Wirtschaft

Droht eine Depotleiche? Gazprom – Crash und kein Ende

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Gazprom-Aktie verliert im Rubel-Trubel mehr als zehn Prozent. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht, auch wenn der weltgrößte Erdgasförderer von den Sanktionen nur indirekt betroffen ist. Findet die Aktie einen Boden?

Die Implosion der Gazprom-Aktie scheint kein Ende zu nehmen: Zwar tendiert das Papier auf Rubel-Basis seit einem Jahr etwa seitwärts. Wegen der Abwertung des Rubels, trotz der massiven Leitzinserhöhung von 10,5 auf 17 Prozent, ist die Aktie auf Euro-Basis aber auf das tiefste Niveau seit mehr als zehn Jahren abgestürzt. Nachdem Ende 2013 ein Dollar noch 33 Rubel gekostet hat, waren es an Dienstag zeitweise mehr als 70 Rubel. Gazprom bekommt den Rückgang der Gaspreise kräftig zu spüren. Zuletzt musste der Konzern zudem den Bau des South-Stream-Projekts, mit dessen Hilfe Russland über Bulgarien Gas in die Europäische Union transportieren wollte, wegen der Absage Bulgariens abblasen. Das Unternehmen hat daraufhin den Bau einer milliardenschweren Pipeline in die Türkei angekündigt. Die Türkei hat allerdings noch längst kein grünes Licht für die Pipeline gegeben. Denn das Land hat kein Interesse zwischen die Fronten der EU und Russlands zu geraten.

Und der Druck auf Gazprom steigt. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Konkurrenz durch erneuerbare Energien soll der Gasexport von Gazprom in die EU bis 2020 um rund 20 Prozent sinken, so eine Studie der Deutschen Bank. Um die Abhängigkeit von Europa zu verringern, hat Russland den Gas-Deal mit China um weitere knapp 400 Milliarden Dollar aufgestockt. All das erfordert aber massive Investitionen von Gazprom.

Hohe Zinslast

Noch kommt Russlands Gas- und Ölriese aber zurecht. Von den Sanktionen der EU und der USA ist Gazprom bislang wenig betroffen. Der Konzern hat daher Anfang November Anleihen im Volumen von 700 Millionen Dollar mit einer Laufzeit von einem Jahr platziert. Der Zinssatz von 4,3 Prozent war allerdings fast dreimal so hoch, wie die Konkurrenten damals im Schnitt bezahlen mussten. Inzwischen ist die Anleihe auf 96,5 Prozent gesunken. Stärker ist allerdings Gazprom Neft betroffen, die Ölsparte von Gazprom. Die Tochter kann nur noch Anleihen mit einer Laufzeit von maximal 30 Tagen in der EU und von 90 Tagen in den USA platzieren.

Sinkende Gewinne…

Etliche Analysten erwarten, dass mit dem Verfall der Gaspreise der Gewinn von Gazprom weiter sinkt und daher die Dividende gekürzt wird. Nachdem der Gewinn je Aktie 2011 noch bei 56,95 Rubel lag, waren es 2013 nur mehr 49,64 Rubel. In dem Zeitraum tendierte der Rubel gegenüber dem Dollar aber weitgehend seitwärts. Nachdem der Rubel in diesem Jahr aber im freien Fall ist, hat Gazprom sogar im zweiten Quartal Währungsgewinne von 124 Milliarden Rubel verbucht. Schließlich werden die meisten Gas- und Ölverkäufe in US-Dollar gehandelt. Laut einer Studie der UBS erzielt der Gasmulti lediglich 30 Prozent seiner Einnahmen auf Rubel-Basis. Hingegen sind 90 Prozent der Kosten auf Rubelbasis. Allerdings dürften mögliche weitere Währungsgewinne, die Umsatzrückgänge nicht annähernd wettmachen können.

… bedeuten niedriger Dividenden

Denn das Umfeld für Gazprom dürfte schwierig bleiben. Sollten die Ölpreise weiter fallen, dürfte sich der Druck auf die Gaspreise erhöhen. Die Analysten von JP Morgan prognostizieren, dass der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von Gazprom 2015 um 17 Prozent auf umgerechnet 41,5 Milliarden Dollar einbrechen wird. Die Dividendenzahlung hängt bei dem Konzern nicht von dem Gewinn ab, der nach dem international gültigen Bilanzierungsstandard IFRS, sondern nach dem russischen Bilanzierungsstandard RAS erwirtschaftet wird. Diesen bereinigt Gazprom um Sondereffekte, wie Währungseffekte, und schüttet lediglich einen Teil des Restbetrags als Dividende aus.

Die Analysten von JP Morgan haben ihre Erwartungen an die Dividende je Aktie auf nur mehr 5,4 Rubel gekürzt. Das wäre ein Rückgang um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr und entspricht einer Dividendenrendite von vier Prozent. Bei dem aktuellen Stand von 72,50 Rubel je Euro entspricht die Ausschüttung 0,074 Euro je Aktie. Je weiter der Rubel aber fällt, umso weniger Geld bekommen Euro-Anleger durch die Dividendenzahlung. Dennoch dürfte es etlichen Anlegern nach dem starken Kursrückgang in den Fingern jucken. Sie sollten jedoch nicht vergessen, dass Investoren bei einem weiteren Rückgang der Gaspreise befürchten, dass die Dividende möglicherweise noch stärker gekürzt werden könnte. Außerdem kann eine Dividendenrendite von vier Prozent bei den zuletzt heftigen Kursbewegungen schnell aufgezehrt werden. Auch die Bewertung ist verlockend, aber die Historie hat gezeigt, dass eine niedrige Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zwei oder drei auch lange Bestand haben kann.

Anleihenkurse sinken ebenfalls

Bei einer anhaltenden Abschwächung des Geschäfts werden Investoren verstärkt darauf achten, wieviel Anleihen auf Fremdwährungsbasis in den nächsten zwei Jahren bei Gazprom, inklusive der Tochter Gazprom Neft, fällig werden. Laut einer Studie der UBS beläuft sich der Wert auf 4 Milliarden Dollar für 2015 und auf 2,35 Milliarden Dollar für 2016. Laut der UBS wäre diese Größenordnung für Gazprom kein Problem. Der Kursrückschlag bei den Anleihen zeigt allerdings, dass sich viele Investoren inzwischen erhebliche Sorgen machen. Am allerwichtigsten wäre es daher, dass es irgendwann zu einer Erholung des Rubels kommt. Sollte der Kursverfall weitergehen, könnte die Gazprom-Aktie für hiesige Anleger eine Depotleiche bleiben.

Quelle: ntv.de

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