Wirtschaft

Neuer Kahlschlag bei Siemens Kaeser steht unter Druck

Für die Siemens-Mitarbeiter ist die Ankündigung ein Schock: Konzern-Chef Kaeser will allein in Deutschland noch einmal 2200 Jobs streichen. Sorgen bereitet die Energiesparte. Nicht nur am Berliner Standort beginnt das Zittern. War es das jetzt?

Es ist nicht die erste Hiobsbotschaft für die Siemens-Mitarbeiter - möglicherweise auch nicht die letzte. Wie der Konzern mitteilt, werden noch einmal 4500 Stellen abgebaut, 2200 davon in Deutschland. Der Konzernumbau unter Joe Kaeser geht damit unvermindert weiter. Insgesamt sind der Umstrukturierung seit der Ablösung von Peter Löscher vor zwei Jahren bereits über 13.000 Stellen zum Opfer gefallen - allein in Deutschland fielen 5100 Jobs weg.

Für Joe Kaeser ist der strukturelle Umbau des Unternehmens in der Hauptsache abgeschlossen.

Für Joe Kaeser ist der strukturelle Umbau des Unternehmens in der Hauptsache abgeschlossen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Welche Bereiche betroffen sind, ist noch unklar. Aber das Sorgenkind von Siemens ist der Energiebereich. Allein in der Division Power and Gas - die mit milliardenschweren Übernahmen, wie zuletzt dem Öl-und Gasindustrie-Zulieferer Dresser Rand gestärkt worden war - schrumpfte das operative Ergebnis um 34 Prozent. Der Kauf von Dresser-Rand war völlig überteuert und die Nachfrage der Kunden sinkt. Unverändert unprofitabel ist auch die Division Wind Power and Renewables.

Siemens kämpft im Stromerzeugungsgeschäft mit einem schwierigen Marktumfeld mit Preisverfall und einer Nachfrageflaute bei großen Gasturbinen. Für das Energiegeschäft hatte der Konzern deshalb bereits im Februar angekündigt, dass 1200 Jobs gekappt werden. "Leider ist es so, dass wir vor allem in der Energietechnik ein sehr, sehr aggressives Wettbewerbsverhalten sehen, aber auch natürlich durch ein regulatorisches Umfeld in Deutschland gezwungen sind, die Ressourcen neu zu ordnen", sagte Kaeser.

400 Stellen in Berlin in Gefahr

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Wo die Arbeitsplätze wegfallen, darüber darf jetzt gerätselt werden. Siemens wollte sich zu einzelnen Standorten nicht äußern. In Deutschland hat die Energiesparte noch Standorte in Nürnberg und Erlangen sowie in Mühlheim in Nordrhein-Westfalen. Auch der Berliner Standort wird wohl verkleinert. In Erlangen schlagen Gewerkschafter bereits Alarm. Elisabeth Mongs von der IG Metall sagte, sie gehe davon aus, dass allein in Erlangen wohl "mehrere hundert Arbeitsplätze" gestrichen werden.

Rund 400 Stellen sind wohl im Gasturbinenwerk am Berliner Gründungsort und dem immer noch weltweit größten Produktionsstandort des Konzerns bedroht. "Es sind nun insgesamt 800 Arbeitsplätze, die hier wegfallen sollen", sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Klaus Abel. Im Werk in Siemensstadt arbeiten 3800 Menschen. Insgesamt beschäftigt der Konzern in Berlin rund 12.000 Menschen.

Abel kündigte für nächste Woche bundesweite Aktionstage gegen die Pläne des Vorstands an. "Aus unserer Sicht verspielen sie die Zukunft von Siemens für kurzfristige Gewinne und steigende Aktienkurse." Das Management in München habe die Marktentwicklung ausgesessen, kritisierte Abel. "Die Energiewende kommt nicht überraschend." Gestrichen werden soll in Berlin nach Gewerkschaftsangaben vor allem in Verwaltung und Qualitätsmanagement. Zudem wolle Siemens viele Komponenten nicht mehr selbst herstellen, sondern einkaufen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es aber nicht geben.

Am Standort in Würzburg mit rund 240 Mitarbeitern dürfte alles beim Alten bleiben. Das sagte Betriebsratschef Wolfgang Kleist auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks. Die deutschen Standorte in der Energiesparte waren bereits zu Beginn von Kaesers Amtszeit ins Hintertreffen geraten, als er in den USA Stellen schuf und den entsprechenden Vorstandsposten ebenfalls dorthin berief.

Stockt die Aufholjagd?

Kaeser steht unter wachsendem Druck. Er ist angetreten, den Konzern, der Wettbewerbern wie dem US-Erzrivalen General Electric hinterherhinkt, profitabler zu machen. Unterm Strich sieht der Nettogewinn mit vier Milliarden Euro zwar nicht schlecht aus, aber auf den zweiten Blick wird klar: Das Ergebnis kommt vor allem aus einem Teilverkauf der Hörgerätesparte. Das heißt, wenn man die Zahlen bereinigt, sieht es unterm Strich wieder nicht ganz so gut aus.

Das große Problem von Siemens ist, dass der Konzern zu wenig Geld verdient - vor allem im Energiebereich. Der Vergleich macht es deutlich: General Electric macht etwa 16 Prozent Rendite, Siemens gerade mal zehn. Dieses Hauptproblem muss Siemens in den kommenden Jahren unter Vorstandschef Kaeser lösen - und zwar möglichst schnell.

Denn die Aktionäre und Analysten werden langsam nervös. Kaeser hatte bei seinem Amtsantritt eine große Vision versprochen, unterm Strich ist davon aber noch nicht viel rausgekommen. Nach Ansicht US-amerikanischen Investmentbank Jefferies benötigt Siemens jetzt ein starkes zweites Halbjahr, um eine drohende Gewinnwarnung abzuwenden. Zumal aufgrund des angekündigten umfangreichen Stellenabbaus die Kosten für Abfindungszahlungen steigen.

Analysten von UBS spielen bereits andere Bündnisse durch, was sich bei Siemens noch ändern könnte. Dazu zählen etwa auch eine Allianz im Energiebereich mit ABB oder doch ein Ausstieg oder eine Großallianz in der Eisenbahntechnik. Im Vergleich zum Wettbewerb lege Kaeser "ein langsames Umsetzungstempo bei den Restrukturierungen an den Tag", schreiben die Analysten von JP Morgan nüchtern.

Kaeser ließ derweil wissen, dass der größte Umbauprozess in der jüngeren Firmengeschichte "in der Hauptsache abgeschlossen ist".

Quelle: ntv.de

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