Wirtschaft

Konjunktur wackelt noch USA feiern zu früh

Der Jubel kommt vielleicht zu früh.

Der Jubel kommt vielleicht zu früh.

(Foto: REUTERS)

Die USA scheinen die Krise hinter sich zu lassen: Die Kurse an der Wall Street ziehen an, die Verbraucher geben fleißig Geld aus und auch die Super-Bowl-Tickets waren so teuer wie lange nicht mehr. Doch für Euphorie ist es deutlich zu früh.

Um ihrer Konjunktur auf den Puls zu fühlen, greifen US-Amerikaner nicht nur zu harten Fakten, wie dem Bruttoinlandsprodukt und den Arbeitslosenzahlen, sondern gerne noch auf weiche Stimmungsindikatoren, wie den Absatzzahlen von Lippenstiften oder die Rocklänge der Damen zurück.

Derzeit dürfte die Diagnose besonders viel Freude machen, denn nahezu alle Parameter sprechen für eine fortschreitende Gesundung der US-Wirtschaft. So zogen die Ticket-Preise für das größte Sportereignis der USA, das Finale der National Football League, vulgo Super Bowl, ordentlich an: Der Durchschnittspreis für ein Ticket für das Anfang Februar stattgefundene Finale zwischen den Green Bay Packers und Pittsburgh Steelers lag bei 900 US-Dollar, das sind 12,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Auf dem Schwarzmarkt gab es keine Eintrittskarte für weniger als 2000 US-Dollar, das sind gut 54 Prozent mehr als im Vorjahr.

Der dramatische Anstieg der Preise zeigt mehr als deutlich, dass das Portemonnaie bei der wichtigsten Konjunkturstütze der USA, dem Verbraucher, wieder lockerer sitzt als in den Jahren zuvor. In der Tat betätigten sich die Konsumenten bereits im Schlussquartal 2010 als Konjunkturtreiber, die Verbraucherausgaben stiegen um 4,4 Prozent, so stark wie seit rund fünf Jahren nicht mehr.

Falscher Glanz auf starken Zahlen

Voller Inbrunst den Auftritt in Sand gesetzt: Christina Aguilera.

Voller Inbrunst den Auftritt in Sand gesetzt: Christina Aguilera.

(Foto: dpa)

Doch diese Zahlen sind trügerisch, denn den überwiegenden Teil ihrer Ausgaben finanzierten die US-Verbraucher – wieder einmal – auf Pump: Die Verbraucherverschuldung kletterte im Januar um 6,1 Mrd. Dollar auf 2,41 Billionen Dollar, alleine 800 Mrd. Dollar davon liegen auf Kreditkarten. Mittlerweile zückten die Verbraucher ihre Kreditkarten auch für Ausgaben, die man früher in bar abwickelte, berichtet n-tv-Börsenkorrespondent Lars Halter aus New York. Selbst Steuern ließen sich in den USA nun per Kreditkarte zahlen. Der Glanz der Verbraucherzahlen ist damit ungefähr so falsch wie der vom Auftritt von Popstar Christina Aguilera, die bei Super Bowl die US-amerikanische Nationalhymne zwar stimmlich überzeugend rüberbrachte, aber leider, leider den Text gleich zweimal verpatzte.

Das US-Bruttoinlandsprodukt versucht derweil mit einem kräftigen Plus von 2,9 Prozent im Gesamtjahr 2010 und damit dem stärksten Wachstum seit 2005 zu beeindrucken, Analysten geben allerdings zu bedenken, dass das Ausgangsniveau auch nicht besonders hoch war. Die Skepsis über die Nachhaltigkeit des Aufschwungs bleibt, vereinzelte pessimistische Stimmen sehen für 2012 sogar eine erneute Rezession aufziehen.

Auch die US-Notenbank Fed reagiert noch sehr verhalten auf den Jubel zum Wirtschaftswachstum. Besonders die für US-amerikanische Verhältnisse mit 9,4 Prozent recht hohe Arbeitslosenquote bereitet der Fed Kopfzerbrechen. Das Tempo sei einfach nicht hoch genug, um eine deutliche Besserung am Arbeitsmarkt bewirken zu können, warnen die Wirtschaftshüter. Zudem liegt die hohe Verschuldung Fed-Chef Ben Bernanke quer. Deutlich wie nie zuvor warnte Bernanke jüngst die USA vor einer Finanzkatastrophe. Sollte die Politik das riesige Haushaltsdefizit und die Staatsschuld nicht auf Dauer in den Griff bekommen, könnte eine Situation eintreten, in der die Investoren den USA kein Geld mehr leihen würden – sprich: die USA müssten den Staatsbankrott erklären.

Wall Street feiert trotzdem

Bei den Oscars bitte etwas mehr Lametta - der Konjunktur zuliebe.

Bei den Oscars bitte etwas mehr Lametta - der Konjunktur zuliebe.

(Foto: REUTERS)

Die US-Börsen lassen sich von den Unkenrufen jedoch nicht beirren und steigen weiter kräftig an, der Dow Jones Index lässt die Marke von 12.000 Punkten Stück für Stück hinter sich. Der Markt sieht in Sachen Konjunktur ein halbvolles Glas und freut sich zudem über die guten Quartalsergebnisse. Laut Thomson Reuters haben mehr als 70 Prozent der S&P 500-Konzerne, die Ergebnisse veröffentlicht haben, die Erwartungen übertroffen. Gleichzeitig lassen die Ängste um die EU-Schuldenkrise und die angespannte Lage in Ägypten nach.

Auch die Niedrigzinspolitik der Fed sowie die Aussicht auf weitere Anleihenkäufe durch die Währungshüter wird am Markt goutiert. Die US-Notenbank hatte Anfang November beschlossen, bis Mitte 2011 Staatsanleihen im Volumen von rund 600 Mrd. Dollar aufzukaufen. Kritiker wie der Gründer des weltgrößten Anleihen-Investor Pimco, Bill Gross, kritisieren allerdings, dass die Fed die hohe Schuldenlast einfach "weginflationieren" will. Doch solange die Fed keine wirklichen Fortschritte in der Entwicklung der US-Wirtschaft sieht, wird sie sich wohl von Kritikern nicht vom Anleihenkauf abhalten lassen.

Die USA erleben derzeit also eine Erholung mit jeder Menge Fragezeichen. Doch wie können sie denn nun rausfinden, wie es wirklich um die US-Wirtschaft steht? Einen wertvollen Hinweis könnte vielleicht die Oscar-Verleihung Ende Februar geben, beziehungsweise die Roben, in denen die Schauspielerinnen den roten Teppich entlangschreiten werden. Denn hier gilt die Formel: Je teurer die Kleider und der Schmuck, desto besser geht es der Konjunktur. Beim kleinen Bruder der Academy-Award-Verleihung, den Golden Globes, gönnten sich die Damen zwar lange Kleider aus teuren Stoffen, blieben aber, bis auf wenige Ausnahmen, weitgehend schmuck- und schnörkellos. Sollten sie sich in der Oscar-Nacht mehr umhängen, steht dann vielleicht auch die US-Erholung auf festeren Füßen.

Quelle: ntv.de

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