Wirtschaft

Indirekter Einstieg bei Alstom? Siemens-Chef eilt nach Paris

Einstieg im Windschatten der Japaner? Analysten und Siemens-Aktionäre warten gespannt auf die Details.

Einstieg im Windschatten der Japaner? Analysten und Siemens-Aktionäre warten gespannt auf die Details.

(Foto: Reuters)

Wie geht es weiter im deutsch-französischen Übernahme-Poker? Gespannt warten Analysten auf Details zum Siemens-Angebot für Alstom. Den Münchnern geht es vor allem um das Gasturbinen-Geschäft. Was bekommen die Japaner?

Dienstreise nach Frankreich: Siemens-Chef Joe Kaeser (l.) war erst Ende April zu Besuch im Elysee-Palast.

Dienstreise nach Frankreich: Siemens-Chef Joe Kaeser (l.) war erst Ende April zu Besuch im Elysee-Palast.

(Foto: REUTERS)

Das Ringen um den französischen Industriekonzern Alstom steuert auf den womöglich bereits entscheidenden Höhepunkt zu: Zu Wochenbeginn rechnen Experten mit konkreten Einzelheiten, zu welchen Konditionen der deutsche Dax-Konzern zusammen mit seinem japanischen Bündnispartner Mitsubishi Heavy Industries (MHI) bei dem Knowhow-Träger aus Frankreich einsteigen will.

Siemens und Mitsubishi stellen im Tagesverlauf ihr gemeinsames Gebot für die Alstom-Energietechnik in Paris vor. Siemens-Chef Joe Kaeser werde der Alstom-Führungsspitze seine Pläne am Nachmittag präsentieren, hieß es aus dem Umfeld der beteiligten Unternehmen. Im Anschluss daran werde die Offerte der Öffentlichkeit präsentiert. Kaeser hatte sich selbst eine Frist bis zum heutigen Montag gesetzt. Am Dienstag soll der Siemens-Chef das Vorhaben französischen Abgeordneten vorstellen. Kaeser werde in einer Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuss der Nationalversammlung in Paris sprechen, wie das Parlament ankündigte.

Die Zustimmung der französischen Politik spielt eine entscheidende Rolle. Die Regierung in Paris hatte ein Engagement des deutschen Industriegiganten selbst ins Spiel gebracht, nachdem der US-Konzern General Electric (GE) ein Übernahmeangebot für Alstom vorgelegt hatte. In den wirtschaftspolitischen Erwägungen der Franzosen spielen Arbeitsplatzgarantieren und Standortentscheidungen eine vorrangige Rolle. Ohne entsprechende Zugeständnisse können sich weder die Amerikaner, noch das deutsch-japanische Konzernbündnis Hoffnungen auf eine erfolgreiche Alstom-Übernahme machen.

Deutsch-japanischer Einstieg

Die gemeinsame Offerte aus Deutschland und Japan dürfte im Kern den Charakter einer Allianz haben. Insidern zufolge sieht das Siemens-Gebot eine Minderheitsbeteiligung von MHI an mehreren Geschäftsfeldern der Franzosen und womöglich auch an Alstom selbst vor. Die Rede ist von einer Größenordnung von zehn Prozent. Im gleichen Umfang könnte sich der französische Staat beteiligen. Bisher ist der französische Mischkonzern Bouygues Alstom-Großaktionär. Siemens soll sich laut den Berichten nicht an Alstom beteiligen.

Siemens habe es unterdessen allein auf die Gaskraftwerkssparte von Alstom abgesehen, heißt es.
Dem Vernehmen nach geht es den Münchnern bei dem Geschäft vor allem um das Gasturbinen-Geschäft, während MHI ein Auge auf die Dampfturbinen geworfen haben soll. Alleine für das Gasturbinen-Geschäft wird über eine Barkomponente von vier Milliarden Euro spekuliert.

Bleibt Siemens im Hintergrund?

Denkbar wäre nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa auch ein Szenario, in dem Siemens gar nicht selbst als Bieter auftreten würde, sondern später durch ein Untergeschäft mit MHI Zugriff auf die Gasturbinen bekäme. Das könnte angesichts des politisch heiklen Deals eine gesichtswahrende Lösung für die französische Regierung sein, hieß es. Paris hatte sich erst vor einigen Wochen per Dekret ein Vetorecht bei Übernahmen gesichert. Im Falle eines Engagements von Siemens und MHI solle Alstom als eigenständiges Unternehmen erhalten bleiben, heißt es in Branchenkreisen. Teile des Geschäfts der Franzosen könnten dann in Joint Ventures eingebracht werden.

Mit ihrem gemeinsamen Vorstoß wollen die Münchner und ihr japanischer Partner den US-Rivalen GE mit seinem 12,4 Milliarden Euro schweren Angebot für weite Teile der Alstom-Energietechnik ausstechen. Das Gebot aus Deutschland dürfte die heiße Phase im Ringen um Alstom einläuten: Siemens und MHI würden so konkret und verbindlich in das Bietergefecht gegen den US-Konzern einsteigen. Der Siemens-Aufsichtsrat war am Sonntagabend zu einer Sitzung zusammengekommen. Ergebnisse wurden zunächst nicht mitgeteilt, dies wurde erst für Montag erwartet.

Mitsubishi taktiert

MHI teilte am frühen Morgen mit, "mehrere Möglichkeiten" bezüglich einer Teilübernahme von Alstom zu prüfen. Entschieden sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch nichts. Die Japaner arbeiten seit geraumer Zeit daran, ihre Position im globalen Energiemarkt auszubauen. Anfang des Jahres legte MHI zu diesem Zweck sein Thermakraft-Geschäft, zu dem die Gas- und Dampfturbinen gehören, mit dem entsprechenden Geschäftsbereich von Hitachi zusammen.

In den vergangenen Wochen hatten die Münchner die Alstom-Bücher einer intensiven Prüfung unterzogen. Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hatte bereits den Charakter eines möglichen Alstom-Angebotes betont: "Basis unseres Projekts ist eine Allianz - nicht einfach eine Übernahme gegen Cash", hatte Cromme der französischen Wirtschaftszeitung "Les Echos" erklärt. Er habe den Eindruck, dass die französische Politik sich davon angesprochen fühle.

Toshiba winkt bei GE ab

Siemens hatte auch vorgeschlagen, im Bahntechnik-Bereich ein von französischer Seite kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, um so zwei starke europäische Champions zu schmieden. Dieser Teil einer möglichen Offerte dürfte aber Beobachtern zufolge erst in einem zweiten Schritt auf der Agenda stehen.

Der US-Mischkonzern General Electric muss die von ihm angestrebte Übernahme des französischen Wettbewerbers Alstom unterdessen alleine stemmen. Der japanische Technologiehersteller Toshiba wies zu Wochenbeginn Berichte zurück, wonach die Japaner die Amerikaner bei der Transaktion unterstützen wollen. Unter anderem die Wirtschaftszeitung "Nikkei" hatte vergangene Woche berichtet, Toshiba habe Interesse an der Stromnetzsparte der Franzosen.

Sollte General Electric mit der Alstom-Offerte Erfolg haben, wolle Toshiba dem US-Konzern ein Angebot für die Sparte unterbreiten, hatte es geheißen. Diese Darstellung wiesen die Japaner nun zurück. Es gebe keine konkreten Gespräche über das Thema mit GE, teilte Toshiba mit. Solche Gespräche seien auch nicht geplant. Zum Energiegeschäft von Alstom zählen die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen, Erneuerbare Energien und der Bereich Stromnetze.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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