Wirtschaft

Moskau im "Digitalfieber" Warum der Krypto-Rubel floppen wird

Angeblich beginnt Moskau mit der Vorbereitung eines Krypto-Rubel. Ob es wirklich dazu kommt?

Angeblich beginnt Moskau mit der Vorbereitung eines Krypto-Rubel. Ob es wirklich dazu kommt?

(Foto: REUTERS)

Russland will eine eigene Kryptowährung, die der Staat kontrolliert. Präsident Putin werfe eine "Nebelkerze" und lenke vom eigentlichen Problem ab, sagt Experte Markus Miller n-tv.de. Der Krypto-Rubel mache alles noch schlimmer.

Moskau hat überraschend eine eigene virtuelle Währung angekündigt. Auf den ersten Blick mutet es wie eine Kapitulation an, wenn Russland plötzlich den Markt für Kryptowährungen für sich entdeckt. Die Regierung hatte kurz zuvor erst Verbote der entsprechenden Handelsplattformen für Bitcoin, Etherum und Co. angekündigt.

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Präsident Wladimir Putin wolle, dass der Staat die Regulierung von Kryptowährungen übernehme, um nicht Gefahr zu laufen, die Kontrolle über das Geldwesen zu verlieren, erklärte der russische Kommunikationsminister Nikolaj Nikoforow auf einem Treffen des Moscow Capital Clubs. Dass dem Trend nicht durch Verbote beizukommen ist, hat China erfahren. Dort ist das Handelsvolumen nach dem Verbot von zwei großen Bitcoin-Börsen zwar von 90 auf 50 Prozent geschrumpft. Weniger gehandelt wird deshalb aber nicht. Der Handelsschwerpunkt hat sich lediglich nach Japan verlagert. Eine 180-Grad-Wende Russlands wäre somit nur logisch.

Auch, weil Moskau wegen der Ukraine-Krise schon länger Sanktionen fürchten muss, aus dem internationalen Bankentransaktionssystem Swift zu fliegen. Russland würde damit von wichtigen Informationsströmen abgeschnitten und könnte kaum noch finanzielle Transaktionen auf internationaler Ebene durchführen - angesichts der vielen im Ausland tätigen russischen Unternehmen und Oligarchen ein Risiko. Eine anonymen Kryptowährung würde hingegen Kanäle eröffnen, mit denen diese Isolierung umgangen werden könnte. Die Idee ist auch schon dem US-Auslandsgeheimdienst CIA gekommen.

Ablenken vom Banken-Crash

Markus Miller, Experte für Kryptowährungen, hält die Einführung des Krypto-Rubels dagegen für ein Hirngespinst. In Wahrheit gehe es um etwas ganz anderes. "Es ist eine Nebelkerze, um von gravierenden Problemen im russischen Bankensystem abzulenken", sagt der Initiator des Informationsdienstes für Kryptowährungen und Fintech krypto-x.biz n-tv.de.

Moskau kämpft außen- und innenpolitisch mit vielen Problemen. Da sind die Sanktionen wegen der Krim-Annexion, der Währungsverfall, der niedrige Ölpreis - und eben die Schieflage im Bankensystem. Seit 2013 - also deutlich nach den Auswirkungen der Finanzkrise - wurden 338 Banken geschlossen. Von den Medien fast unbemerkt wurde Mitte Juli eines der größten Finanzinstitute, die Jurga Bank, unter staatliche Aufsicht gestellt. Es ist der größte Versicherungsfall in der russischen Finanzgeschichte. Die Notenbank in Moskau muss ihre Banken mit massiven geldpolitischen Eingriffen stützen, um einen Systemkollaps zu verhindern.

Der kontinuierliche Aufbau der russischen Goldreserven in den vergangenen Jahren passt für den Experten ebenfalls ins Bild. Russland bereitet sich offenbar auf schlechte Zeiten vor. Seit dem Ausbruch der Ukrainekrise sind die Goldkäufe sprunghaft angestiegen. Im Februar stockte die Moskauer Zentralbank die Reserven um weitere 9,3 Tonnen auf. Der Bestand ist mit 1650 Tonnen so hoch wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr. Gleichzeitig sind die Käufe von Staatsanleihen geschrumpft. In Zeiten wackeliger Bankbilanzen und geopolitischer Turbulenzen verleiht man kein Geld. Moskau geht auf Nummer sicher.

Russland versuche mit seiner Ankündigung, einen Krypto-Rubel zu schaffen, "in kommunistischer Manier technologische Leistungsstärke zu demonstrieren", sagt Miller. Putin bemühe sich, sich als Innovationsführer in Kryptowährungen zu präsentieren. Zuletzt schmückte er sich durch ein Treffen mit seinem Landsmann Vitalik Buterin, der heute in Singapur lebt. Mit 19 Jahren war dieser einer der führenden Köpfe der Bitcoin-Szene. Heute, mit 23, hat er mit Ethereum sein eigenes Cryptocoin-Projekt ins Leben gerufen. Das ist "Marketing", fährt der Experte fort. Sollte es weltweit zur Digitalisierung des Geldsystems durch Kryptowährungen der Notenbanken kommen, hofft Russland als technologisch führende Nation dazustehen.

Krypto-Rubel beschleunigt Kapitalflucht

Dabei ist dieser Krypto-Rubel, wie er im Ansatz geplant ist, gar keine richtige Kryptowährung. Er soll nicht "gemined" oder geschürft werden, auch eine Begrenzung der Menge wie beim Bitcoin ist nicht vorgesehen. Die wichtige, vertrauensbildende, dezentrale Software-Struktur ist ebenfalls nicht geplant. Stattdessen soll es eine Regulierung unter alleiniger Aufsicht des russischen Staates geben. Damit fehlt jegliche Unabhängigkeit, die Cryptocoins wie den Bitcoin so attraktiv und täglich akzeptierter machen. Moskau will die Kontrolle.

"Was soll das sein? Ein Zwangs-Rubel? Das widerspricht allen Gedanken eines freiheitlichen Marktgeldes. Der Bitcoin ist deshalb so erfolgreich, weil er dezentral und unabhängig ist", sagt Miller. Auch hohe Strafsteuern auf Gewinne, die Moskau erheben will, wenn Investoren nicht enthüllen, woher ihr Geld stammt, machen diesen Krypto-Rubel unattraktiv.

Die Bürger werden auf ausländische Plattformen ausweichen, prognostiziert Miller. Sie werden in Estland, Lettland, Litauen, nach Asien oder liberalen westlichen Staaten freie und unabhängige Cryptocoins wie den Bitcoin kaufen. Die grassierende Kapitalflucht werde so noch verschlimmert. Vieles spricht dafür, dass es Moskau mit dem Krypto-Rubel nicht wirklich ernst ist. Dazu gehört auch der fehlende Zeitplan. "Einen Cryptocoin einzuführen, ist eine Herkules-Aufgabe. Eine Notenbank braucht dafür drei bis fünf Jahre", sagt der Spezialist für Cryptocoins. "Russland ist von einer erfolgversprechenden Krypto-Rubel-Einführung Lichtjahre entfernt!"

Quelle: ntv.de

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