Wirtschaft

Die neue große Baustelle China wird zum Problem für VW

Daheim strahlt die Welt für Volkswagen. Von zehn hierzulande neu zugelassenen Autos kamen im ersten Halbjahr vier aus dem VW-Konzern. Doch das stärkste Zugpferd China bereitet Sorgen. Und die Führungsquerelen bremsen zusätzlich.

Drei Monate nach dem Machtkampf in der Führungsspitze von Volkswagen hat sich der Pulverdampf verzogen, doch die Liste der Probleme wird immer länger. Der mittlerweile bereits weltgrößte Autobauer läßt sich am Mittwoch in die Bücher schauen. Dabei richten sich die Blicke auf eine neue Baustelle: China. Dort verkauft der Zwölf-Marken-Konzern mehr als ein Drittel aller Autos und fährt einen großen Teil seiner Gewinne ein. Zuletzt brachten die Wolfsburger in Fernost allerdings weniger Fahrzeuge an den Mann. "China ist zur Zeit eine Baustelle, wenn auch auf hohem Niveau", sagt Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. n-tv.de-Autoexperte Helmut Becker schränkt ein: VW investiere dort, ziehe weitere Fabriken hoch. Aber er gibt zu Bedenken: "Es ist momentan nicht absehbar, ob der chinesische Markt sie braucht."

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Weil das China-Geschäft bei VW nicht im Betriebsergebnis ausgewiesen wird, sondern nur als Beteiligungsergebnis im Vorsteuergewinn, rechnen Analysten mit Raum für positive Überraschungen: Der operative Gewinn dürfte im zweiten Quartal um 4,5 Prozent auf fast 3,5 Milliarden Euro gestiegen sein. Für das Ergebnis vor Steuern (EBT) und den Nettogewinn gehen die Experten dagegen von Rückgängen von knapp acht beziehungsweise sechs Prozent aus. Spekulationen, dass VW aus China gut eine Milliarde Euro weniger Gewinn erwartet, halten sich hartnäckig.

Wie hoch der Ergebnisanteil aus der Volksrepublik liegt, ist bei VW ein gut gehütetes Geheimnis. Autoexperte Pieper schätzt, dass 35 Prozent des Nettogewinns aus China stammen, 55 Prozent aus Europa. Arndt Ellinghorst von Evercore ISI geht davon aus, dass die chinesischen VW-Beteiligungen - die Wolfsburger betreiben Gemeinschaftsunternehmen mit den lokalen Partnern FAW und SAIC - im zweiten Quartal rund 1,2 Milliarden Euro abgeworfen haben, nach 1,15 Milliarden im Startquartal.

Fortschritte werden verdeckt

Im ersten Halbjahr rollten in China 1,3 Millionen Neuwagen der Marke VW auf die Straße - 6,7 Prozent weniger als im Halbjahr zuvor. Hier fehlen nach Neullinghorsts Ansicht etwa kleine Geländewagen in der VW-Produktpalette. Nach Jahren des sagenhaften Wachstums hat sich der Markt stark abgekühlt. VW-Rivale GM rechnet deshalb mit einem schärferen Preiskampf. Weltmarktführer Toyota will Insidern zufolge den Bau einer Fabrik für seine Luxusmarke Lexus vor Ort verschieben. VW dementierte am Wochenende Berichte über Produktionskürzungen in China.

Die Baustelle China rückt Fortschritte auf vielen anderen Problemfeldern in den Hintergrund. Pieper verweist auf die jüngsten "guten Erfolge" in Europa - daher stammten immerhin 70 bis 75 Prozent des operativen Gewinns. In den USA kam VW ebenfalls voran. Auch die Ergebnisbringer Audi und Porsche dürften sich nach Ansicht der Experten gut geschlagen haben. Fortschritte erwarten Fachleute bei der Hauptmarke VW, die für rund die Hälfte des Umsatzes steht. Die Kostensenkungen zahlten sich jetzt zunehmend aus, sagt Pieper. Dies dürfte der mauen Marge zugute kommen - erwartet werden knapp 2,5 Prozent.

Wer wird Oberaufseher?

Die Frage, wer VW in Zukunft als Vorstands- und Aufsichtsratschef führen soll, dürfte indes erst im Herbst wieder aufs Tapet kommen. Nach dem öffentlich ausgetragenen Machtkampf zwischen Firmenpatriarch Ferdinand Piech und seinem langjährigen Ziehsohn, Vorstandschef Martin Winterkorn, will der Aufsichtsrat bis Herbst die künftige Struktur des VW-Konzerns beraten und die Personalien festzurren. Kandidaten für die Nachfolge Winterkorns sind der neue VW-Markenverantwortliche Herbert Diess ebenso wie Lkw-Vorstand Andreas Renschler und die Chefs von Audi, Porsche und Skoda.

"So dicht kann gar kein Pulverdampf sein, dass er auf Dauer alle VW-Leichen hätte verdecken können", kommentiert Autoexperte Becker. "Piech hat gewusst, weshalb er Winterkorn nicht als Aufsichtsratschef behalten wollte." Es bleibt also auch künftig spannend in Wolfsburg.

Quelle: ntv.de, bad/fma/rts/dpa

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