Wirtschaft

"Hinter uns liegen bewegte Tage" Winterkorn dankt Piëch

VW-Chef Winterkorn und der neue Interimschef des Aufsichtsrats, Huber, sprechen den harten Machtkampf mit Ferdinand Piëch auf der Hauptversammlung direkt an. Von Triumph ist keine Spur. Das könnte der Neustart für den Konzern sein.

Das P-Wort ist auf der Hauptversammlung von Volkswagen nicht gemieden worden. Das war ein gutes Zeichen. Es war die erste Gelegenheit für die neue Führungsriege, sich bei den Aktionären zu empfehlen. Das konnte nur dadurch gelingen, dass sie nach dem heftigen Machtkampf mit VW-Urgestein Ferdinand Piëch in aller Öffentlichkeit Stellung bezieht.

VW Vorzüge
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Aufsichtsrats-Interimschef Berthold Huber und VW-Chef Martin Winterkorn gingen ohne Umschweife auf den Kampf in den zurückliegenden Wochen ein. Sie versuchten damit nicht nur eine Art Standortbestimmung, sondern auch das Signal für einen Neustart zu geben. Dass diese Situation auf dem Podium - ohne den Patriarchen - neu für sie war, merkte man ihnen an. Großaktionär Piëch und seine Frau Ursula, die ebenfalls aus dem Aufsichtsrat zurückgetreten war, waren nicht auf der Veranstaltung.

Gewerkschaftsmann Huber, als kommissarischer Leiter des Aufsichtsrates und Gastgeber des Aktionärstreffens, wandte sich mit heiserer, aber eindringlicher Stimme an die Aktionäre. Er warb um Vertrauen. Es sei ungewöhnlich, dass keiner von der Kapitalseite des Konzerns seine Position innehabe, räumte der ehemalige IG-Metall-Chef ein. Aber er versicherte, die Hauptversammlung ordentlich abzuhalten. Als hätte jemand etwas anderes erwartet. Immerhin genießt er das volle Vertrauen der Kapitalseite. So viel hatten die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch im Vorfeld klar gestellt.

Die wichtige Frage, wer für Piëch später einmal auf den Chefsessel des Aufsichtsrats nachrücken soll, konnte Huber wie erwartet zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten. Dafür bat er um Verständnis: Der Vorstand wolle keine überstürzten Entscheidungen. Die Suche nach einem neuen Chefkontrolleur werde in "angemessener Zeit" erfolgen, versicherte Huber. Dass er an der Spitze des Gremiums stehe, sei "ein Beitrag dazu, die Nachfolge in Ruhe zu klären. Wir sind der Auffassung, dass diese Ruhe geboten ist".

Er nutzte die Gelegenheit, die Verdienste des abgedankten Vorsitzenden zu würdigen. "Piëch hat sich außerordentliche Verdienste um Volkswagen und die gesamte Automobilindustrie erworben", sagte Huber unter dem spontanen Beifall der Aktionäre. Er habe einen "einmaligen Beitrag" für VW geleistet. Er kündigte an, dass der Konzern die Verdienste des 78-Jährigen auch noch "an anderer Stelle" würdigen werde. Wo oder wie blieb offen. Bei der Übergabe an seinen Nachredner verzettelte sich Huber kurz in den Tagesordnungspunkten, wofür er sich entschuldigte, aber seine Botschaft schmälerte das nicht. Die Führungsspitze von Volkswagen funktioniert.

Martin Winterkorn

Martin Winterkorn

(Foto: dpa)

Deutlicher auf die Turbulenzen der vergangenen Wochen ging sein Nachredner VW-Chef Winterkorn ein: "Hinter uns liegen - vorsichtig gesagt - bewegte Tage", räumte dieser ein. Auch Winterkorns Stimme waren die Anstrengungen der vergangenen Wochen anzumerken. "Ich weiß: Viele von Ihnen haben sich Gedanken gemacht um Volkswagen. Um das Unternehmen, das uns allen so sehr am Herzen liegt." Der Konzern sei nun aber wieder "in ruhigerem Fahrwasser unterwegs". Der Fokus liege wieder auf dem Geschäft.

Wie um zu beweisen, dass der Konzern handlungsfähig ist und keine Zeit versäumt, die neue Ära nach Piëch zu gestalten, hatte der Konzern bereits vor der Hauptversammlung erste Schritte zur Dezentralisierung der Führung bekanntgegeben. Der Konzern bündelt dazu wie erwartet MAN und Scania in einer eigenen Nutzfahrzeug-Holding mit einem eigenen Aufsichtsrat. Die Neurorganisation der Nutzfahrzeugsparte könnte als Blaupause für weitere Teile des Konzerns dienen.

Winterkorn: "Teamgeist und Mannschaftsleistung"

Winterkorn, der jahrelang als Piëchs Ziehsohn und Wunschnachfolger im Konzern galt, dankte diesem im Namen der Mitarbeiter, "aber auch persönlich". Der VW-Chef bemühte sich zudem, die von dem Streit ausgelösten Sorgen um Volkswagen zu nehmen. Der Aufsichtsrat und sein Präsidium seien dabei, "die noch offenen personellen Fragen bei der Besetzung der Aufsichtsgremien zügig und bestmöglich zu regeln", versicherte er. Er bemühte sich dabei um eine sachliche Bewertung des Führungsstreits und der weiteren Aufgaben.

Die Geschäftsbasis des Konzerns sei durch die Führungskrise nicht beschädigt worden, versicherte der VW-Chef. Es habe in den vergangenen Wochen "unzählige Interpretationen, Spekulationen und leider auch Übertreibungen" gegeben. Er unterstrich, dass Volkswagen nicht irgendein Unternehmen sei, sondern "ein kerngesundes, gut aufgestelltes Unternehmen". Gleichwohl ein Unternehmen, in dem es auch viel zu tun gibt. Selbstzufriedenheit werde es bei Volkswagen "weiterhin nicht geben", so Winterkorn weiter. Die Verantwortlichen des Konzerns wüssten um ihre "Aufgaben in diesem großen, globalen Konzern".

Wer darauf gehofft hatte: Zumindest einen kleinen Eindruck von Stress der vergangenen Wochen lieferte Winterkorn. Alle hätten "ihre Kräfte gebündelt", sagte er. Und so habe man - trotz allem - unverändert weiterarbeiten können. Den neuen Aufsichtsrätinnen Louise Kiesling und Julia Kuhn-Piëch, die kaum in ihre Ämter berufen bereits von ihrem Onkel torpediert worden waren, begrüßte er mit den Worten: "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen." Und an die Aktionäre gerichtet, versicherte er: "Wir stehen für Teamgeist und eine starke Mannschaftsleistung." Das gemeinsame Ziel sei "Volkswagen in eine gemeinsame Zukunft zu führen."

Die Top-Manager haben ihre Chance genutzt. Und damit einen wichtigen Schritt in die Zeitrechnung nach Piëch getan. Winterkorn und Huber haben deutlich gemacht, dass es kein böses Blut im Konzern gibt. Von Triumph über den gescheiterten Piëch war bei den "Siegern" des Machtkampfes nichts zu spüren. Sie blieben sachlich und professionell. Und damit haben sie gezeigt: Volkswagen ist ohne Piëch alles andere als führungslos.

Quelle: ntv.de

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