Wirtschaft

400 Milliarden Euro Investitionen Wüstenstrom-Projekt hat sich verhoben

Strom aus der Wüste? In Europa reiben sich die Großkonzerne die Hände. Doch die Euphorie ist lang verflogen. Das ehrgeizige Desertec-Projekt steht einmal mehr vor die Zukunftsfrage.

Die Euphorie um die ehrgeizigen Wüstenstrom-Pläne deutscher Konzerne ist schon lange verflogen. Nach heftigem Streit mit den Ideengebern im vergangenen Jahr kommen die Hiobsbotschaften jetzt in Serie: Gleich drei deutsche Unterstützer haben der Desertec-Industrieinitiative Dii den Rücken gekehrt oder ihren Abschied angekündigt. Das Milliarden-Projekt steht damit wieder einmal vor der Zerreißprobe, auch wenn sich die Verantwortlichen derzeit noch in Zuversicht üben.

Dabei klang die Vision bei der Vorstellung vor rund fünf Jahren verlockend: Mit sauberem Strom aus Wüstensonne und Wind sollten Nordafrika und der Mittlere Osten versorgt und auch ein Teil der Energieprobleme Europas gelöst werden. Von rund 400 Milliarden Euro an Investitionen war die Rede - das zog bei vielen deutschen Unternehmen, darunter Schwergewichte wie Siemens, Bosch und Eon. Mit den Ideengebern der Wüstenstrom-Stiftung Desertec taten sie sich zur Industrieinitiative Dii zusammen, um Chancen und mögliche Standorte für Projekte in der Mena-Region auszuloten.

"Unüberbrückbar"?

Doch im vergangenen Sommer zerbrach die Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Industrieinitiative an "unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten", wie es hieß - und schon damals stellte sich die Zukunftsfrage für das einst mit großem Brimborium verkündete Projekt.

Energieexpertin Claudia Kemfert sieht genau darin einen der Geburtsfehler der Initiative: "Ich habe es schon immer für problematisch gehalten, dass man gleich zu Beginn gigantische Investitionssummen nennt", sagt Kemfert. Auch sei zunächst der Eindruck vermittelt worden, dass das Projekt ausschließlich für die europäische Stromversorgung gedacht sei. "Dabei sollte es zuallererst um die Stromversorgung in Nordafrika gehen."

Nicht mehr aufzuhalten?

In diesem Punkt fühlt sich die Initiative allerdings selbst missverstanden. Von Vielen sei nur wahrgenommen worden, wie Deutschland und Europa von dem Projekt profitieren können, beklagt Dii-Sprecher Klaus Schmidtke. Dabei sei es von Anfang an vor allem um saubere Energie für die Menschen in der Region gegangen.

Hier sieht die Initiative auch durchaus Fortschritte: Bis 2015 dürften in Nordafrika und dem Mittleren Osten rund vier Gigawatt Leistung über Solar- und Windenergie-Anlagen installiert sein, sagt Schmidtke. "Der Ausbau erneuerbarer Energien in der Mena-Region ist in Gang gekommen und nicht mehr aufzuhalten."

Den Boden dafür habe auch die Dii-Initiative bereitet, beispielsweise über zahllose Gespräche mit politischen Entscheidern in Ländern wie Marokko, Tunesien und Algerien. Manch ein Unternehmen dürfte sich von der Initiative aber mehr versprochen haben. Auch hier sieht Dii-Sprecher Schmidtke ein Missverständnis. "Wir sind ganz sicher kein deutsches Industriekartell, das Aufträge vergibt."

Dafür müssten sich die Unternehmen schon an Ausschreibungen in der Region beteiligen. Aber auch die Probleme der Konzerne mit ihrem jeweils eigenen Engagement im Solargeschäft bedeuteten Hürden: So hatten sich Bosch und Siemens, die mittlerweile beide ihre Solar-Aktivitäten beendet haben, bereits Ende 2012 aus der Initiative verabschiedet.

"Es wird ein langer Atem erwartet"

Dennoch glaubt Expertin Kemfert grundsätzlich an die Zukunftschancen für erneuerbare Energien in der Region. "Solarenergie wird immer attraktiver, die Kosten sinken kontinuierlich. Immer mehr Länder, vor allem sonnenreiche Länder, werden auf Solarenergie setzen", ist sie überzeugt.

Auch Desertec bleibe deshalb ein interessantes und wichtiges Projekt, doch eines für Generationen. "Das heißt, es wird ein langer Atem erwartet."

Wie lange die Puste bei Dii allerdings noch reicht, bleibt abzuwarten. Denn mit jedem ausscheidenden Gesellschafter verliert die Initiative auch finanziell an Boden. So schrumpft das Budget allein durch den Abgang der beiden Gesellschafter Eon und HSH Nordbank um insgesamt 260.000 Euro. Um neue Mitstreiter zu gewinnen - Interesse haben die Verantwortlichen vor allem in Asien, sowie in einigen arabischen und europäischen Ländern ausgemacht - sind jetzt auch niedrigere Beiträge geplant, wie Dii-Geschäftsführer Paul van Son dem «Handelsblatt» sagte: "Die Jahresbeiträge reichen jetzt je nach Mitgliedschaft von 125.000 bis 5000 Euro." Zuvor waren pro Jahr mindestens 75.000 Euro fällig.

Quelle: ntv.de, Christine Schultze, dpa

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