Wirtschaft

Fünf Wahrheiten über den Euro, Teil 4 Ein Austritt schafft neue Risiken

Griechenland bekommt seine Schulden nicht in den Griff. Inzwischen wird offen von einer Insolvenz und einem Austritt des Landes aus der Eurozone gesprochen. Wäre ein solcher Schritt für Griechenland und die Eurozone nicht die bessere Lösung?

(Foto: REUTERS)

Die Schuldenkrise Griechenlands erschüttert die Eurozone. Der Ruf nach einem Austritt des Landes wird immer lauter. Dieser Schritt sei besser, als mit immer neuen Milliardengarantien die unvermeidliche Pleite hinauszuzögern. Doch ist das wirklich eine gangbare Alternative?

Im Prinzip kann Griechenland die Eurozone tatsächlich verlassen, doch diese radikale Entscheidung birgt hohe Risiken.

Bei einem Austritt aus der Eurozone wäre Griechenland wahrscheinlich schnell insolvent, denn Gelder aus dem Rettungsschirm würden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr fließen. Athen kann dann seinen finanziellen Verpflichtungen – zumindest teilweise – nicht mehr nachkommen. Das könnte beispielsweise die Bezahlung von Beamten, die Auszahlung von Pensionen oder Sozialleistungen betreffen und die ohnehin angespannte soziale Lage noch verschärfen.

Probleme bleiben

Kann Griechenland seine Schulden nicht mehr begleichen, ist das zwar zunächst nicht das Problem Athens, sondern der Gläubiger. Da Griechenland in naher Zukunft aber wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren will, muss es mit seinen Gläubigern ein Moratorium aushandeln.

In der Regel bleibt den Gläubigern hierbei nichts anderes übrig, als auf einen Teil des Geldes zu verzichten. Griechenland bekäme dann zwar eine Chance, sich zu restrukturieren. Allerdings würde es nach einer Insolvenz höhere Zinsen am Anleihemarkt zahlen als Länder mit vergleichbarer Wirtschaft. Dazu kommt, dass die Schuldenlast trotz Moratorium wieder stark steigen würde, sobald Griechenland zur Drachme zurückkehrt. Denn die Schulden müssten dann mit einer schwächeren Währung zurückgezahlt werden.

"Selbst ein starker Schuldenschnitt würde die Probleme nicht lösen, da das Land über Jahre hinweg vom Kapitalmarkt abgeschnitten wäre", gibt Lothar Hessler vom Bankhaus HSBC Trinkaus zu bedenken. Hinzu komme, dass das Land seine Staatsausgaben mangels Kreditwürdigkeit nur aus seinen Einnahmen finanzieren müsse. Die Folge wäre ein vermutlich noch viel stärkerer Abschwung als bisher.

Für die Griechen könnte ein Staatsbankrott dennoch die beste Option sein, sagt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Barclays Capital. "Die Schuld wird vermindert, damit sinkt die Zinsbelastung im Haushalt und die Tilgungsverpflichtungen nehmen ab." Die finale Lösung für die Schuldenkrise sei das aber nicht, denn die Griechen müssten ihre laufenden Ausgaben trotzdem ihren Einnahmen anpassen. "Sonst häufen sie weiter Schulden an". Der Teufelskreis wäre nicht durchbrochen.

Die Schwäche einer neuen Währung hätte aber einen großen Vorteil: Griechische Produkte wären auf dem Weltmarkt einfacher zu verkaufen, was der schwachen Wirtschaft des Landes zugute käme. Doch ein Allheilmittel für Griechenlands niederliegende Konjunktur ist das nicht zwangsläufig. Denn wie stark eine Abwertung der Landeswährung den Exporten helfen würde, ist unklar. Damit bleibt ungewiss, wie stark ein währungsgetriebenes Wachstum ausfallen würde. Zumal eine Abwertung den Inflationsdruck verschärfen würde.

Banken im Fokus

Bei allen Vorteilen einer schwachen Währung als Konjunkturmotor: Die heimischen Banken stehen in dem beschriebenen Szenario vor dem Zusammenbruch. Bürger und Firmen bekämen dann nur noch schwer Kredite mehr - es droht damit eine Blockade der griechischen Wirtschaft.

Die Griechen würden vor einer Einführung der Drachme vermutlich die Banken stürmen, um ihr Erspartes in Euro abzuheben, bevor es drastisch an Wert verliert. Die Regierung in Athen kann die Drachme schließlich nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einführen. Ein solch radikaler Schritt verlangt sorgfältige Planung – und in einer Demokratie eine öffentliche Diskussion.

Bei der Rückkehr zur Drachme kommt noch ein weiteres Problem auf die Banken zu. Um zu verhindern, dass zahlreiche Firmen und Privatpersonen pleitegehen (denn auch sie müssen ihre in Euro aufgenommenen Schulden in weicheren Drachmen begleichen), bleibt der Regierung nur eine Wahl: Sie müsste die Schulden per Gesetz in die neue Währung umschreiben. Das ist für Schuldner sicherlich gut, bringt Gläubiger – das sind vor allem Banken - aber in große Schwierigkeiten.

Angst vor dem Domino-Effekt

Bei dem Blick auf Griechenland darf man zudem nicht vergessen, dass ein Austritt aus der Eurozone und der damit wahrscheinlich verbundene Schuldenschnitt auch für andere Länder Konsequenzen haben wird. Wie stark der Rest der Eurozone in Mitleidenschaft gezogen wird, ist ungewiss. Doch der Blick auf die Banken und den Anleihemarkt verheißt nichts Gutes.

Europäische Banken müssten ganz oder zumindest teilweise auf ihr Geld verzichten, dass sie Griechenland geliehen haben und ihre Forderungen entsprechend abschreiben. Das würde ihr Eigenkapital belasten. "Von den Banken-Stresstests wissen wir, die meisten griechischen Anleihen stehen noch zu vollen Preisen in den Büchern", sagt Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg Bank in London. Auch wenn deutsche und französische Banken einen Teil mittlerweile abgeschrieben haben: "Eine Hellas-Pleite wäre vermutlich ein großer Schlag für die europäischen Banken. Die Pleite hätte große Konsequenzen an den Märkten."

Was das bedeuten könnte, zeigt sich derzeit an der Börse: Bank-Aktien gehen auf Talfahrt, die Ratingagentur Moodys' stuft die Kreditwürdigkeit von Banken ab. Anderseits: So stark die Konsequenzen auch sein mögen, eine Pleite wäre für Europas Banken und Versicherungen insgesamt möglicherweise verkraftbar. Doch wie nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers könnte allein die Furcht vor Pleiten den Finanzmarkt einfrieren lassen. Das bedeutet, dass Unternehmen und Privatleute schwerer an Geld kommen – sie müssten Investitionen und Käufe aufschieben. Eine europäische Wirtschaftskrise könnte die Folge sein.

Ein weiteres Risiko: Ein Austritt Griechenlands könnte zu einem Flächenbrand in der Eurozone führen. "Es geht um die prinzipielle Frage, bleibt die Eurozone erhalten wie sie ist? Oder haben wir eine Art Dominoeffekt? Jetzt Griechenland, vielleicht können als nächstes Portugal, Spanien oder Italien ihre Schulden nicht zurückzahlen. Dann beginnt die Diskussion jedes Mal von neuem, der Effekt ist jedes Mal größer", sagt Ökonom Schulz.

Verlässt Griechenland die Eurozone, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass andere Euro-Länder in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Denn letztlich kann sich kein Investor mehr darauf verlassen, dass nicht auch andere Länder – möglicherweise in Verbindung mit einem Schuldenschnitt – aus dem Euro-Raum ausscheren. Die Zinsen für Staatsanleihen würden wohl deutlich steigen – das könnte die Länder an den Rand der Zahlungsunfähigkeit führen. Bereits jetzt liegen die Zinsen für Italien und Spanien auf einem Niveau, das langfristig zu hoch ist – obwohl die EZB durch Anleihekäufe die Zinsen drückt. Damit würde die Eurozone vor einem noch größeren Problem stehen als bisher. Denn bei Italien und Spanien handelt um die drittgrößte und um die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Nach einem Austritt Griechenlands müssten auch die Einwohner anderer Euro-Staaten damit rechnen, dass ihr Land die Währungsunion verlässt. Das bedeutet, dass sie ihr Erspartes abziehen und in anderen Ländern der Euro-Zone anlegen würden. Die Konsequenz wäre die "Mutter aller Bankruns", betont der US-Ökonom Barry Eichengreen.

Hohes Risiko

Können die Euro-Länder die Gefahren eindämmen? Vielleicht. Im Juli wurde auf dem Euro-Gipfel eine milliardenschwere Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF beschlossen. Der Fonds soll Gelder zur Unterstützung wankender Banken vergeben können. Auch vorsorgliche Kreditlinien für Länder in Schwierigkeiten sind möglich. Die Beschlüsse sind aber noch nicht von den nationalen Parlamenten abgesegnet.

Bis dahin bleibt eine Pleite Griechenland vor allem wegen der Ansteckungsgefahr höchst riskant. Außerdem ist zweifelhaft, ob die neuen Instrumente ausreichen, um große Volkswirtschaften wie Spanien oder Italien zu retten. Ökonomen der Commerzbank kommen vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass die mit einer Pleite Griechenlands verbundenen Risiken kaum beherrschbar seien.

Die Frage ist also, ob es deshalb nicht klüger wäre, Griechenland weiterhin vor einer Pleite zu bewahren und dem Land und der Eurozone damit zu ermöglichen, die immensen Probleme zu lösen.

Quelle: ntv.de

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