers kommen wir erstmals seit fast einem Jahrzehnt in eine Periode, die durch einen divergenten geldpolitischen Kurs geprägt wird.

Während die US-Notenbank eine erste Zinserhöhung wahrscheinlich im Dezember 2015 umsetzen möchte, deuten alle relevanten Daten daraufhin, dass die EZB, die Bank of Japan und die Bank of China bestrebt sind, die Geldpolitik im laufenden Quartal weiter zu lockern.

Nach den Einschätzungen war der Schritt der Bank of China, eine weitere Zinssenkung und damit auch die weitere Verringerungen der erforderlichen Mindestreservesätze der Banken in China umzusetzen, eine gelungene taktische Vorgehensweise. Allerdings können Überraschungen seitens der BOJ oder der EZB bereits auf ihren geldpolitischen Sitzungen im 4. Quartal nicht ausgeschlossen werden bzw. es wird sogar eine hohe Wahrscheinlichkeit gesehen, dass beide Notenbanken nachlegen werden. Beide machen den Eindruck, dass sie bereitstehen, ihre Programme der quantitativen Lockerung auszuweiten und/oder zu verlängern.

"Senkungen ihrer Einlagezinssätze weiter in den negativen Bereich bei der EZB und herunter auf Null bei der BOJ sind gut möglich", fasst Zschaber zusammen. Für ihn steht fest, dass die Maßnahmen der EZB, BOJ und BOC einen ausreichend stabilisierenden Kurs einschlagen werden, potenzielle negative Effekte durch die erste Zinserhöhung in den USA über zu kompensieren.

Funktionsweise Welt-Systemstressindex:

Da sich Finanz-, Währungs- und realwirtschaftliche Krisen typischerweise deutlich voneinander unterscheiden, muss für die Identifikation von systemischen Risiken eine Vielzahl an Variablen dynamisch herangezogen werden um eine Determination zu ermöglichen. Der "Welt-Systemstressindex" operationalisiert die Interdependenzen zwischen den Finanzmärkten und den makroökonomischen Entwicklungen auf Basis von Veränderungen bzw. der Veränderungsgeschwindigkeit. Bis zu 6.500 Variablen werden für die weltweite Bewertung berücksichtigt. Der Index bietet damit ein Gesamtbild über die Verfassung und Anfälligkeit der Weltkonjunktur, der Weltfinanzmärkte sowie deren wechselseitige Abhängigkeit.

Indexstände oberhalb eines Niveaus von 20 Punkten (maximaler Stress 100 Punkte) bedeuten ein Stressniveau, welches bereits hohe Belastungen für die Realwirtschaft und die Finanzmärkte suggeriert. Bewegt sich die Stresskurve dagegen unterhalb einem Indexstand von -20 Punkten (minimaler Stress -100 Punkte) bedeutet dies, dass eine Entspannung erfolgt, in der ein Umfeld für positive Entwicklungen und Normalverteilung vorherrscht. Die Niveaus zwischen +20 und -20 quantifizieren das neutrale Umfeld. In diesem Bereich ist Wachsamkeit gefordert, da hier, je nach Richtung (zunehmender oder abnehmender Stress), dynamische Anpassungen in der Weltkonjunktur und an den Finanzmärkten bereits auftreten können.

Die "Vermögensverwaltungsges. Dr. Markus C. Zschaber mbH" und das "Institut für Kapitalmarktanalyse (IFK) Köln" stellen den Index monatlich exklusiv der "Wirtschaftswoche" und dem Nachrichtensender "n-tv" zur Verfügung. Informationen zum Index finden Sie unter www.zschaber.de und www.kapitalmarktanalyse.com

Quelle: ntv.de

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