Wirtschaft

Lukrative Extras So kassieren Airlines bei ihren Kunden

Standard-Paket oder bequeme Extras? Billigflieger wie Easyjet setzten von Anfang an auf das Bausteinprinzip.

Standard-Paket oder bequeme Extras? Billigflieger wie Easyjet setzten von Anfang an auf das Bausteinprinzip.

(Foto: imago stock&people)

Mit dem reinen Ticketverkauf verdienen Fluglinien - wenn überhaupt – nur noch wenig. Ryanair, Easyjet und selbst traditionelle Anbieter wie Lufthansa werden immer kreativer, damit ihre Kunden möglichst viele Extras bezahlen.

Für 4,99 Euro von Hamburg nach Brüssel zu fliegen, klingt verlockend. Doch die meisten Passagiere haben mittlerweile gelernt, dass die Rechnung am Ende deutlich höher ausfällt. Wer heute auf das Ryanair-Angebot nach Brüssel klickt, bekommt einen ganzen Katalog an Zusatzangeboten aufgeblättert. Nur wer das konsequent ignoriert und asketisch beim reinen Ticketkauf bleibt, schließt die Buchung mit 5,09 Euro ab – mit 10 Cent Aufschlag für eine Zahlungsgebühr.

Aber viele Kunden buchen doch noch ein paar Extras dazu. Manche gezwungenermaßen etwa für Gepäckstücke (ab 12,80 Euro). Andere freiwillig mit Hoffnung auf etwas mehr Komfort etwa durch Sitzplatzreservierung (4 Euro) oder schnelleren Durchlauf beim Sicherheitscheck (4 Euro).

Bei Billigfiegern wie Ryanair und Easyjet gehörte das Bausteinprinzip zur Geschäftsstrategie seit sie vor gut 15 Jahren anfingen, den europäischen Luftverkehrsmarkt aufzumischen. Am Anfang setzten sie vor allem auf den Verkauf von Essen, Getränken, Duty-Free-Shop-Artikeln und Gewinnspielen an Bord. Doch mittlerweile werden die Angebote immer ausgefeilter: Im Branchenslang ist die Rede vom Pending Passenger (Sitzplatzreservierung für unentschlossene Mitflieger), den Branded Fares (Hinweis auf teurere Tarife mit mehr Service) und Remarketing (Erinnerungsnachrichten bei abgebrochenen Buchungsvorgängen). Auch traditionelle Fluggesellschaften wie Lufthansa, Swiss, Delta oder Qantas folgen dem Trend längst – mit zunehmendem Erfolg.

Zusatzgeschäfte retten die Bilanz

Einigen wie Air Berlin rettet das sogar die Bilanz. Denn für den Flug von A nach B bleiben einer Fluggesellschaft nach Abzug aller Kosten gerade mal vier Dollar (3,07 Euro) pro Passagier übrig – im Branchenschnitt. "Das ist weniger, als ein Sandwich in der Regel kostet", sagte Tony Tyler, Chef des internationalen Luftfahrtverbands IATA kürzlich beim Branchentreffen in Kapstadt. In dem extrem aufwändigen Geschäft sind die Kosten hoch, der Preiskampf ruinös, die Gewinnmargen mit 1,8 Prozent hauchdünn. Dabei ist die Nachfrage anhaltend hoch: Laut IATA-Prognosen wird in diesem Jahr die Rekordzahl von 3,1 Milliarden Fluggästen für prallgefüllte Flieger sorgen.

Wer die Kunden einmal angelockt hat, muss dafür sorgen, dass sie mehr Geld ausgeben. Das ist die Parole mit der die Airlines ganze Abteilungen, Berater und Innovationlabs beauftragen. Das funktioniert: 2007 stammte weltweit nur jeder zweihundertste Umsatz-Dollar aus solchen Zusatzgeschäften, 2015 war es schon jeder zwanzigste. Auch in diesem Jahr dürfte der Anteil deutlich wachsen, schätzt die IATA. Gut 40 Mrd. Dollar haben allein die bei diesen Kniffs führenden 67 Airlines weltweit im vergangenen Jahr an Extraeinnahmen verbucht. Das hat die US-Beratung Idea Works berechnet, die seit Jahren auf Kundenbindungs- und Marketingentwicklungen spezialisiert ist. In ihrem jährlichen Report ("Top Merchandising Innovations to Delight Air Travelers and Boost Profits") hat die Agentur vor wenigen Tagen die neusten Trends für lukrative Zusatzgeschäfte beschrieben:

PENDING PASSENGER: Die spanische Billigfluglinie Vueling gilt als Erfinder dieses neuen Services. Für zwei Euro Gebühr kann der Nebensitz für 72 Stunden geblockt werden und dann von einem noch unentschlossenen Begleiter belegt werden. Für eine Gruppe von bis zu acht Mitreisenden kann so ein ganzer Sitzplatzblock reserviert werden.

BRANDED FARES: Die Lufthansa-Gruppe setzt stark auf diese Methode. Den Kunden werden bei der Online-Flugsuche in den Ergebnissen verschiedene Pakete angeboten. Neben dem günstigsten Tarif ohne jeden Schnickschnack wird auf die nächsthöheren Tarife hingewiesen samt der dazugehörigen Annehmlichkeiten (gratis Gepäckaufgabe, Snacks, etc). Der Lufthansa-Billigableger Eurowings habe auf diese Weise laut Idea-Works-Studie im ersten Quartal 2016 bis zu 45 Prozent der Reisenden dazu animiert, im Buchungsprozess vom günstigsten "Basic"-Tarif auf einen höheren Tarif ("Smart" oder "Best") zu wechseln. Die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines habe so die Umsätze um 30 Prozent gesteigert.

REMARKETING: Die britische Fluggesellschaft Virgin Atlantic heftet sich hartnäckig an potentielle Kunden. Mit dem sogenannten Remarketing verfolgt sie Interessenten, die eine Online-Buchung abgebrochen haben und sendet eine Erinnungsnachricht per Email. Darin wird darauf hingewiesen, dass der Buchungsvorgang jederzeit wieder aufgenommen werden kann mit den gespeicherten Angaben. 59 Prozent der Interessenten öffneten diese Nachricht und die Online-Verkäufe von Virgin Atlantic verbesserten sich laut Idea-Works-Studie um fünf Prozent.

ERFOLG DURCH INNOVATIVE ANGEBOTE: Kunden kaufen offenbar nicht nur die billigsten Tickets, sondern sind durchaus offen, mehr Geld auszugeben. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen. Die Digitalisierung hilft auch in diesem Fall mit ausgefeilteren Systemen innovative Angebote zuzuschneiden.

Wie erfolgreich die herkömmlichen Maßnahmen schon sind, zählt die Marketingberatung Idea Works in ihrem letzten Jahresbericht auf:

United Airlines: Die große US-Traditionsgesellschaft hat im vergangenen Jahr 6,2 Mrd. Dollar Zusatzerlöse bilanziert.

Wizz Air: Der ungarische Billigflieger hat 36,4 Prozent seiner Einnahmen über Zusatzerlöse generiert.

Spirit Airlines: Die US-Billigairline hat im Durchschnitt 51,80 Dollar pro Passagier an Zusatzerlösen eingenommen – insgesamt 43,4 Prozent seines Gesamtumsatzes.

Delta: Die US-Airline hat allein durch ihr Angebot für einen besseren Sitzplatz ("Comfort+") im vierten Quartal 2015 zusätzlich 125 Mio. Dollar eingenommen.

Wie wichtig die Zusatzerlöse in den Bilanzen der Airlines sind, zeigt diese kurze Capital-Übersicht:

Air Berlin hat in einem insgesamt miserablen dritten Quartal 2016 (Umsatz: - 5 Prozent, operativer Verlust 17,3 Mio. Euro) immerhin die Zusatzerlöse um 21 Prozent auf 6,72 Euro pro Fluggast steigern können.

Ryanair hat im ersten Halbjahr 2016 (bis Ende September) die Zusatzerlöse (bei Ryanair als Ancillary Revenues ausgewiesen) um 11 Prozent auf 889 Mio Euro verbessert. Der Ticketverkauf ist knapp vier Mal so hoch. Das Ryanair-Management setzt große Hoffnungen auf seine Technologie-Labs in denen an neuen digitalen Anwendungen getüftelt wird. Mit deren Hilfe sollen die Zusatzerlöse in den nächsten vier Jahren auf 30 Prozent der Umsätze erhöht werden.

Easyjet hat mit dem reinen Ticketverkauf im Gesamtjahr 2016 (bis Ende September) nur noch 58,46 Pfund pro Sitzplatz erlöst, während es im Vorjahr noch 62,48 Pfund waren. Gleichzeitig stiegen aber die Zusatzerlöse (bei Easyjet als "Non-Seat Revenue" ausgewiesen) um 17 Prozent auf 1,03 Pfund pro Sitz, was mit einem Gesamtvolumen von 80 Mio. Pfund noch vergleichsweise bescheiden ist. Doch auch Easyjet will hier weiter aufholen.

Dieser Text erschien zunächst bei Capital.

Quelle: ntv.de

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