Wirtschaft

Firmen auf Einkaufstour Übernahmewelle rollt

"Manche Deals haben sich seit langem abgezeichnet."

"Manche Deals haben sich seit langem abgezeichnet."

(Foto: dpa)

Die Zahl der Mega-Deals häufen sich. Binnen weniger Tage kündigen deutsche Großkonzerne Übernahmen für insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro an. Dabei sind es nicht nur die niedrigen Zinsen, die die Kauflust der Firmen entfacht hat.

Es wirkte wie ein Domino-Effekt: Binnen weniger Tage überschlugen sich deutsche Konzerne in den vergangenen beiden Wochen mit Übernahmeangeboten. Der Pharma-Konzern Merck will 13 Milliarden Euro für einen Laborausrüster locker machen. ZF Friedrichshafen verleibt sich den US-Konkurrenten TRW für 9,5 Milliarden Euro ein. SAP wagte sich mit einem ähnlich Preis von 6,5 Milliarden Euro an den größten Zukauf seiner Firmengeschichte, den US-Softwareanbieter Concur. Siemens legte für den Energiespezialisten Dresser-Rand umgerechnet knapp sechs Milliarden Euro auf den Tisch - und der Technik-Konzern Bosch will für rund vier Milliarden Euro die Joint Ventures Bosch Siemens Hausgeräte und ZF Lenksysteme komplett unter seine Kontrolle bringen.

Solange die Krisen in der Welt sich nicht verschärfen, könnte es erst einmal so weiter gehen, sind sich Experten einig. Das historisch niedrige Zinsniveau sei mitverantwortlich für die Kauflaune der deutschen Dax-Konzerne. So sicherte sich SAP für die Concur-Übernahme eine Kreditlinie über sieben Milliarden Euro. Doch das billige Geld ist nicht allein die Ursache für die spendierfreudigen Firmen. "Die Cash-Bestände der Dax-Konzern sind seit 2011 deutlich angestiegen", sagt Matthias Brauer, Professor am Lehrstuhl für strategisches Management an der Universität Mannheim. Bosch beispielsweise verfügt nach eigenen Angaben über eine bilanzielle Liquidität von 14 Milliarden Euro. Das gleiche gelte für die Fonds von Finanzinvestoren.

Neuordnung der Geschäftsbereiche

Hinzu komme die immer noch vergleichsweise gute Stimmung in der Wirtschaft. "Die aktuelle Zuversicht in den Unternehmen, die wir trotz der Eintrübung des Geschäftsklima-Index sehen, ist ein entscheidender Faktor", sagt Brauer. "Das ruft ein Imitationsverhalten hervor." Gleichzeitig hat sich in der Zeit nach der Finanzkrise eine Art Investitionsstau gebildet. Jahrelang trauten sich die Firmen wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit nicht an Zukäufe heran. "Nach der Finanzkrise gibt es eine gewisse Häufung von verschobenen oder verpassten Übernahmen", sagt Professor Marc Eulerich am Lehrstuhl für interne Revision an der Universität Duisburg-Essen. "Manche Deals haben sich seit langem abgezeichnet."

Dazu gehört der Verkauf des US-Zulieferer TRW, der seit 2003 in der Hand des Finanzinvestors Blackstone war. "Finanzinvestoren hatten erhebliche Probleme in der Finanzkrise", sagt Christian Schulz, Leiter der M&A-Beratung bei Ernst & Young. "Jetzt können sie ihre Beteiligungen verkaufen."

Doch auch Konzerne ordnen ihre Geschäftsbereiche neu und stoßen Randbereiche ab. Bayer kündigte vergangene Woche die Abspaltung der Kunststoffsparte an. Philips trennt sich von seinem Beleuchtungsgeschäft. Stattdessen investieren die Konzerne in neue Geschäftsfelder - ZF Friedrichshafen steigt mit TRW ins Geschäft mit Elektronik und Sicherheitstechnik im Auto ein. "Eine Investition muss strategisch sinnvoll sein, damit eine Übernahme erfolgreich ist", sagt  Eulerich. Dabei sind die Firmen aktuell nicht einmal besonders günstig.

Kein Ausrollen der Übernahmewelle

SAP zahlt 20 Prozent Aufschlag auf jede Concur-Aktie, auch der Dresser-Rand-Deal und Mercks Zukauf in den USA wurden an der Börse als teuer eingeschätzt. "Vor 12 bis 18 Monaten war das Preisniveau noch ausgeglichen", sagt Christian Schulz. "Jetzt ziehen die Preise an." Allerdings seien die Bewertungen aktuell noch weniger übertrieben als vor der Finanzkrise, sagt Leif Zierz, Leiter des Bereichs Transaktionen und Restrukturierung bei KPMG.

Ein Ausrollen der Übernahmewelle ist kurzfristig nicht abzusehen. Nach Zierz' Einschätzung sollte sich der Trend im zweiten Halbjahr bei Übernahmen aller Größenordnung noch fortsetzen. Ernst & Young-Experte Schulz geht sogar davon aus, dass das günstige Zeitfenster bis ins erste Quartal 2015 anhalten könnte. "Im Moment überwiegen die Vorteile die Nachteile", sagt er.

Quelle: ntv.de, Annika Graf, dpa

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