Wirtschaft

Phase der Pubertät Chinas Wirtschaft wird erwachsen

Jede Pubertät ist irgendwann beendet.

Jede Pubertät ist irgendwann beendet.

(Foto: REUTERS)

Die Zeiten fabelhafter Wachstumszahlen in China gehen zu Ende. Die Führung in Peking sucht nach einem neuen Wachstumsmodell. Das bekommt der Rest der Welt schmerzhaft zu spüren.

Die chinesische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent gewachsen. Das sieht auf den ersten Blick nach einer stolzen Zahl aus. Auf den zweiten Blick bedeutet die Zahl aber etwas anderes: Das ist das schwächste Wachstum seit 25 Jahren. Mit anderen Worten: Die Zeiten traumhafter Renditen geht dem Ende zu. Zumal den hohen offiziellen Raten seit geraumer Zeit ohnehin kaum noch jemand glaubt. Peking muss ein neues Wachstumsmodell für 1,3 Milliarden Menschen finden. Klingt sperrig. Im Grunde heißt das: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht vor gewaltigen Veränderungen.

Zahlreiche Finanzanalysten und Ökonomen drücken es so aus: China wird erwachsen. "Stellen Sie sich einen Teenager vor, der lange von den Eltern abhängig war und nun auf den eigenen Füßen stehen muss", sagt auch Mohamed El-Arian. Er war langjähriger Chef von Pimco, einem der größten Anleihe-Investoren der Welt. China sei abhängig davon, anderen Ländern Produkte zu verkaufen, sagte er dem US-Radio NPR. "Nun müssen sie mehr auf den Binnenkonsum setzen", so El-Arian.

Warum das so ist? Weil Chinas Wirtschaft zu groß geworden ist, um nur durch Exporte ausreichend hohes Wachstum und damit ausreichend Einkommen für die eigene Bevölkerung zu erzielen. Das ist ein normaler Prozess, den viele entwickelte Volkswirtschaften durchgemacht haben – auch die USA.

"Keine Volkswirtschaft hat es geschafft, drei Jahrzehnte lang zu wachsen und sich dann fundamental zu ändern, ohne dabei ins Straucheln zu geraten", sagte Richard Sylla, Professor an der New York University, dem Sender CNN. Die USA hätten in diesem Zusammenhang während der Börsenpanik im Jahre 1907 fast einen ähnlichen Aktiencrash wie nun China fabriziert. "Der Chef der Börse wollte den Handel stoppen. Er tat das nur deshalb nicht, weil [der einflussreiche Bankier] J.P. Morgan gegenüber auf der anderen Straßenseite war und ihm sagte, das sei eine fürchterliche Idee, die nur noch mehr Panik auslösen würde", so Sylla.

Dass China ein neues Wachstumsmodell braucht, weiß natürlich auch die Führung in Peking. Der Weg dahin gestaltet sich allerdings als ausgesprochen schwierig. "Sie haben eine ganze Reihe von wichtigen Strukturreformen vor – und wollen nun liefern, ohne dafür zu viel Wachstum zu opfern", sagte El-Arian. Und das sei außerordentlich kompliziert.

Was passiert, wenn ich diesen Knopf drücke?

Für den Weg, den China vor sich hat, gibt es keine Blaupause. China, das ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt unter der Führung einer kommunistischen Partei inmitten von Turbo-Kapitalismus.

Ein Resultat: Es werden Dinge ausprobiert, ohne zu wissen, wohin sie führen. Es ist im Grunde so, als ob sich der Pilot in einem Kampfflugzeug fragt, ob es vielleicht hilfreich wäre, diesen bisher unentdeckten Knopf zu drücken.

Was dann passieren kann, hat das Börsenbeben Anfang des Jahres eindrucksvoll demonstriert. Um heftige Marktschwankungen zu stoppen, setzte die chinesische Führung neue Regeln in Kraft – und kassierte sie dann schnell wieder.

Peking ist längst im Trial-And-Error-Modus. So setzte China im vergangenen Jahr eine halbe Milliarde Dollar seiner üppigen Devisenreserven dafür aus, um den Yuan zu stützen – und ließ ihn später deutlich abwerten. Immer wieder verschwinden einflussreiche Geschäftsleute und werden von Ermittlern verhört. Einige tauchen wieder auf andere nicht.

Und in den kommenden Monaten wird es wohl weiter viele unerfreuliche Nachrichten aus China geben. Die Unternehmen sind hoch verschuldet, enorme Risiken schlummern im Bankensektor. Die Konjunktur verliert an Fahrt, der Yuan dürfte weiter kräftig abwerten.

Doch es gibt Trost: Pubertät gehört zum Erwachsenwerden. Und sie ist irgendwann vorbei.

Quelle: ntv.de

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