Wirtschaft

Erst Übernahme, dann Zerschlagung? Volkswagen beschaut sich Fiat

Europas größter Autobauer soll Interesse an einer Übernahme von Fiat haben. Die Italiener wollen sich angeblich auf die Sportwagenmarke Ferrari konzentrieren. Für Volkswagen wäre der Deal eine Mammutaufgabe - und Lösung des US-Problems

Der Volkswagen-Konzern lotet laut einem Magazinbericht eine Übernahme oder Teilübernahme des italienisch-amerikanischen Konkurrenten Fiat Chrysler aus. Weder VW noch Fiat wollten sich dazu äußern. Auf Großaktionärsebene fänden Gespräche über eine Übernahme von Fiat Chrysler statt, schreibt das "Manager Magazin". In einer Integration von Chrysler sehe Volkswagen einen möglichen Lösungsansatz für die eigenen US-Probleme. n-tv.de-Autoexperte Helmut Becker sprach in einer ersten Reaktion einem verständlichen Interesse. Die VW-Aktie reagierte zunächst mit Kursverlusten, das Fiat-Papier stieg.

Gespräche soll es laut dem Magazin zwischen Volkswagen-Großaktionär Ferdinand Piëch, den Familien Elkann und Agnelli als Fiat-Haupteigner sowie deren Unterhändlern gegeben haben. Die Preisvorstellungen lägen aber noch deutlich auseinander.

VW verfügte zuletzt zwar über liquide Mittel von knapp 18 Milliarden Euro. Konzernchef Martin Winterkorn hatte allerdings unlängst deutlich gemacht, dass er das Geld zusammenhalten will. "Wir haben genug damit zu tun, die Integration von Scania voranzubringen", sagte er unlängst. Zudem hatte es jüngst Spekulationen gegeben, wonach sich Volkswagen absehbar mit einem Nutzfahrzeug-Zukauf in den USA stärken wolle. Der Ex-VW-Manager und heutige Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard hatte diese Gerüchte Anfang des Monats angeheizt. - VW dementierte.

Kein Stich in den USA

Die Italiener würden sich künftig gern auf die Sportwagenmarke Ferrari konzentrieren, zitiert das Blatt aus Konzernkreisen. Sie wollten sich fast komplett aus dem Automobilgeschäft zurückziehen. Volkswagen habe in der Vergangenheit wiederholt Interesse an den Fiat-Marken Alfa Romeo und Ferrari signalisiert. Inzwischen gehe es in den Gesprächen jedoch vor allem um Chrysler. Fiat hatte Chrysler erst im Januar komplett übernommen.

Volkswagen hat große Probleme, VW-Modelle in den USA erfolgreich zu vermarkten. Die Niedersachsen verlieren mit ihrer Kernmarke VW-Pkw seit 15 Monaten in Folge an Boden in den USA, obwohl der Markt insgesamt wächst. Die Konzernspitze erhoffe sich von einer Chrysler-Übernahme eine Lösung der VW-Probleme in Nordamerika, hieß es. So könne VW unter anderem von Chryslers engmaschigem Händlernetz sowie von den erfolgreichen Geländewagen und Pick-ups der Amerikaner profitieren.

Experte: Mit Alfa Romeo wird BMW angegriffen

Becker verwies darauf, dass Volkswagen mit einer Übernahme endlich den Fuß in den amerikanischen Markt bekäme. Zugleich würde sich mit dem dann zum Konzern gehörenden Fiat 500 und der Kooperation mit TATA Motors aus Indien "die Tür nach Indien und generell in den Kleinwagenmarkt im Süden öffnen". Mit der Marke Alfa Romeo hätte Europas größter Autobauer endlich einen "ernsthaften sportlichen Wettbewerber mit südlichem Flair zu BMW". Denn vor allem die Münchner wolle Piech nachhaltig schwächen, "das hat schon die Übernahme der italienischen Motorradmarke Ducati offen erkennen lassen".

Einer Einigung stünden jedoch noch diverse Hindernisse entgegen, heiße es in den Konzernkreisen weiter. So lägen die Preisvorstellungen noch deutlich auseinander. Zudem verfolge Fiat-Chef Sergio Marchionne parallel andere strategische Optionen. Und schließlich erwäge die Volkswagen-Spitze nach den Käufen von Scania und MAN mittelfristig auch Übernahmen weiterer Lkw-Hersteller. Alles gleichzeitig sei jedoch kaum finanzierbar, berichten Topmanager.

Skepsis am Markt

Für "wenig glaubwürdig und sinnvoll" hält ein Analyst in einer ersten Einschätzung den Bericht. "Das ist ziemlicher Blödsinn. Man hat schon soviele Baustellen im VW-Konzern", sagt der Analyst. Dort gehe es vor allem darum, die Allianzen im Nutzfahrzeugbereich voranzubringen. Zudem stieße der VW-Konzern mit einer derartigen Übernahme an die Grenzen seiner Ressourcen vor: "Das gilt nicht nur für die Finanzierung einer Übernahme, sondern auch die Managementressourcen", sagte der Analyst.

Gleichzeitig stelle sich die Frage, wie sinnvoll eine Vereinigung mit Chrysler sei, um Volkswagens gegenwärtige US-Probleme zu beheben: "Man hätte nur eine neue Marke gekauft". Die Modelle von Chrysler seien aber am US-Markt auch nicht so beliebt, um das Problem der US-Präsenz von VW zu lösen.

Quelle: ntv.de, kst/bad/DJ/rts/dpa

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