Wirtschaft

Wie Europa Athen helfen will Die Rettung der Griechen

(Foto: dpa)

Die Euro-Retter zwingen Griechenland in ein knapp sitzendes Korsett aus Spar- und Reformvorgaben. Das zweite Hilfspaket soll Griechenland finanziell wieder auf eigene Füße stellen. Kann das gelingen? Und: Hilft das den Griechen?

Europa bekämpft die Staatsschulden: Die Schmerzen spürt der "kleine Mann".

Europa bekämpft die Staatsschulden: Die Schmerzen spürt der "kleine Mann".

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Es war eine Vereinbarung, die die Welt aufatmen ließ: Nach zähen Verhandlungen verständigte sich die Eurozone im Februar auf ein neues Hilfspaket für Griechenland. Es ist bereits das zweite seiner Art, und es ist verknüpft mit strikten Bedingungen. Wenn alles gut geht, darf die Athener Regierung gerade noch rechtzeitig mit neuen Hilfen in Höhe von bis zu 130 Mrd. Euro rechnen. Vor dem großen März-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der an diesem Donnerstag in Brüssel beginnt, müssen die Finanzminister der Eurozone darüber befinden, ob die griechische Politik alle Voraussetzung zur Hilfe erfüllt. Nicht nur in Deutschland bestehen Zweifel, .

Das erste Hilfspaket liegt noch nicht einmal zwei Jahre zurück: Im April 2010 drehte sich alles um "bilaterale Darlehen" im Umfang von 110 Mrd. Euro. Den Großteil davon, nämlich 80 Mrd. Euro, stellten die Euro-Staaten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) steuerte 30 Mrd. Euro bei. Die Hilfe wurde nicht komplett, sondern in einzelnen Tranchen ausgegeben - jeweils verbunden mit Reformzusagen und dem Versprechen Athens, jetzt eisern zu sparen und harte Spareinschnitte durchzusetzen.

Bei den genannten Summen handelte sich nicht etwa um üppige Geldgeschenke, sondern um einen Kreditrahmen, auf den Athen innerhalb dreier Jahre zugreifen kann. Die Maßnahme sollte das Land zahlungsfähig halten und vor allem auch die Eurozone vor neuen Turbulenzen bewahren. Der deutsche Anteil am ersten Hilfspaket beträgt rund 22,4 Mrd. Euro. Im besten Fall kommt das Geld moderat verzinst zurück. Schlimmstenfalls geht die Summe mit Griechenland verloren. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa", appellierte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer eigens angesetzten Regierungserklärung an das Gewissen der Parlamentarier im Bundestag. Das war im Mai 2010.

Wie konnte es soweit kommen?

Seit Merkels Regierungserklärung ist viel passiert: Sparprogramm folgte auf Sparprogramm. Griechenland erlebte Wellen an Streiks und gewalttätigen Ausschreitungen, Wolken von Tränengas zogen durch Athen. Im griechischen Staatshaushalt taten sich neue Lücken auf. Im Sommer 2011 brachte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schließlich ein zweites Hilfspaket und eine "sanfte Umschuldung" ins Gespräch. Im Herbst trat Ministerpräsident Giorgos Papandreou zurück, der überparteiliche Kandidat Lucas Papademos rückte nach. Die griechische Wirtschaft verlor weiter an Schwung.

Keine zwei Jahre nach Hilfspaket Nr. 1 schnürt Europa "Griechenland II". Erneut geht es um dreistellige Milliardenbeträge. Diesmal handelt es sich um eine Summe von 130 Mrd. Euro - 20 Mrd. mehr als knapp 22 Monaten zuvor. . Diesmal dienen die Kredite nicht mehr nur einer ersten Stabilisierung. Das gewährte Geld soll vielmehr dazu beitragen, den Schuldenberg Griechenlands abzubauen. In den kommenden acht Jahren soll die Quote auf ein gerade noch erträgliches Maß sinken. Konkret geht es um die der jährlichen Wirtschaftskraft.

Der ganze Aufwand dient nur einem Zweck: Die Staaten der europäischen Währungsgemeinschaft wollen das Euro-Mitglied Griechenland so schnell wie möglich wieder in die Lage versetzen, sich aus eigener Kraft am Kapitalmarkt zu finanzieren. Wenn das gelingt, dürfte schnell auch der Druck auf weitere Euro-Staaten wie zum Beispiel Portugal, Spanien oder Italien nachlassen. Parallel zur Griechenland-Rettung sollen alle Euro-Staaten ihre Schuldenlasten verringern und ihre . Dann könnte alles wieder in langfristig stabilen Bahnen laufen.

Den üblichen Weg an den Kapitalmarkt hat sich Griechenland verbaut: Die Schulden sind dem Euro-Mitglied im Zuge der großen Finanzkrise über den Kopf gewachsen. Plötzlich musste Athen auch noch einen durch den Lehman-Crash geschwächten Bankensektor stützen. Das Vertrauen der Geldgeber hat das Land durch eine jahrzehntelange Schuldenpolitik und andere Nachlässigkeiten weitgehend verspielt. Die Schuldenquote liegt bei mehr als 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft des Landes, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Woher kommt der Zeitdruck?

Dringlich wird das Problem, weil schon bald größere Brocken im griechischen Schuldengebäude umgeschichtet werden müssen. Wenn Staatsanleihen ans Ende ihrer Laufzeit kommen, wollen die Investoren Geld sehen. Im Normalfall kommt der Nachschub entweder aus dem Steuertopf – der wichtigsten staatlichen Einnahmequelle – oder aus neu aufgenommenen Schuldscheinen. Am 20. März schlägt für Griechenland die Stunde der Wahrheit. Dann muss Athen Altschulden in Höhe von 14,5 Mrd. Euro zurückzahlen.

Die Umschuldung durch neue Anleihen zählt für viele Staaten eigentlich zur gut eingespielten Praxis: . Fällige Schuldscheine werden dabei schlicht durch neue Staatsanleihen ersetzt. Das geht so lange gut, bis der Kapitalmarkt nicht mehr mitspielt. Bisher galten Staatsanleihen als weitgehend sichere Bank. Im Fall Griechenlands hat sich das in den vergangenen Monaten in einem Strudel aus Ratingnoten, Eingeständnissen und Troika-Urteilen komplett geändert. Um seine Altschulden zu bedienen, ist das Land mittlerweile auf Unterstützung von außen angewiesen.

Wohin soll das führen?

Auf ihrem Februar-Gipfel haben sich die Euro-Staaten nun auf ein neues Unterstützungsprogramm für Griechenland geeinigt. In der Erklärung der Eurogruppe zum Hilfspaket Nr. 2 heißt es wörtlich: "Das neue Programm liefert einen umfassenden Plan zur Rückführung der öffentlichen Finanzen und der Wirtschaft Griechenlands auf ein tragfähiges Niveau und damit zur Sicherstellung der Finanzstabilität in Griechenland und in der gesamten Eurozone."

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die "Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit" Griechenlands. Die Euro-Helfer wollen die Griechen demnach möglichst rasch in die Lage versetzen, sich wieder mit erhobenem Haupt an die Kapitalmärkte wenden zu können, um den griechischen Staatshaushalt aus eigener Kraft mit frischen Mitteln zu versorgen. Dazu soll der Schuldenstand des Landes bis zum Jahr 2020 auf ein Niveau von annähernd 120 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Das ist nicht einfach: Fast jede Einsparung ist mit sozialen Härten verbunden und nagt Wirtschaftskraft. Mit dem Rotstift alleine ist das Ziel ohnehin nicht zu erreichen. Ein Teil der Verbindlichkeiten wird deshalb im Rahmen des ausgehandelten Schuldenschnitts erlassen. Die Gläubiger sollen auf einen Teil ihres Geldes verzichten.

Für eine gesunde Haushaltspolitik wären allerdings selbst die angepeilten 120,5 Prozent noch immer viel zu viel. Immerhin ist es jedoch nicht unmöglich, sich am Kapitalmarkt auf einem solchen Niveau ohne fremde Hilfe Geld zu besorgen. Voraussetzung dafür wäre aber eine einigermaßen funktionierende Wirtschaft. Das ist deshalb an strikte Vorgaben geknüpft: Griechenland soll die "fest zugesagten und noch aus dem ersten Hilfspaket resultierenden Reformmaßnahmen", wie es in Berliner Regierungskreisen heißt, bis zum Euro-Gipfel Anfang März umsetzen. Ausdrücklich genannt werden die Sozialgesetzgebung, der Arbeitsmarkt und die Steuerverwaltung. "Nur durch diese und weitere Strukturreformen wird es der griechischen Volkswirtschaft gelingen, die dringend benötigten Impulse für ein nachhaltiges und gesundes Wirtschaftswachstum zu generieren."

Im großen Plan zur Griechenlandrettung markiert die 120-Prozent-Grenze im Jahr 2020 ohnehin nur eine Zwischenetappe. Auf lange Sicht muss es Griechenland schaffen, die Staatsverschuldung auf das nach dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt maximal zulässige Maß von 60 Prozent des BIP zu senken. Und selbst dann wäre nur die eine Hälfte des Problems gelöst: Um das Land dauerhaft auf gesunde Füße zu stellen, braucht Athen ein politisches und ökonomisches Zukunftskonzept. Das ist die andere, bislang vernachlässigte Seite der Griechenlandkrise.

Von oben kann ein solches Zukunftskonzept nicht kommen, und . Die Griechen selbst müssen wohl oder übel ein neues Selbstverständnis entwickeln - und eine klare Vorstellung davon, aus welchen Quellen .

Quelle: ntv.de, mmo

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