Wirtschaft

Robotik im Autobau Wo selbstfahrende Autos noch stottern

Ohne Fahrer über die Versuchsstrecke: Ein Versuchsauto der Freien Universität Berlin bei der Vorstellung des Projekts "AutoNOMOS" (Autonomie- und Fahrassistenzsysteme für Pkw und Lkw).

Ohne Fahrer über die Versuchsstrecke: Ein Versuchsauto der Freien Universität Berlin bei der Vorstellung des Projekts "AutoNOMOS" (Autonomie- und Fahrassistenzsysteme für Pkw und Lkw).

(Foto: picture alliance / dpa)

Autojournalisten waren in diesem Sommer viel unterwegs: Google, Volvo, Mercedes-Benz und andere Hersteller luden zu Testfahrten ihrer selbstfahrenden Vehikel. Die Technologie ist ein riesiger Zukunftsmarkt. Sind die Fahrzeuge aber tatsächlich schon marktreif?

Sie fahren langsam, manche von ihnen lenken noch etwas zu abrupt, aber die Standardsituationen des Straßenverkehrs meistern sie besser als so mancher menschliche Fahrer: Roboterautos. Sie sind zwar noch nicht so heldenhaft wie K.I.T.T (Knight Industries Two Thousand) aus der amerikanischen Science-Fiction-TV-Serie "Knight Rider", in der Michael Knight mit seinem denkenden, sprechenden und selbstständig handelnden Auto gegen Unrecht und Verbrechen kämpft.

Aber autonome Fahrzeuge können doch schon einiges, unabhängig davon, ob sie von Audi, Daimler, VW, BMW; Toyota, Volvo oder Google entwickelt worden sind: Einparken ist eine einfache Übung, durch Staus fahren sie sicher und Auffahrunfälle sind auch in anderen Situationen beinahe schon ausgeschlossen. Und manche von ihnen sind bereits lernfähig, unter anderem arbeitet die Freie Universität Berlin an einem Kommunikationssystem, mit dem sich die Fahrzeuge austauschen können.

Googles schreckt deutsche Branche

Warum die Googles Präsentation seines bremsen- und lenkradlosen selbstfahrenden Fahrzeugs im Mai dennoch die Branche in Deutschland aufgeschreckt hat, liegt daran, dass Googles Auto wohl bereits 2015 auf den Straßen anzutreffen sein könnte. Denn Kalifornien wird als erstes Land der Welt die elektronisch gesteuerten Fahrzeuge zulassen.

Zwar werden die vollständig autonomen Fahrzeuge, bei denen der Fahrer im Notfall nicht mehr eingreifen kann, zunächst nur mit 100 auf 25 Meilen (40,23 Kilometer) pro Stunde gedrosselten Prototypen in den nächsten Jahren testen, doch die Vorstufe, bei der Fahrer durchaus in die Vollautomatik eingreifen können, könnte nächstes Jahr serienmäßig in den Handel kommen, die rechtlichen Hürden sollen bis dahin abgebaut sein. Dazu wird lediglich eine Lizenz erforderlich sein. Googles Self-Driving-Car-Flotte hat in den vergangenen vier Jahren bereits mehr als eine Million Testkilometer auf öffentlichen Straßen zurückgelegt, eine Strecke, welche die meisten Menschen in ihrem Leben nicht bewältigen.

Ein Status Quo von dem Europa und auch der deutsche Automobilmarkt meilenweit entfernt sind. Klar, auf deutschen Äckern sind schon längst Roboterfahrzeuge unterwegs. Daimler hat im Sommer einen Actros vorgestellt, den "Future Truck 2025", der mit der angepeilten Marktreife 2025 die Brummibranche gehörig durcheinanderwirbeln könnte.

Gretchenfrage nach der Sicherheit

Und die EU hat Anfang des Jahres ein Großprojekt mit 25 Millionen Euro ausgestattet, das von 29 Unternehmen und Forschungseinrichtungen unter der Leitung von Volkswagen autonomes Fahren und all seine Tücken weiterentwickeln soll: Wie kann ein Auto menschliche Intentionen wie Winken oder Lichthupe korrekt interpretieren? Wie kann das Auto bei starkem Gegenlicht die Ampel lesen? Und wie reagiert es, wenn es im Dilemma steckt, also etwa nur noch die Wahl hat zwischen einem Unfall mit einem Motorradfahrer und einem Kind?

Dabei ist die Technologie die eine Herausforderung, die andere das Haftungsrisiko. Haften Fahrer für ihre Roboter? Oder doch der Hersteller? Damit beschäftigt sich auch eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung, aber die Diskussionen darüber liegen auf Eis. Die Ingenieure von Google argumentieren wie andere Hersteller damit, dass durch die Einführung die Sicherheit auf den Straßen deutlich zunehmen würde, weil die Fahrzeuge wesentlich defensiver und langsamer unterwegs sind, als menschliche Fahrer. 90 Prozent aller Unfälle gehen auf menschliches Fehlverhalten zurück und Schätzungen zufolge sterben jährlich mehr als eine Million Menschen weltweit im Straßenverkehr aufgrund menschlichen Versagens.

Riesiger Markt in Sicht

Doch der Fortschritt ist bekanntermaßen nicht aufzuhalten. Einer Studie der Researchfirma IHS zufolge werden 2025 eine Viertelmillion selbstfahrender Autos auf den Straßen unterwegs sein. Für einen stattlichen Preis natürlich, die Fahrzeuge werden wohl zwischen 7000 und 10.000 Dollar mehr kosten als herkömmliche Autos. "Der eigene Pkw wird zum Luxus", sagt auch Google. Der amerikanische Internetriese geht jedoch davon aus, dass Carsharing dann das gängige Modell sein wird.

Die Analysten von Lux Reseach bleiben hingegen pessimistisch und gehen davon aus, dass selbst im Jahr 2030 der Anteil selbstfahrender Fahrzeuge noch klein sein wird. England lässt sich von der Skepsis aber nicht anstecken. Vielmehr will sich das Land an die Spitze des technologischen Wandels stellen. In Großbritannien startet dazu im Januar 2015 an drei Standorten der Test von selbst fahrenden Fahrzeugen. Der schwedische Autobauer Volvo will bis 2017 ungefähr 100 autonome Fahrzeuge in den Stadtverkehr von Göteborg bringen.

Deutsche Unternehmen gehen Schritt für Schritt

Laut Stefan Lüke, beim Autozulieferer Continental verantwortlich für Fahrassistenz und Automationsthemen, wird das hoch automatisiertes Fahren ab dem Jahr 2020 kommen und schrittweise bis 2025 zum vollautomatisiertes Fahren weiterentwickeln. Derzeit konzentrieren sich viele Unternehmen aus dem Sektor vor allem auf Systeme, die den Fahrer unterstützen, wie Spurhalteassistenten, automatisiertes Bremsen, Ausweichassistenten für Notsituationen oder automatische Einparkhilfen.

Der Premiumhersteller BMW hatte am Jahresanfang angekündigt, dass er am Anfang des nächsten Jahrzehnts Autos anbieten wolle, "die auch in komplexen Verkehrssituationen über weite Strecken ohne Zutun des Fahrers ihren Weg finden." BMW arbeitet derzeit gemeinsam mit Continental an einer Flotte von Prototypten, die ebenfalls ab 2015 auf Testfahrten gehen sollen. Den Zulieferern wie Continental oder dem französischen Konkurrenten Valeo kommt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der neuen Technologie zu.

Die Markteinführung selbst fahrender Fahrzeuge könnte zwar noch etliche Jahre auf sich warten lassen. Die weltweiten Autohersteller und deren Zulieferer scheinen mit ihrem enormen Know-how aber gut gerüstet, um den Kampf mit Google aufzunehmen. Der US-Internetriese hat nicht zuletzt ein Ziel: sein mobiles Betriebssystem Android in die Auto-Cockpits dieser Welt zu bringen.

Quelle: ntv.de

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