Wirtschaft

"Wie damals die Haffa-Brüder" Zalando und Rocket wecken Erinnerungen

Zalando und Rocket Internet lassen die Börsianer nicht nur vor Glück aufschreien.

Zalando und Rocket Internet lassen die Börsianer nicht nur vor Glück aufschreien.

(Foto: AP)

Mit Zalando und Rocket Internet wollen die Brüder Samwer diese Woche die Börse erobern, die Aktien finden im Vorfeld reißenden Absatz. Das erinnert Börsenmakler Dirk Müller an zwei andere Brüder. Im n-tv-Interview verrät Mr. Dax, was er von den Börsenneulingen hält.

n-tv.de: Alibaba, Zalando, Rocket Internet - Anleger scheinen einen mächtigen Appetit auf Internet-Unternehmen zu haben. Bildet sich hier eine neue Blase oder haben wir nur Nachholbedarf?

Dirk Müller ist Börsenmakler und Buchautor. Er wurde international als "Mister Dax" bekannt, weil sein Arbeitsplatz auf dem Parkett unter der Dax-Kurstafel lag und sein Gesichtsausdruck den Verlauf oft spiegelte. Mit "Crashkurs", "Cashkurs" und "Showdown: Der Kampf um Europa und unser Geld" hat er bislang drei Bücher veröffentlicht.

Dirk Müller ist Börsenmakler und Buchautor. Er wurde international als "Mister Dax" bekannt, weil sein Arbeitsplatz auf dem Parkett unter der Dax-Kurstafel lag und sein Gesichtsausdruck den Verlauf oft spiegelte. Mit "Crashkurs", "Cashkurs" und "Showdown: Der Kampf um Europa und unser Geld" hat er bislang drei Bücher veröffentlicht.

Dirk Müller: Ich habe hier so ein kleines Déjà-Vu. Die Börsengänge erinnern mich tatsächlich an die 1990er Jahre, als wir die Internet-Blase hatten. Das waren die gleichen Abläufe. Da wurden auch Unternehmen gehypt und den Anlegern erzählt, das "Geld verbrennen" der neue Trend ist. Da gab es Unternehmen ohne ein vernünftiges Geschäftsmodell, das Gewinne generiert und nicht nur Umsätze. Das war damals richtig in Mode. Es gab den Begriff der "Burn-Rate", d.h. je mehr Geld ein Unternehmen innerhalb eines Monats verbrannt hat, umso besser war es beinahe. Das war ja schließlich ein Zeichen für Wachstum. Dann hat man jedoch erkannt, dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist und diese Unternehmen sind im Orkus verschwunden.

Nach dem Platzen der Blase kehrte jedoch wieder Ruhe an den Märkten ein. Ist es damit nun vorbei?

Zumindest sehen wir wieder ähnliche Entwicklungen wie damals: Unternehmen, die mit wilder Werbung und aufgeblähten Geschäftsmodellen viel Aufmerksamkeit und Umsatz generieren, aber bisher noch nicht bewiesen haben, dass sie auch einen Gewinn erwirtschaften können. Doch darum sollte es ja eigentlich bei der Gründung von Unternehmen gehen. Ich mache mir da Sorgen.

Damals waren es die Haffa-Brüder mit EM.TV, die zum Markenzeichen dieser Zeit wurden. Die sammelten von den Anlegern Milliarden ein und steckten sie zum Beispiel in den Ankauf von Rechten an der Muppet Show und der Formel 1. Die Haffas wurden auf jeder Party gefeiert und plötzlich ging es den Bach runter, als klar wurde, dass da keine Gewinne zu erwarten sind. Und das Unternehmen verschwand mitsamt dem Geld der Anleger im Nirwana. Jetzt ist es ein Brüder-Trio (gemeint sind Marc, Oliver und Alexander Samwer, Gründer von Zalando und Rocket Internet, Anm. der Redaktion), die wieder sehr viel Geld unters Volk streuen, das sie woher auch immer bekommen. Auch sie haben immer noch nicht bewiesen, dass sie auch Unternehmen aufbauen können, die nachhaltig Gewinne erwirtschaften. Denn ihre Meisterstücke, wie Groupon, StudiVZ oder Jamba, sind bislang allesamt in der Sonne geschmolzen. Die wurden gehypt und am Ende abgestoßen.

Wird das auch mit Rocket Internet passieren?

Das Unternehmen hat innerhalb kürzester Zeit über 100 Firmen rund um den Globus aufgebaut. Und damit soll man jetzt Geld verdienen? Jeder, der geschäftlich aktiv ist, weiß, wie schwer es ist, ein Unternehmen aufzubauen und in die Gewinnzone zu bringen und vor allem dort zu halten. Wenn also jemand behauptet, er schafft 100 Unternehmen innerhalb von zwei, drei Jahren, dann ist der meiner Meinung nach sportlich unterwegs.

Früher waren es Internet-Raketen, die die Anleger ums Geld gebracht haben, jetzt kommt Rocket Internet, also das Raketen-Internet. Alleine der Name sollte schon eine Warnung sein, auch wenn das von mir augenzwinkernd gemeint ist.

Die Deutsche Börse scheint auch Bedenken zu haben, sie lässt Rocket Internet nur in den wenig bewachten Entry Standard.

Die Tatsache, dass die Deutsche Börse sagt, wir können Euch nicht in den Prime Standard lassen, weil den Bilanzen der jungen Unternehmenstöchter noch eine ordentliche Datenbasis fehlt, sollte ein Warnzeichen sein. Wenn die Deutsche Börse sagt, wir können dieses Unternehmen nicht vernünftig bewerten, wie soll ich das als Anleger können? Da kann ich nur sagen: Finger weg.

Angesichts der riesigen medialen Aufmerksamkeit werden jetzt aber leider wohl viele Anleger einsteigen, obwohl sie keine Ahnung von Bewertungen oder Geschäftsmodellen haben. Und möglicherweise sind das dieselben Leute, die in zwei, drei Jahren sagen: "Mist, die Börse hat mich um mein Geld gebracht." Nein, das ist nicht die Schuld der Börse. Es ist die Schuld solcher nicht kalkulierbaren Unternehmen.

Also sind Ihrer Ansicht nach keine Kursgewinne drin?

Die Aktien können gut laufen, ich sage nicht, dass das schief gehen muss. Aller Erwartung nach werden diese Börsengänge in den ersten Monaten oder gar Jahren erfolgreich sein und Kursgewinne einfahren. Hat EM.TV damals ja auch. Die wurden von einem Hoch zum nächsten gejagt. Aber die Vergangenheit lehrt die Skepsis gegenüber solchen Geschichten.

Es gibt so viele starke Unternehmen, die seit Jahrzehnten bewiesen haben, dass sie Geld verdienen, dort kann man nachhaltig Geld anlegen. Hinter den Geschäftsmodellen von Alibaba, Zalando, Rocket Internet stehen dagegen noch große Fragezeichen. Wenn die Anleger zocken wollen, bitte. Aber hinterher nicht die Börse verantwortlich machen, dass das Geld gekostet hat. Aus meiner Sicht ist das ein Missbrauch der Börse.

Ein Analyst schrieb kürzlich, die "kritische Berichterstattung sei typisch für Deutschland und ein guter Kontra-Indikator für Zeichnungsgewinne bei dem Börsendebüts." Was halten Sie von diesem Statement?

Ja, wunderbar. Wie gesagt, Zeichnungsgewinne mag es durchaus geben, die Frage ist aber auch, ob der Privatanleger überhaupt Aktien bekommt. Seit vielen Jahren ist an der Börse immer der gleiche Ablauf zu beobachten: Entweder es ist ein gutes Unternehmen oder es ist ein starker Kursgewinn zu erwarten. Dann bekommt der Privatanleger bei der Zeichnung sowieso nichts, weil die Aktien schon vorher an wenige Fonds und "Friends and Family" gehen. Wenn der Privatanleger eine Zuteilung bekommt, vielleicht noch in einem größeren Ausmaß, dann kann man eigentlich davon ausgehen, dass es eine Schrottaktie ist, die keiner haben wollte, und die deshalb an die Kleinanleger geht. Das haben wir immer wieder gesehen. Im Moment kann man also Zeichnungen bei Börsendebüts für Privatanleger nicht empfehlen.

Ein kurzer Blick auf die Zahlen bei Zalando. Das Unternehmen schöpft die Preisspanne für den Ausgabepreis nicht ganz aus, dennoch ist die Bewertung mit über fünf Milliarden Euro üppig. Damit spielt Zalando in einer Liga mit K+S.

Und Lufthansa. Das ist einfach lächerlich. Ich erinnere mich daran, dass wir in den letzten zehn Jahren bei allen möglichen Diskussionsrunden immer wieder darauf hingewiesen haben, wie lächerlich das 1999/2000 war, als Internetbutzen, die nur Verluste gemacht haben, so hoch bewertet waren wie die Lufthansa. Das war unser Running Gag. Und jetzt passiert das Gleiche wieder. Und wieder heißt es: Diesmal ist alles anders. Das ist einer der teuersten Sprüche an der Börse.

Mit Dirk Müller sprach Samira Lazarovic

Daten zu den IPOs
 ZalandoRocket Internet
Emissionsvolumen605 Mio €1,6 Mrd €
Marktkapitalisierung nach Ausgabepreis5,3 Mrd €6,7 Mrd €
Preisspanne18–22,50 €35,50–42,50 €
Emissionspreis21,50 €42,50 €
Erster Kurs24,10 €42,50 €
Platzierung24,5 Mio Aktien, Mehrzuteilung 3,7 Mio Aktien 
Graumarkt28 €56 €

 

Quelle: ntv.de

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