Wirtschaft

Alitalia als Warnung Was Air Berlin jetzt dringend braucht

Air Berlin ist noch längst nicht am Ziel.

Air Berlin ist noch längst nicht am Ziel.

(Foto: REUTERS)

Droht nach der Alitalia-Pleite der nächste Absturz einer europäischen Fluglinie? Die Parallelen sind offensichtlich. Auch die kriselnde Air Berlin wird von Großaktionär Etihad in der Luft gehalten.

Der Todeskampf von Alitalia hält an. Rom hält den Betrieb mit einem Brückenkredit am Laufen, auf den letzten Metern soll nun ein Käufer für die marode Airline gefunden werden. Passiert jetzt kein Wunder, werden die Flieger der italienischen Fluglinie demnächst am Boden bleiben. Für die deutsche Air Berlin sind das schlechte Nachrichten. Schließlich geht es ihr kaum besser. Sie hat vor allem denselben ungeduldigen Großaktionär aus Abu Dhabi.

Für Etihad Airways bedeutet schon Alitalia, an der die Golf-Airline mit 49 Prozent beteiligt ist, eine herbe Pleite. Es ist völlig offen, wie der Großaktionär, der auch 29 Prozent an Air Berlin hält weiter verfahren wird. Das gesamte Europa-Geschäft von Etihad ist ein Flop. Air Berlin steckt mittlerweile im achten Krisenjahr. Allen Anstrengungen zum Trotz entpuppte sich die Partnerschaft in den vergangenen Jahren als reines Zuschussgeschäft. Ohne den Großaktionär aus Abu Dhabi, der bereits eine Milliarde Euro in die marode Airline gepumpt hat, wäre Air Berlin längst pleite.

Erst kürzlich prangerten Aktionärsvertreter Air Berlin als einen der größten Kapitalvernichter an. Laut einer Studie verbrannte die angeschlagene Fluggesellschaft so viel Kapital ihrer Aktionäre wie wenig andere börsennotierte Unternehmen im regulierten Markt. Allein 2016 verlor das Papier 33,9 Prozent an Wert, wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) berichtete.

Die Vermutung, dass Etihad ihr finanzielles Engagement bei Air Berlin irgendwann einstellen könnte - bevor die Airline selber in den Ruin fliegt -, ist nicht neu, erhält durch den Absturz von Alitalia aber neue Brisanz. Die jüngsten Personalwechsel zeigen deutlich, wie groß die Unzufriedenheit ist: Der Rausschmiss von Air-Berlin-Chef Stefan Pichler war nur der Anfang. Erst kürzlich musste Etihad-Chef James Hogan seinen Abschied nehmen. Am Montag trat dann auch noch der für die europäischen Beteiligungen zuständige Manager Bruno Matheu zurück.

"Eindeutig bessere Perspektiven"

Trotzdem sind die Experten für die deutsche Airline optimistischer als für Alitalia. Die Sparbereitschaft der Deutschen gilt nicht nur als deutlich höher. Air Berlin ist durch ihre jüngsten Partnerschaften bei ihren Sanierungsbemühungen deutlich vorangekommen. "Die Perspektive der Air Berlin ist eindeutig besser als die der Alitalia", stellt der Luftverkehrsexperte Gerd Pontius fest. Immerhin: Air Berlin muss keine Insolvenz anmelden. Die Wirtschaftsprüfer haben grünes Licht gegeben.

Der ehemalige Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann ist seit Februar 2017 Air-Berlin-Chef.

Der ehemalige Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann ist seit Februar 2017 Air-Berlin-Chef.

(Foto: imago/Eibner)

Airline-Chef Thomas Winkelmann krempelt das Unternehmen seit ein paar Monaten komplett um. Er hat nicht nur Ferienflieger-Sparte Niki an Etihad verkauft. Winkelmann verleaste auch an die 40 Air-Berlin-Maschinen samt Personal an Erzfeind Lufthansa - was früher undenkbar gewesen wäre. Aber der Rumpf der Airline mit 75 Flugzeugen, die nicht verleast oder verkauft sind, ist laut Experten immer noch nicht überlebensfähig.

Winkelmann muss diesen Donnerstag aller Voraussicht nach wieder tiefrote Zahlen vorlegen, schon im Vorjahr hatten die rot-weißen Maschinen einen Verlust von 447 Millionen Euro eingeflogen. Und damit nicht genug: Operativ knirscht es wegen der Umstrukturierung, weil Air Berlin sich nun stärker auf seine Drehkreuze Berlin und Düsseldorf konzentrieren will. Arbeitnehmer klagen über Chaos bei Dienstplänen, Passagiere über Chaos bei der Abfertigung in Berlin. Es braucht also offensichtlich noch größerer Anstrengungen.

Starker Partner gesucht

"Air Berlin braucht einen starken Partner", sagt Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne. Die Hoffnungen ruhen hier vor allem auf einer weiteren Annäherung mit der Deutschen Lufthansa, wo Winkelmann zuvor selbst Manager war. Auch wenn Lufthansa-Chef Carsten Spohr kürzlich klar gemacht hat, dass er weder an dem Schuldenberg von rund einer Milliarde Euro noch an dem teuren Air-Berlin-Apparat Interesse hat. Ganz auszuschließen ist eine Übernahme deshalb nicht.

Eine Vollübernahme hält Spohr wegen der hohen Schuldenlast von Air Berlin, den hohen Kosten und dem absehbaren Einspruch des Kartellamts derzeit zwar für unwahrscheinlich. "Wenn die Themen lösbar werden, kann ich mir aber weitere Schritte vorstellen", ließ der Lufthansa-Chef dann auch noch wissen. Der Grund ist klar: Eine Pleite von Air Berlin würde auch zu einer Neuverteilung der begehrten Startberechtigungen an deutschen Airports führen, bei der auch andere Konkurrenten von Lufthansa zum Zuge kämen. Spohr würde dem mit einer Übernahme zuvorkommen. Kartellrechtliche Hürden könnten dabei per Ministererlass beseitigt werden. Im Bundestags-Wahljahr durchaus eine denkbare Option. Weder der Bund noch die Bundesländer mit Air-Berlin-Drehkreuzen - Nordrhein-Westfalen und Berlin - sind an einer Pleite interessiert.

Etihad dürfte ein stärkeres Engagement von Lufthansa auf jeden Fall begrüßen. Das Milliarden-Desaster bei der zweitgrößten deutschen Airline würde damit immerhin noch in einer Kooperation mit dem größten Luftverkehrskonzern Europas münden. Allerdings müssten sich Etihad und Lufthansa dann auch zusammenraufen, denn die Kranich-Airline greift mit Eurowings gerade die arabische Konkurrenz an.

Als Alternative zu Lufthansa kommen nach Auffassung des Airborne-Experten Wissel auch britische Gesellschaften in Frage. Nach dem Brexit dürften sie an Standbeinen in Europa interessiert sein. Auch asiatische Partner, die möglicherweise auf einen Einstieg in den komplizierten Markt hoffen, seien denkbar. Schon vor einem Jahr hatte die Berliner Fluggesellschaft in London über eine Beteiligung von Easyjet gesprochen. Eine Lösung war allerdings an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert. So oder so, Etihad könnte mit Partnern aus Asien oder Großbritannien leben, denn beide würden den Arabern eine Ausweitung der Europa-Strecken ermöglichen.

Alitalia-Pleite sorgt für kleinere Blessuren

Auch wenn die Auswirkungen einer möglichen Alitalia-Pleite auf Air Berlin zumindest kurzfristig begrenzt sein werden, wie Wissel sagt. Ein paar Schrammen wird sie schon hinterlassen. Grund sind die Gemeinschaftsflüge beim sogenannten Code-Sharing. Alitalia kooperiert hier mit den Deutschen.

Haben Passagiere einen Flug bei Air Berlin gebucht, der dann von Alitalia durchgeführt werden soll, haben diese Ansprüche gegenüber Air Berlin. In diesem Fall müsste die deutsche Fluggesellschaft den Flugpreis erstatten und danach versuchen, ihre nunmehr eigenen Forderungen in einem möglichen Insolvenzverfahren gegenüber Alitalia geltend zu machen. Auch strategisch wäre das Aus von Alitalia für Air Berlin schmerzhaft. Beide Airlines haben ihre Zusammenarbeit gerade erst vertieft.

Wichtig ist, dass sich Air Berlin nun dauerhaft einen starken Partner sucht und so die jahrelange Hängepartie beendet. Möglicherweise beschleunigt eine Alitalia-Pleite die notwendigen weiteren Schritte Richtung Genesung. Air-Berlin-Chef Winkelmann steht noch viel Arbeit ins Haus. Wie er weiter vorgehen will, verrät er vielleicht schon am Donnerstag, wenn er die Zahlen präsentiert. Der Verwaltungsrat von Alitalia hat für denselben Tag eine Aktionärsversammlung angekündigt.

Quelle: ntv.de

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