Wirtschaft

Aus rot wird röter Deutsche Bank redet die Zahlen schön

John Cryan: "Mr. Grumpy" muss zehn Prozent weniger Einnahmen vermelden.

John Cryan: "Mr. Grumpy" muss zehn Prozent weniger Einnahmen vermelden.

(Foto: REUTERS)

Die Deutsche Bank legt miserable Zahlen vor und taumelt weiter konzeptlos durch die Finanzwelt. Auch ihr analytischer Chef Cryan findet nicht die passenden Worte.

Das letzte Jahr ist auch an John Cryan nicht spurlos vorbeigegangen. Der Brite, der im Frühjahr 2015 Deutschlands mächtigstes Geldhaus nach einem beispiellosen Putsch der Aktionäre übernahm, sieht bei der jährlichen Medienkonferenz des Instituts müde aus. Der als "Mr. Grumpy" bekannt gewordene Manager geht zwar sonst auch nicht mit einem breiten Grinsen durch die Welt. Er meidet die Öffentlichkeit, agiert im Hintergrund und analysiert bei seinen wenigen Auftritten nüchtern die Zahlen. Doch nun wirkt er verzweifelt.

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Denn auf einmal ist alles anders. Cryan, der Zahlenmensch, der nüchterne Analytiker, der hart arbeitende Anti-Jain, der auch mal bis spät nachts allein im Büro sitzt – er muss den saftigen Jahresverlust von 1,4 Milliarden Euro erklären. Cryan muss rechtfertigen, wie die Einnahmen der Bank um 10 Prozent auf 30 Milliarden Euro sinken konnten. Doch er kann es nicht und betritt Neuland. Er setzt nicht auf seine gewohnt nüchterne Analyse. Heute setzt er auf Gefühle und Vertrauen: "2016 war ein Jahr der kleinen Schritte. Aber es waren viele kleine Schritte, die uns vorangebracht haben. Auch wenn Sie das noch nicht sehen können." Unverständlich, wie man angesichts einer Staatsrettung, die noch vor wenigen Wochen diskutiert wurde, jetzt auch nur zaghaften Optimismus versprühen kann.

Denn was die Bank komplett verschweigt: Sie hat keine Ahnung, wie sie wieder Geld verdienen soll. Die Zeiten, dass sie als Stütze der Deutschland AG Milliarden einfuhr, sind vorbei. War zuletzt der globale Wertpapierhandel immer noch ein wichtiger Punkt in der Bilanz, bricht auch diese Einnahmequelle nach der Vertrauenskrise im Herbst in sich zusammen. Während andere Banken seit dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump hier Milliarden scheffeln, schafft die Deutsche Bank gerade einmal einen Minigewinn von 16 Millionen Euro.

Einnahmen schmelzen

Und auch die Kosten-Ertrags-Relation enttäuscht: 98 Prozent CIR (Cost-Income-Ratio) meldet die Deutsche Bank. Sie muss also 98 Cent aufwenden, um einen Euro zu verdienen. Das ist viel zu viel. Längst vergessen die Zeiten, als das Institut hier unter der 70-Prozent-Schwelle lag. Konkurrent Barclays kommt aktuell auf solide 65 Prozent. Und selbst bei der Deutschen Bank lag sie Mitte des vergangenen Jahres noch in den 80ern.

Auch in der Vermögensverwaltung und dem Privatkundengeschäft muss die Deutsche Bank Rückschläge verarbeiten. Die Einnahmen schmelzen zusammen. Es fehlt einfach hinten und vorn an Strategie.

Dabei ist seit dem turbulenten Herbst einiges geschafft. Damals diskutierte man bei einem historisch abgestürzten Aktienkurs von unter 9,90 Euro noch über Schützenhilfe des Staates. Nun kreidet man an, dass der Bank die Vision für die Zukunft fehlt. Wenn es weiter keine Probleme gibt ...

Womit Geld verdienen?

Klar, die Bank ist seitdem aus dem Sumpf geklettert. Mit dem Milliardenvergleich im Streit um faule US-Hypothekenkredite und dem Teilerfolg im russischen Geldwäsche-Skandal hat Cryan peu à peu die beiden größten Rechtsrisiken aus der Welt geschafft. Auch die bereinigten Kosten hat der Chef um über eine Milliarde drücken können. Und bei der so wichtigen Kapitalquote, quasi dem Blutdruck der Branche, sendet die Bank mit 11,9 Prozent endlich wieder ein Lebenszeichen.

Doch es bleibt viel zu tun: Das unkalkulierbare Russland-Risiko hat die Rückstellungen beinahe aufgezehrt – und hier muss noch die US-amerikanische Justiz mit Geld ruhiggestellt werden. Zudem hatte Cryan versprochen, die Kosten der Bank bis 2018 unter 22 Milliarden Euro zu drücken – noch einmal knapp 3 Milliarden weniger als jetzt. Und auch die Erfolge bei der mühsam um 0,8 Prozentpunkte angehobenen harten Kernkapitalquote wirken nur wie ein Zwischenschritt. Zumal die EU bei den Geldhäusern ab kommendem Jahr wohl noch einmal die Daumenschreiben anzieht.

Womit soll die Bank wieder Geld verdienen? Cryan gibt keine Antwort. Wird in diesem Jahr endlich das stümperhafte Hin und Her um den Postbank-Verkauf beendet? Cryan gibt keine Antwort. Wie geht es in diesem Jahr mit Deutschlands mächtigstem Geldhaus weiter? Cryan gibt keine Antwort. Er hat heute einfach nur tiefe Augenringe.

Quelle: ntv.de

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