Wirtschaft

"Ein Abgang mit lautem Knall" Zieht Piëch einen Schlussstrich unter VW?

VW-Patriarch Ferdinand Piëch könnte sich zurückziehen.

VW-Patriarch Ferdinand Piëch könnte sich zurückziehen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es wäre das Ende einer Ära: Jahrelang prägte Ferdinand Piëch die Geschicke von Volkswagen. Doch die Beziehung ist schon seit längerem gestört. Nun könnte er seine Beteiligung verkaufen - sie hat einen Milliardenwert.

Seine Nachfolger bei Volkswagen wollen nichts mehr mit dem einst Übermächtigen zu tun haben. Nun könnte Ferdinand Piëch die Konsequenzen ziehen - mit einem Ausstieg aus der einflussreichen Beteiligungsgesellschaft Porsche SE und damit aus VW.

Europas größter Autobauer ohne Piëch - das war lange völlig unvorstellbar. Nun aber deutet sich der vollständige Bruch mit seinem Lebenswerk an. Der 79-Jährige verhandelt über den Verkauf seiner Anteile an der Porsche SE, über die er bisher auch an VW beteiligt ist. Piëch geht auf Distanz zu Volkswagen.

Damit beginnt das Endspiel um die Macht in Wolfsburg und Stuttgart. "Der Rosenkrieg in den Eigentümerfamilien scheint in die Endphase zu gehen", sagt der Autoexperte Stefan Bratzel. "Das war in den vergangenen Jahren ein Abschied auf Raten - am Schluss ein Abgang mit lautem Knall", ergänzt sein Kollege Willi Diez.

Lange Zeit war der Enkel des legendären Konstrukteurs Ferdinand Porsche das Machtzentrum bei VW. Piëch war Audi-Chef, VW-Chef, dann Aufsichtsratsvorsitzender. Er baute das Volkswagen-Imperium aus zum heutigen Mehrmarken-Konzern. Ohne den "Alten" ging nichts, von seinem Wohnsitz Salzburg aus führte er VW, lange Jahre zusammen mit seinem Ziehsohn Martin Winterkorn.

Gestandene Manager fürchteten sich vor Piëch, dem autoritären Chef, der nicht lange fackelte. Zugleich war der Respekt vor ihm - dem genialen Ingenieur und Autonarren - groß. Inzwischen scheint es jedoch fast so, als ob Piëch in Wolfsburg zur "Persona non grata" geworden ist, zur unerwünschten Figur. Vorstandschef Matthias Müller, einst ein enger Vertrauter Winterkorns, sagte erst kürzlich: "Ich stehe nicht in Kontakt mit Piëch." Cousin Wolfgang Porsche rückte zumindest zwischen den Zeilen von Piëch ab. Stephan Weil, VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident, warf dem "Alten" gar vor, "fake news" zu verbreiten. Und auch der Betriebsrat, früher lange ein enger Verbündeter, ist auf ihn alles andere als gut zu sprechen.

"Ich bin auf Distanz zu Winterkorn"

Was war passiert? Rückblick: Frühjahr 2015. Bei VW scheint alles in Ordnung zu sein, im Vorjahr gab es Rekorde bei Ergebnis und Umsatz. Hinter den Kulissen aber braut sich bereits das Unheil zusammen, das den erfolgsverwöhnten Konzern Monate später aus der Bahn werfen wird: In den USA gibt es Probleme mit erhöhten Abgaswerten. Im März 2015 spricht Piëch auf dem Genfer Autosalon mit dem damaligen Vorstandschef Winterkorn. Er will auf die Probleme hingewiesen haben, auf mögliche Manipulationen - und auch den innersten Machtzirkel bei VW, das Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Weil und Osterloh, heißt es in Berichten. Die Kontrolleure weisen diese Anschuldigungen scharf zurück. Der Vorstand prüft Schadenersatzansprüche gegen Piëch.

Dann, im April 2015, folgt das mittlerweile legendäre Zitat Piëchs im "Spiegel": "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn." Es beginnt ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und Wolfgang Porsche stützt am Ende - zur Überraschung vieler - Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seitdem ranken sich die Spekulationen über Piëchs Motive.

Die gängigste: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula in einer Art dynastischer Erbfolge als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen. Winterkorn aber - im späteren Jahresverlauf 2015 über den Abgas-Skandal gestürzt - wollte demnach selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von Volkswagen in den USA gewesen - vor dem Hintergrund der später bekanntgewordenen Diesel-Probleme. Aber Genaues weiß man nicht, schriftliche Belege darüber soll es nicht geben.

"Frisches Blut samt frischen Ideen"

Piëch selbst hat sich seit fast zwei Jahren nicht mehr öffentlich geäußert, Interview-Anfragen sind zwecklos. Dennoch zieht er hinter den Kulissen noch Fäden, wie ein "Phantom". Noch ist Piëch Miteigentümer der Porsche SE und damit von VW. Diese Machtarchitektur ist wesentlich von ihm gezimmert worden, als Ergebnis des Übernahmekampfes zwischen der Porsche AG und VW. Einen Posten hat er noch: Er sitzt im Aufsichtsrat der Porsche SE. Aber angeblich drängen ihn Familienmitglieder, auch diesen Posten aufzugeben.

War dies der Stein des Anstoßes dafür, dass er nun über den Verkauf seiner milliardenschweren Beteiligung verhandelt? Am 17. April wird Piëch 80 Jahre alt. Aus seinem Umfeld ist zu hören, der frühere VW-Boss verfolge die Entwicklung im Konzern ganz genau. Er sei direkt und geradlinig, aber auch stur und nachtragend. Scheinbar hat es Piëch nicht verwunden, dass er vor fast zwei Jahren als Aufsichtsratschef zurücktreten musste.

Dabei ist schon seit längerer Zeit ein Generationswechsel im Gange bei den Familien Porsche und Piëch. Dieser könnte nun wesentlich beschleunigt werden - wenn der Patriarch seine Anteile verkauft und andere Familienmitglieder das Aktienpaket wohl übernehmen werden. Und was bedeutet das für VW? "Für den Konzern könnte der Abgang auch ein positives Signal sein", meint Bratzel. Schließlich sei das Unternehmen wie die ganze Autobranche in einem radikalen Umbruch zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren. Piëch habe von solchen Neuerungen wenig gehalten. Daher sei es gut, wenn jüngere Leute, die mehr Verständnis dafür hätten, an Einfluss gewännen: "Dadurch kommt frisches Blut samt frischen Ideen in die Reihen der Anteilseigner."

Quelle: ntv.de, Andreas Hoenig und Wolf von Dewitz, dpa

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