Wirtschaft

Im Clinch mit Zulieferern Wie der Streit Kunden und VW trifft

(Foto: dpa)

Ein heftiger Konflikt zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern droht zu einem echten Problem für Europas größten Autobauer zu werden. Die Kosten dürften in die Millionen gehen. Aber nicht nur für die Wolfsburger steht viel auf dem Spiel.

Volkswagen streitet sich vor Gericht mit zwei Zulieferern. Kurzarbeit in Emden, Produktionsstopp beim Verkaufsschlager Golf im Stammwerk Wolfsburg - Mitarbeiter und Kunden sind verunsichert. Während die Hintergründe des Streits um die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen noch unklar sind, drängen sich einige Fragen auf.

Wie kann es sein, dass ein Zulieferer einen Großkonzern lahmlegt?

Der Fall ist sehr selten, kommt aber vor. 1998 etwa sorgten fehlende Türschlösser bei Ford in Köln für einen Stillstand in der Produktion. Problematisch wird es immer dann, wenn ein Zulieferer im sogenannten single sourcing die einzige Bezugsquelle bestimmter Teile ist und nicht schnell genug Ersatz gefunden werden kann. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht in diesem Zusammenhang von "Fehlern" bei VW. Zulieferer vermeiden es normalerweise tunlichst, die großen Hersteller zu verärgern. Denn wer in der Branche als unzuverlässig gilt, ist oft schnell unten durch auch bei anderen Firmen.

Wie teuer ist der Produktionsstopp für VW?

Das hängt davon ab, wie lange die Bänder stillstehen. Volkswagen selbst will sich noch nicht zu möglichen finanziellen Folgen äußern. Unter anderem sei noch nicht abzusehen, wie lange der Streit dauert und was für Maßnahmen ergriffen werden. Klar ist: Ab kommender Woche werden in Wolfsburg und Emden pro Tag rund 3450 Autos vorwiegend der Modelle Golf und Passat weniger gefertigt. Im ersten Halbjahr verdiente die Kernmarke Volkswagen Pkw an jedem ausgelieferten Auto vor Zinsen und Steuern im Schnitt rund 394 Euro - pro Woche wären das insgesamt knapp 7 Millionen Euro weniger operativer Gewinn. Beim Umsatz fehlen jede Woche nach dieser Rechnung 410 Millionen Euro. Die Beispielrechnung ist aber nur ein Anhaltspunkt. Zum einen kann Kurzarbeitergeld die Kosten abfedern helfen, zum anderem kann im Nachhinein fehlende Produktion wieder aufgeholt werden. Allerdings sind entsprechende Sonderschichten wegen der Zuschläge teuer. Ob sich der Konzern über Schadenersatz etwas zurückholen kann, ist fraglich. Branchenexperte Frank Schwope von der NordLB rechnet nicht damit, dass sich der Streit noch über Wochen hinzieht. "Das Problem kann beim Ergebnis aber durchaus einen zweistelligen Millionenbetrag kosten - wenn es schlecht läuft und sich hinzieht auch dreistellig", sagt er. Beispiele für teure Produktionsausfälle gibt es häufiger: Als nach der Erdbeben-Katastrophe von Fukushima ein Werk des Darmstädter Chemie- und Pharmakonzerns Merck in Japan für knapp zwei Monate ausfiel, fehlten plötzlich bei vielen Autobauern die Lacke.

Was bedeutet der Produktionsstopp für die Kunden?

Ihnen droht mitten im Diesel-Skandal mit Umrüstaktionen mitunter weiterer Ärger. Schon jetzt sorgen sich einige um die Liefertermine ihrer bestellten Autos, wie Händler am Freitag berichteten. Wohl nicht ohne Grund: In einem Schreiben an die Händler hieß es vom VW-Vertrieb zwar, das Unternehmen rechne mit einer Entspannung der Lage. Bei einzelnen Fahrzeugen könne es aber zu Verzögerungen kommen. Falls nötig, wollen Händler und VW dafür sorgen, dass die Kunden mobil bleiben.

Verdienen VW-Arbeiter jetzt weniger?

Viele ja, wenn Kurzarbeit beantragt wird. Die betroffenen Beschäftigten erhalten vom Arbeitgeber zwar weiter Lohn und Gehalt - aber nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Ihr ausfallendes Netto-Entgelt wird von der Bundesagentur für Arbeit durch das Kurzarbeitergeld teils ausgeglichen: zu 60 Prozent bei Kinderlosen, zu 67 Prozent bei Beschäftigten mit mindestens einem Kind.

Muss der Steuerzahler über das Kurzarbeitergeld dafür aufkommen?

Zumindest teilweise. Gedacht ist das Kurzarbeitergeld dafür, bei vorübergehendem Arbeitsausfall die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden. Insofern soll es auch Folgekosten für die öffentlichen Haushalte vermeiden helfen.

Hätte VW die Börse früher über die Probleme informieren müssen?

Im Konzern sieht man das nicht so. Eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung an die Börse muss ein Unternehmen veröffentlichen, wenn der Aktienkurs erheblich beeinflusst werden könnte. Aber Börsianer sehen das Zulieferproblem derzeit eher noch als Problemchen: Die Aktie reagierte kaum auf die jüngsten Nachrichten - ganz anders als beim Bekanntwerden der Dieselaffäre.

Quelle: ntv.de, Marco Engemann, dpa-AFX

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