Wirtschaft

Satte Gewinne: Spekulanten am Pranger Verschärfen Agrar-Anlagen den Hunger?

Die Botschaft ist klar: Keine Spekulationen mit Nahrungsmittelpreisen.

Die Botschaft ist klar: Keine Spekulationen mit Nahrungsmittelpreisen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Laut Welthungerhilfe sind rund 842 Millionen Menschen chronisch unterernährt. Die öffentliche Kritik an Spekulanten und ihren Wetten auf Nahrungsmittelpreise wird deshalb immer lauter. Finanzbranche und Wissenschaftler widersprechen allerdings.

Zwei symbolische Mini-Türme haben Hilfsorganisationen vor der Deutschen Bank in Frankfurt am Main aufgebaut: Einer repräsentiert die Allianz, der andere Deutschlands größte Bank. Dazwischen haben sie ein Banner gespannt - darauf ein Appell an die Politik, dem vermeintlichen Geschäft mit dem Hunger ein Ende zu setzen: "Welternährung sichern. Spekulanten in die Schranken".

Dass die Kritiker der Agrar-Anlagen vor dem Welternährungstag (16. Oktober) ausgerechnet diese Institute an den Pranger stellen, hat einen Grund: In Deutschland organisiere niemand so viele Wetten auf die Preise von Nahrungsmitteln wie Allianz (Anlagevolumen 6,2 Mrd Euro) und Deutsche Bank (4,5 Milliarden Euro, erklärt die Hilfsorganisation Oxfam und behauptet: "Das Wetten auf die Preise von Mais, Soja oder Weizen verschärft das Hungerrisiko von Menschen in armen Ländern."

Am Hunger der Ärmsten verdienen

Auch wenn nach Angaben der Veranstalter nur rund 200 Menschen dem Protestaufruf eines Bündnisses um Oxfam, Attac und Misereor gegen Nahrungsmittelspekulationen gefolgt sind, scheint die Unterstützung in der Bevölkerung groß. In einer Forsa-Studie hatten kürzlich drei von vier Deutschen gefordert, dass Banken aus spekulativen Finanzgeschäften mit Nahrungsmitteln aussteigen sollten.

Einige wie Commerzbank oder Dekabank hatten zu diesem Zeitpunkt längst ihren Abschied aus dem umstrittenen Geschäftsfeld verkündet. Wohl auch, um ihr Image nicht zu beschädigen. Denn Vereine wie Foodwatch üben enormen öffentlichen Druck auf die Banken aus. Ihr Vorwurf: Anleger und Institute verdienten am Hunger der Ärmsten. Die Spekulationen täuschten eine höhere Nachfrage vor und würden so die Preise in die Höhe treiben. Dadurch könnten sich Menschen in Entwicklungsländern Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten. Ohnehin dürften die wachsende Weltbevölkerung und steigende Einkommen die Preise von Lebensmitteln befeuern.

Eine Art Versicherung

Allianz und Deutsche Bank weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Deutschlands größte Bank hatte nach einer eigenen Analyse im Januar beschlossen, an den Produkten festzuhalten. Co-Chef Jürgen Fitschen sagte seinerzeit: "Wenn wir eine Indikation hätten, dass das nicht zu dem beiträgt, was wir alle erreichen wollen, nämlich den Hunger abzustellen, dann hätten wir es nicht gemacht."

Aus Sicht der Allianz sind Wetten auf künftige Mais- oder Weizenpreise sogar gut für die Nahrungsmittelversorgung weltweit: "Wir sehen einen Nachteil, wenn wir dieses Geschäft einstellen würden, weil die Liquidität wichtig für Farmer ist", betont Allianz-Sprecher Nicolai Tewes.

Tatsächlich laufen diese Geschäfte an Terminmärkten ab - als eine Art Versicherung: Landwirte sichern sich gegen zu niedrige Preise für ihre Ernte ab, Nahrungsmittelunternehmen gegen zu hohe. Spekulanten können auf steigende oder fallende Preise wetten und sorgen damit auf beiden Seiten für Liquidität, betont Tewes: "Wenn mehr Investoren aktiv sind, sinkt die Risikoprämie, die der Farmer bezahlen muss."

Zudem sei das Anlagevolumen an Warenterminbörsen viel zu gering, um die Preise für Agrarrohstoffe zu beeinflussen, betont Allianz-Vorstand Jay Ralph in einem offenen Brief an Oxfam. Kunden würden eher antizyklisch investieren - also bei fallenden Rohstoffpreisen, während sie bei steigenden Preisen Geld abziehen würden: "Hätten sie Einfluss auf eine Preisentwicklung, würden sie damit eher zu einer Preisglättung beitragen."

Nur ein "Fehl-Alarm"?

Unterstützung bekommen die Institute nun von Wissenschaftlern der Universität Halle-Wittenberg und vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa. Die Professoren Thomas Glauben und Ingo Pies halten fest: "Der Alarm, Indexfonds seien für Hungerkrisen verantwortlich, muss nach dem gegenwärtigen (...) Stand wissenschaftlicher Erkenntnis als Fehl-Alarm eingestuft werden."

Sowohl theoretisch als auch empirisch spreche wenig für, aber sehr viel gegen die Befürchtung, dass durch diese Geschäfte das Niveau oder das Auf und Ab der Preise für Agrarrohstoffe erhöht hätten, betonen die Experten. Zumal an den Terminmärkten nicht Lebensmittel gehandelt würden, sondern Preisrisiken: "Indexfonds operieren hier im Modus institutionalisierter Solidarität." Und wenn Bauern so ihre Risiken vermindern, könnten sie mehr investieren und anbauen.

Quelle: ntv.de, Harald Schmidt, dpa

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