Wirtschaft

Minister geht im Streit Ukrainische Wirtschaft ächzt

Eine Straßenverkäuferin vor einem Laden mit Schrapnell-Spuren in der ost-ukrainischen Stadt Slawjansk.

Eine Straßenverkäuferin vor einem Laden mit Schrapnell-Spuren in der ost-ukrainischen Stadt Slawjansk.

(Foto: REUTERS)

Seit mehr als zwei Jahren befindet sich die Ukraine in der Rezession. Der Krieg verschlimmert den Zustand der Wirtschaft noch. Nun geht Wirtschaftsminister Scheremeta von Bord. Er stellt in ökonomischer Hinsicht sogar die Systemfrage.

Inmitten des Ukraine-Konflikts ist erneut ein Mitglied der Kiewer Regierung zurückgetreten. "Anstatt das System von gestern zu bekämpfen, habe ich mich dafür entschieden, mit Leuten zu arbeiten, die das System von morgen schaffen wollen", erklärte Wirtschaftsminister Pawlo Scheremeta bei Facebook.

Scheremeta lag zuletzt mit Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Konflikt. Am Montag war bereits die Antikorruptionsbeauftragte der ukrainischen Regierung, die Journalistin Tetjana Schornowil, im Streit zurückgetreten.

Scheremeta sagte, die Regierung habe eine "rote Linie" überschritten, als sie gegen seinen Widerstand einen Handelsbeauftragten nominierte, obwohl dieser dem Wirtschaftsministerium untersteht. Das Parlament muss dem Rücktritt des Ministers noch zustimmen. Am Mittwoch hatte Jazenjuk anlässlich einer Kabinettssitzung Scheremata harsch kritisiert: "Ich bin nicht zufrieden mit der Geschwindigkeit und dem Umfang der Reformen", sagte der Regierungschef.

Krieg im Osten befördert Niedergang

Die Ukraine steckt seit mehr als zwei Jahren beinahe ununterbrochenen in einer Rezession. Der Konflikt mit Russland setzt der ukrainischen Wirtschaft schwer zu. Ministerpräsident Jazenjuk sagte so deutlich wie nie, dass der Rebellenaufstand im Osten des Landes langfristige wirtschaftliche Schäden verursache und dringend benötigte Reformen blockiere. Die Ukraine "verliert täglich an wirtschaftlichem Potenzial", so Jazenjuk. Der Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur könnte Milliarden Dollar kosten.

Der studierte Volkswirt hatte im Juli seinen Rücktritt angedroht, weil die Wirtschaftsreformen in seinem Land nur langsam vorangehen. Jazenuk beschuldigt die von Russland unterstützten Aufständischen, gezielt ukrainische Infrastruktur - etwa Bergwerke, Elektrizitätswerke und Schienennetze - zu beschießen. "Es ist klar, dass das eine geplante Aktion ist, um uns wirtschaftlich zu erwürgen", sagte er bei einer Kabinettssitzung.

Russland dementiert bisher die Vorwürfe des Westens, dass es Kämpfer und Waffen in den Osten der Ukraine schicke, um die Aufständischen zu stärken. Die Rebellen selbst machen Kiew für die Bombardierung verantwortlich, die zahlreiche Städte in der industriereichen Ostukraine schwer beschädigt hat.

Ukraine fordert Hilfe vom Westen

Angesichts der Finanznot im Land hat der ukrainische Finanzminister Alexander Schlapak den Internationalen Währungsfonds (IWF) gebeten, die letzte von drei Kreditzahlungen von insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar früher zu zahlen als abgemacht. Jazenjuk rechnet mit einer Entscheidung des IWF-Direktoriums am 29. August. Es geht um eine Finanztranche von 1,4 Milliarden Dollar.

Der IWF fordert von der ukrainischen Regierung, den Erdgaspreis für Haushalte zu erhöhen. Außerdem soll die Ukraine aufhören, mit Interventionen am Devisenmarkt den Kurs der Landeswährung Hrywnja zu stützen. Doch die Militäroperation im Osten kostet die Regierung viel Geld und der Konflikt mit den Rebellen verzögert laut Jazenjuk die geplanten Reformen.

"Solange sich die Sicherheitslage nicht stabilisiert, scheint es wahrscheinlich, dass eine weitere Abwertung der Hrywnja bevorsteht. Und eine schwächere Währung bereitet der Regierung zusätzliche Probleme, indem sie vermutlich die Inflation anschiebt, die Rezession vertieft und noch mehr Druck auf Banken und Staatsfinanzen erzeugt", sagt Timothy Ash, ein Analyst bei der Standard Bank.

Trotz eines erneuten diplomatischen Vorstoßes zur Lösung des seit vier Monaten tobenden Konflikts gehen die Kämpfe zwischen ukrainischen Soldaten und prorussischen Separatisten weiter. Kommenden Dienstag will der russische Präsident Wladimir Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Spitzenpolitikern der Europäischen Union zusammentreffen, um über die Lage zu beraten. Vertreter der Ukraine und des Westens hoffen auf Fortschritte bei diesem Treffen.

Quelle: ntv.de, ddi/DJ/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen