Wirtschaft

Schulterschluss der Rüstungsriesen Waffenbauer fordern Euro-Drohne

"Sie muss nicht im kontrollierten Luftraum fliegen, sie fliegt durch ihn und dann über ihm": In Le Bourget präsentiert Cassidian diese Designstudie für ein künftiges europäisches Drohnenprojekt namens "MALE".

"Sie muss nicht im kontrollierten Luftraum fliegen, sie fliegt durch ihn und dann über ihm": In Le Bourget präsentiert Cassidian diese Designstudie für ein künftiges europäisches Drohnenprojekt namens "MALE".

(Foto: Cassidian)

In einem ungewöhnlichen Appell sprechen sich drei Rüstungsfirmen für den Start eines gemeinsamen europäischen Drohnen-Programms aus. Ziel des Gemeinschaftsprojekts ist "MALE" - ein einsatzfähiger Ersatz für den "Euro Hawk". EADS-Chef Enders zweifelt: "Je länger es dauert, desto dominanter werden die Amerikaner."

"Sie muss nicht im kontrollierten Luftraum fliegen, sie fliegt durch ihn und dann über ihm": EADS-Chef Thomas Enders kann die Aufregung in Deutschland nicht nachvollziehen.

"Sie muss nicht im kontrollierten Luftraum fliegen, sie fliegt durch ihn und dann über ihm": EADS-Chef Thomas Enders kann die Aufregung in Deutschland nicht nachvollziehen.

(Foto: dpa)

Die weltweite Aufrüstung in der unbemannten Luftfahrt sorgt in der europäischen Rüstungsindustrie offenbar zunehmend für Unruhe: Angesichts des "Euro Hawk"-Debakels in Deutschland wächst in der Branche im Vorfeld der Pariser Luftfahrtausstellung Le Bourget die Sorge, im internationalen Wettbewerb mangels offizieller Entwicklungsaufträge um Jahre hinter die US-Konkurrenz zurückzufallen.

Der Einsatz von Drohnen zur Überwachung und Aufklärung gilt als der derzeit wichtigste Zukunftstrend in der militärischen Luftfahrt. Durch unbemannte Fluggeräte könnten die Streitkräfte nicht nur ihre Reichweite und ihre Schlagkraft verbessern, sondern auch in nicht unerheblichem Maße Kosten sparen, argumentieren die Befürworter. Allgemein gilt: Drohnen sind billiger im Unterhalt und können in der Regel länger in der Luft bleiben als bemannte Kampfflugzeuge. Im Fall eines Abschuss sind die Maschinen überdies sehr viel leichter zu ersetzen als ein jahrelang ausgebildeter Pilot.

Vor diesem Hintergrund haben sich nun drei europäische Rüstungsunternehmen auf einen gemeinsamen Appell an die "politischen Entscheidungsträger" geeinigt, in dem sie den Start eines neuen europäischen Drohnenprogramms fordern. Beteiligt an dem Aufruf sind die EADS-Verteidigungssparte Cassidian, der französische Kampfjet-Hersteller Dassault Aviation und Alenia Aermacchi, die Flugzeugsparte des italienischen Rüstungsriesen Finmeccanica.

Den drei Herstellern geht es dabei vor allem um unbemannte Flugsysteme "mit mittlerer Flughöhe und großer Flugdauer" (Medium Altitude Long Endurance Unmanned Aerial Systems, kurz: MALE UAS). Ein solches Gemeinschaftsvorhaben würde "ein kritisches Fähigkeitsdefizit der europäischen Streitkräfte ausgleichen", teilten die Unternehmen mit. Zugleich würde eine solche "MALE"-Drohne "die angespannten Budgets der Verteidigungsministerien durch ein Pooling von Forschungs- und Entwicklungsmitteln entlasten".

Indirekt geht der Aufruf dabei auch auf die "Euro Hawk"-Problematik in Deutschland ein. Dort war das Drohnenprojekt für die Bundeswehr im Wesentlichen an Fragen der Zulassung bei der Flugaufsicht und einer drohenden Kostenexplosion gescheitert. "Ein gemeinsames Entwicklungsprogramm berücksichtigt die sensiblen Zertifizierungsanforderungen unbemannter Flugsysteme für den sicheren Betrieb im europäischen Luftraum von Anfang an im Programm", heißt es dazu in dem Appell.

Außerdem würde ein solches MALE-Programm "Europas Souveränität und Unabhängigkeit im Bereich Informations- und Aufklärungsmanagement gewährleisten und gleichzeitig ein robustes, gegen Cyber-Angriffe geschütztes System bieten". Das Programm würde darüber hinaus "Entwicklungen im Hightech-Bereich" fördern und zur "Erhaltung von Kernkompetenzen und Arbeitsplätzen in Europa beitragen".

Für das "Euro Hawk"-Projekt hatte EADS die Aufklärungstechnik entwickelt. Die Maschine selbst sollte vom US-Konzern Northrop Grumman gestellt werden. Bei der US-Luftwaffe ist dieser Drohnentyp seit Jahren als "Global Hawk" im Einsatz. Details der Steuerung und andere militärisch bedeutsame Fragen behandeln Hersteller und US-Verteidigungsministerium als Verschlusssache. Ähnlich wie im Umgang mit dem satellitengestützten Navigationssystem GPS wäre im Ernstfall auch eine Abschaltung der Drohnentechnik durch Washington jederzeit möglich. Um ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zu wahren, investieren die Europäer seit Jahren Milliardensummen in den Aufbau eines eigenen Navigationssystems namens Galileo.

Noch bevor es überhaupt irgendeine Art von Zusage für ein neues gemeinsames Drohnenprojekt gibt, zeigen sich die drei am Male-Aufruf beteiligten Rüstungsunternehmen zur Zusammenarbeit fest entschlossen: "Cassidian, Dassault Aviation und Finmeccanica Alenia Aermacchi erklären ihre Bereitschaft zur Kooperation für dieses UAV-Entwicklungsprogramm, das die Sicherheitsbedürfnisse der europäischen Regierungen und Streitkräfte erfüllt", heißt es in der Mitteilung abschließend.

Mit diesem Vorstoß auf dem Gebiet der Drohnentechnik steht Cassidian nicht ganz im Einklang mit der Konzernspitze. EADS-Chef Thomas Enders hatte zuletzt selbst scharfe Kritik an der deutschen "Euro Hawk"-Debatte geübt und zugleich angedroht, künftig keine Konzerngelder mehr in die Entwicklung von Drohnen zu investieren.

Es sei absurd, dass sich die Diskussion in Deutschland ausschließlich darum drehe, was Verteidigungsminister Thomas de Maizière wann gewusst habe, sagte der Vorstandsvorsitzende des europäischen Luftfahrt- und Rüstungsunternehmens. Warum das unbemannte Flugzeug "Euro Hawk" in Deutschland keine Zulassung bekommen sollte, könne er nicht nachvollziehen. Bei den ersten Tests mit der Technik vor zehn Jahren in Nordholz hätten die deutschen Flugaufsichtsbehörden keinerlei Sorgen geäußert.

"Warum ist das in Deutschland nicht möglich?"

Der Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Aufklärungsdrohne Euro Hawk wird Ende Juni eingesetzt. Die Bundestagsfraktionen einigten sich Mitte vergangener Woche darauf, dass die Opposition den Ausschuss erst in der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause beantragen wird. Der Ausschuss soll aus Sicht der Opposition vor allem klären, wann de Maiziere vom Scheitern des Projekts erfahren hat und ob das Ministerium trotz dieses Wissens über Monate die weitere Finanzierung betrieben hat.

"Sie muss nicht im kontrollierten Luftraum fliegen, sie fliegt durch ihn und dann über ihm", kritisierte Enders das Aus für das Projekt. "Es braucht vielleicht 15 Minuten und dann ist man auf 45.000 Fuß (13,7 Kilometern)", beschrieb der Luftfahrt-Fachmann die Fähigkeiten der umstrittenen Drohne. "Anschließend fliegen sie auf einer Höhe von 60.000 bis 65.000 Fuß nach Afghanistan. Sie belästigen niemand. Warum in aller Welt ist das in Deutschland nicht möglich?"

Enders betonte, angesichts der Debatte keine EADS-Mittel mehr für die Entwicklung von Drohnen ausgeben zu wollen. Nach Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe müsse es Regierungsaufträge geben, sonst gehe es nicht weiter. "Wir haben bereits zehn Jahre verloren", sagte Enders mit Blick auf die Zurückhaltung der Regierungen.

"Je länger es dauert, desto dominanter werden die Amerikaner auf dem Markt werden. Je schwieriger wird es werden, aufzuholen." Derzeit erwarte er eher eine französisch-britische Kooperation als eine deutsche oder europäische Initiative, sagte Enders - offenbar in Unkenntnis der Absprachen zwischen Cassidian, Dassault und Finmeccanica.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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