Wirtschaft

Rohstoff-Experte Fritsch: Starke Hände in Asien greifen zu "Der Goldpreis sollte wieder steigen"

Schnäppchensucher in China: Die Nachfrage nach Gold ist dank der gesunkenen Preise im ersten Halbjahr um 54 Prozent auf 706 Tonnen gestiegen. Damit ist die Volksrepublik Indien als wichtigstes Abnehmerland dieses Jahr überholen.

Schnäppchensucher in China: Die Nachfrage nach Gold ist dank der gesunkenen Preise im ersten Halbjahr um 54 Prozent auf 706 Tonnen gestiegen. Damit ist die Volksrepublik Indien als wichtigstes Abnehmerland dieses Jahr überholen.

(Foto: REUTERS)

Seit dem Allzeithoch vor zwei Jahren hat Gold gut ein Drittel seines Werts verloren. Damals kostete eine Unze 1900 Dollar. Heute sind es gerade mal noch gut 1300 Dollar. War's das jetzt mit der Korrektur? Goldexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank meint ja. Diejenigen, die Gold gehalten haben, um an kurzfristigen Preisbewegungen zu partizipieren, hätten den Markt mittlerweile verlassen. Rückenwind bekommt der Goldpreis unter anderem vom Wechsel der Besitzer - Gold wandert derzeit von "schwachen Investorenhänden" im Westen in "starke Hände" im Osten.

Telebörse.de: Nach dem Preissturz im April und Juni kommt Ruhe auf. Der Goldpreis scheint wieder deutlich resistenter. Stimmt das und wie erklären Sie das?

Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank.

Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank.

Carsten Fritsch: Tatsächlich konnte Gold sich in den letzten Wochen deutlich erholen. Anfang der Woche kamen Daten aus China, die für das erste Halbjahr eine deutlich robustere Goldnachfrage belegen. Laut dem dortigen Produzentenverband wurden in China mehr als 700 Tonnen nachgefragt. Das ist gut 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und fast so viel wie im gesamten vergangenen Jahr zusammengenommen. Wenn man das mit den ETF-Abflüssen in Verbindung setzt, kann man die Behauptung aufstellen, dass Gold derzeit den Besitzer wechselt - von "schwachen Investorenhänden" im Westen in "starke Hände" im Osten. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass kurzfristig orientierte Finanzanleger, die auf einen nochmaligen Preisrückgang gesetzt haben, gezwungen waren, diese Wetten oder Positionen zu schließen. Dadurch ist der Goldpreis gestiegen.

Können sie die Bedeutung der ETFs für den Goldmarkt quantifizieren?

Gold, Feinunze
Gold, Feinunze 2.213,03

Bis Ende 2012 haben die Gold-ETFs per Saldo Zuflüsse verzeichnet. Das Rekordniveau aller Bestände der ETFs zusammengenommen lag Ende vergangenen Jahres bei mehr als 2600 Tonnen. Das ist fast so viel wie die weltweite Minenproduktion eines Jahres. Wenn man die ETFs als einen einzigen Goldhalter betrachtet, hatten Ende 2012 nur noch die US-Notenbank, die Bundesbank und der IWF als offizielle Einzelhalter mehr Gold in ihren Beständen, als die ETFs zusammengenommen.

Kann man aus der Stabilisierung des Goldpreises ableiten, dass der Druck vonseiten der ETFs nachlässt? Sind alle, die aus dem Markt rauswollten, jetzt draußen?

Wir gehen davon aus, dass der Großteil von den verkaufswilligen ETF-Haltern mittlerweile verkauft hat. Was aber nicht ausschließt, dass jetzt noch weitere Verkäufe erfolgen. Seit Jahresbeginn gab es Abflüsse von knapp 700 Tonnen. Alleine im zweiten Quartal waren es etwa 400 Tonnen. Spätestens Donnerstag werden wir wichtige Informationen bekommen, wer davon verkauft hat. Mittwoch läuft eine Deadline in den USA ab. Dann müssen Großanleger, die im weltgrößten Gold-ETF SPDR Gold Trust investiert haben, ihre bis zum Ende des letzten Quartals gehaltenen Bestände an die US-Börsenaufsicht melden. Dann lässt sich sagen, wer wie viel Gold im zweiten Quartal verkauft hat. Im ersten Quartal gingen etwa 75 Prozent der Abflüsse aus dem SPDR Gold Trust auf das Konto von Großanlegern wie Investmentgesellschaften und Hedgefonds. Wir rechnen damit, dass der Anteil im zweiten Quartal in etwa so stark sein wird. Das würde die These bestätigen, dass die "schwachen Hände", also diejenigen, die Gold gehalten haben, um an kurzfristigen Preisbewegungen zu partizipieren, den Markt mittlerweile weitgehend verlassen haben.

Böse Zungen behaupten, Goldman Sachs habe sich eine goldene Nase mit ihren Goldprognosen verdient. Welche Rolle spielen die Banken bei den Preisbewegungen?

Wir glauben nicht, dass die Banken den Goldmarkt, der unter den Rohstoffmärkten neben dem Ölmarkt der liquideste ist, so stark beeinflussen können, dass die Preise kräftig und dauerhaft auf ein bestimmtes Niveau verschoben werden. Wenn überhaupt, können sie die Preise nur kurzzeitig bewegen. Aufgrund von Arbitrage-Möglichkeiten zwischen verschiedenen Handelsplätzen ist es unwahrscheinlich, dass diese Preisbewegungen für längere Zeit Bestand haben. Wichtiger sind unseres Erachtens die ETF-Abflüsse.

Welche Rolle spielt Indien bei den Preisbewegungen auf dem Goldmarkt?

Die "starken Hände" im Osten.

Die "starken Hände" im Osten.

(Foto: REUTERS)

Neben den Abflüssen durch die ETFs waren die Nachrichten aus Indien   am wichtigsten. Indien war bis vergangenes Jahr der weltweit größte Gold-Nachfrager. In diesem Jahr wird Indien diese Position aller Voraussicht nach an China verlieren. Was nicht nur daran liegt, dass China im ersten Halbjahr so viel Gold nachgefragt hat, sondern daran, dass die Regierung und die Zentralbank in Indien alles versuchen, um die Goldnachfrage dort zu bremsen.

Warum?

Um das Außenhandelsdefizit, das rekordhoch ist und die Indische Rupie belastet, zu entlasten. Die Behörden machen vor allem die hohen Goldimporte für das hohe Defizit verantwortlich. Gerade im zweiten Quartal haben die Inder wegen des niedrigen Preises viel Gold gekauft. Als die Importe im Mai auf ein Rekordniveau stiegen, haben die Regierung und die Zentralbank Maßnahmen ergriffen: höhere Importsteuern und andere Restriktionen, um den Goldkauf möglichst unattraktiv zu machen und Importe einzudämmen. Die Auswirkungen werden wir im dritten Quartal sehen. Gerade kamen wieder Meldungen, wonach Indien die Importsteuer auf Goldimporte nochmals anheben wird. Das wird vorübergehend dazu beitragen, dass die Goldnachfrage stark nachlassen wird. Diese Lücke muss zusätzlich zu den ETF-Abflüssen geschlossen werden, damit der Goldpreis nicht unter Druck gerät.

Und diese Rolle übernimmt dann China?

Die Nachfrage aus China hat im ersten Halbjahr zumindest die hohen ETF-Abflüsse kompensiert. Sie kann aber nicht den globalen Nachfragerückgang kompensieren. Die Daten vom World Gold Council dürften in dieser Woche zeigen, dass diese im zweiten Quartal extrem niedrig gewesen sein wird.

Was ist im April und Juni passiert? Kann man sagen, dass eine "Goldblase" geplatzt ist?

Eine "Blase" ist dadurch gekennzeichnet, dass der Preis erst eine ganze  Weile steigt. Kaum einer bekommt es mit. Dann nimmt der Preisauftrieb von der Dynamik zu. Es bekommen immer mehr Leute mit. Und gegen Ende entsteht so was wie Hysterie. Jeder springt auf und der Preisanstieg wird extrem. Eine solche Preisentwicklung kann ich bei Gold nicht erkennen. Der Preis ist zwar über zehn Jahre kontinuierlich gestiegen, aber der Preisanstieg war verglichen mit anderen "Blasen" in der Vergangenheit moderat. Auch der Anstieg unmittelbar vor dem Rekordniveau 2011, war nicht viel stärker als in den Jahren vorher. Es gab keine wirkliche Übertreibung, die es bei einer Blase normalerweise gibt. Eine Blase ist auch dadurch gekennzeichnet, dass der Preis, nachdem das Rekordniveau erreicht wurde, stark fällt. Auch das war nicht der Fall. Der Preis ist eineinhalb Jahre recht stabil geblieben. Erst diesen April kam es zu dem extremen Preisrückgang.

Wo steht der Goldpreis in den nächsten Monaten?

Der Goldpreis wird auf Sicht von drei bis sechs Monaten nicht wieder das Niveau von Anfang des Jahres erreichen. Im ersten Halbjahr ist zu viel Porzellan zerschlagen worden und  Vertrauen verloren gegangen. Es gibt auch nach wie vor ETF-Abflüsse, auch wenn die nicht mehr ganz so dynamisch sind. Die Debatte, ob die US-Notenbank demnächst aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigt, dürfte auch noch belasten. Im Juni haben wir gesehen, dass die Anleiherenditen bei gleichzeitig fallenden Inflationsraten deshalb deutlich gestiegen sind.  Das hat zu einem deutlichen Anstieg der Realzinsen geführt. Steigende Realzinsen sind per definition schlecht für den Goldpreis. Dieses Szenario dürfte zumindest in den nächsten Monaten vorherrschend sein und einem Preisanstieg bei Gold entgegenstehen.

Wird es danach weiter aufwärts gehen?

Damit rechnen wir erst ab Winter oder mit Beginn nächsten Jahres, wenn der Gegenwind seitens der Zinsen nachlässt. Dann sollte auch klar sein, was die US-Notenbank vorhat. Die ersten Schritte zur Rückführung der Anleihekäufe dürften dann schon erfolgt sein. In der Vergangenheit war es so, dass der Gegenwind nachlässt, sobald dieser Prozess eingesetzt hat und Klarheit herrscht.

Ist die europäische Schuldenkrise kein Thema mehr?

Das Risiko, dass diese wieder hochkocht, ist nach wie vor da, gerade nach den Bundestagswahlen. Die Debatte um Griechenland spricht dafür, dass neue Störfeuer aufkommen werden. In den vergangenen Monaten war es aber so, dass das Versprechen der EZB, im Fall der Fälle Gewehr bei Fuß zu stehen und Staatsanleihen von Krisenländern bei Bedarf unbegrenzt zu kaufen, eine massive Verschärfung der Krise, so wie wir es im Sommer 2012 gesehen haben, verhindert hat. Deswegen glaube ich nicht, dass es wieder ein ganz großes Thema für die Märkte wird. Es sei denn, ein ganz großes Land wie Italien oder Frankreich wird mit hineingezogen.

Was halten Sie von Internetwährungen als Alternative zu den konventionellen Währungen. Sind Papierwährungen ein Auslaufmodell?

Ich bin kein Experte auf dem Gebiet. Aber man kann an dieser Entwicklung sehen, dass das Vertrauen in die Papierwährungen aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken weltweit sowie des drohenden Abwertungswettlaufs der großen Währungen gelitten hat. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Menschen sich umsehen, um ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen. Da kann Bitcoin eine Möglichkeit sein. Aber unseres Erachtens ist Gold, das eine Historie von mehreren Tausend Jahren als Währung hat und de facto auch nie verloren hat, unschlagbar. Wir sehen Gold nicht nur als "safe haven"-Investment, sondern auch als alternative Währung. Diese Bedeutung wird in den kommenden Jahren noch zunehmen.

Mit Carsten Fritsch sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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