Wirtschaft

Konjunkturrisiko Volkswagen? VW-Skandal gefährdet Arbeitsplätze

Einseitig auf den Automobilbau ausgerichtet? Bundeskanzlerin Merkel am VW-Stand auf der IAA.

Einseitig auf den Automobilbau ausgerichtet? Bundeskanzlerin Merkel am VW-Stand auf der IAA.

(Foto: REUTERS)

Der Schwindel bei den Diesel-Abgaswerten in den USA betrifft womöglich sehr viel mehr als nur den Autobau: Mittlerweile fürchtet die gesamte Exportwirtschaft um den guten Ruf von Produkten "Made in Germany".

Wie schwer wird der VW-Skandal die deutsche Wirtschaft treffen? Nach dem Eingeständnis des Wolfsburger Autoherstellers, in den USA bewusst Abgasuntersuchungen bei Diesel-Fahrzeugen manipuliert zu haben, herrscht in weiten Teilen der Industrie pure Sprachlosigkeit. Wie konnte das geschehen?

Die Schockstarre hat einen guten Grund: Der Autohersteller Volkswagen zählt zu den wichtigsten Aushängeschildern der Exportwirtschaft und stand bislang weltweit im Ruf, beispielhaft für Ingenieurskunst und deutsche Wertarbeit zu sein.

Entsprechend wortkarg fallen die ersten Reaktionen aus: Egal, ob beim Industrieverband BDI, dem deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) oder beim Handelsverband BGA - zunächst will sich kaum jemand öffentlich zu dem Skandal äußern. Nur hinter vorgehaltener Hand ist bei dem einen oder anderen Wirtschaftsvertreter von einem "Image-GAU" für die so stark auf den Export ausgerichtete deutsche Autoindustrie die Rede.

Noch ist vollkommen unklar, wie groß die Konsequenzen für VW ausfallen. An der Börse griffen dennoch bereits Spekulationen um sich, Volkswagen könnte mit den softwarebasierten Tricksereien bei der Abgasuntersuchung der gesamten Diesel-Technologie aus Deutschland - zumindest in den USA - eine Art Todesstoß versetzt haben. "Das Gütesiegel 'Made in Germany' insgesamt hat kräftige Kratzer bekommen", klagte ein führender Wirtschaftsvertreter.

Es geht um das Vertrauen

Konjunkturexperten befürchten durch die Affäre gravierende Folgen für die deutsche Wirtschaft. Der Verlust von Arbeitsplätzen sei möglich, heißt es. "Der Imageschaden wird VW nicht nur in den USA, sondern auch global teuer zu stehen kommen", sagte zum Beispiel der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Damit seien auch Jobs bei VW und vielen Zulieferern in Deutschland gefährdet. Die möglichen Strafzahlungen für VW seien "noch das geringste der Probleme".

Der seit Jahrzehnten andauernde Erfolg der Exportnation Deutschland beruhe nämlich nicht auf billigen Preisen, er beruhe auf Qualität, sagt der DIW-Chef. Genau das mache "Made in Germany" aus. "Die VW-Affäre könnte somit nicht nur VW, sondern auch viele andere deutsche Exporteure treffen und das Vertrauen in Produkte 'Made in Germany' schwächen."

"VW steht für 'Made in Germany'"

Der VW-Skandal könnte damit Deutschland an einer der verwundbarsten Stellen treffen. Seit langem warnen Experten, darunter auch der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die hohe Exportabhängigkeit Deutschlands samt der einseitigen Ausrichtung auf die Automobilindustrie erhebliche Risiken berge. Die großen Hersteller und ihre Zulieferer stehen in Deutschland für mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze - Stellen, die gefährdet sind, wenn es dem Autobau insgesamt schlecht gehen sollte.

Dadurch wird klar: Wenn deutsche Produkte in der Welt ihren guten Ruf verlieren, dann könnte das über Effekte am Arbeitsmarkt die gesamte deutsche Wirtschaft treffen. Vor diesem Hintergrund ließ Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereits die Sorge erkennen, dass sich die VW-Verfehlung zu einem Problem weit über den Wolfsburger Konzern hinaus auswachsen könnte.

"Dass wir Sorgen haben, dass der berechtigte, exzellente Ruf der deutschen Automobilindustrie und insbesondere Volkswagens darunter leidet, das können Sie sicherlich verstehen", sagte Gabriel mit Blick auf die VW-Affäre. Er betonte allerdings, dass er nicht mit einem dauerhaften Schaden für die deutsche Industrie rechne. Doch Volkswagen ist kein Konzern wie jeder andere: Das Land Niedersachsen ist mit einer breiten Sperrminorität an der Wolfsburger AG beteiligt.

Auch symbolisch und historisch verfügt VW über Gewicht: "VW steht wie kaum ein zweites Unternehmen für Produkte 'Made in Germany' - nämlich für Perfektion, Zuverlässigkeit und Vertrauen", beschrieb DIW-Chef Fratzscher die Rolle des Unternehmens. Der Autobauer, der bis in die 1970er Jahre den schier endlos laufenden "Käfer" - und später den "Golf" - auf die Straßen der Welt brachte, sei eine Institution und stehe seit langem für Deutschland.

"Made in Germany" wichtigster Standortfaktor

Es ist noch nicht allzu langer her, da befasste sich der Industrieverband BDI mit der Außenwirkung der deutschen Industrie. In einer Umfrage Anfang vergangenen Jahres erklärten 84 Prozent der befragten Unternehmen, für sie sei dieses Gütesiegel für deutsche Produkte der wichtigste Standortfaktor Deutschlands.

Volkswagen allerdings steht nicht nur für das "Made in Germany", der Name zählt selbst als Marke zu dem wertvollsten, was die deutsche Wirtschaft zu bieten hat. So ist der Konzern auch Mitglied des Markenverbandes, der die meisten der großen Namen umfasst, mit denen Deutschland in der Welt seit Jahrzehnten erfolgreich ist: Die Liste reicht von A wie Alete über O wie Osram bis W wie Warsteiner.

"Marke ist Verantwortung", prangt auf der Selbstdarstellung des Markenverbandes. "Marken haben seit mehr als 100 Jahren einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung", heißt es selbstbewusst. Durch professionelle Pflege der Marke "gewinnt der jeweilige Anbieter einen Wettbewerbsvorteil" und erhöhe den Wert des Unternehmens. Für die Konzernspitze in Wolfsburg müssen diese Feststellungen mittlerweile wie Hohn klingen.

Erinnerungen an das Audi-Problem

Welche Folgen der VW-Skandal konkret haben kann, könnte die VW-Führung in der eigenen Konzerngeschichte nachblättern. In den 80er Jahren gab es bei der Tochter Audi in den USA ein vermeintliches technisches Problem mit dem Begriff "unintended acceleration" - unbeabsichtigte Beschleunigung.

Auch wenn kein Fehler gefunden wurde - der Audi-Absatz in den USA brach damals dramatisch ein und erholte sich bis weit in die 90er Jahre nur wenig. Das Imageproblem währte Jahre. Ähnlich, so fürchten Branchenbeobachter, könnte es nun auch der Marke VW ergehen.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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