Wirtschaft

ThyssenKrupp als Bauherr Rottweil bekommt einen Turm

Im südwestdeutschen Rottweil entsteht eines der höchsten deutschen Bauwerke - ein sogenannter Testturm. Der Wolkenkratzer erinnert an eine Geburtstagskerze und soll die Wirtschaft ankurbeln und das Image der Stadt aufpolieren.

In der kleinen südwestdeutschen Stadt Rottweil entsteht einer der höchsten Wolkenkratzer des Landes. Doch potenzielle Mieter sollten sich anderswo umschauen. Das knapp 250 Meter hohe Gebäude ist nicht für Menschen oder Firmen gedacht, sondern ein Test-Hochhaus für den Mischkonzern und Aufzugshersteller ThyssenKrupp.

ThyssenKrupp
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In Rottweil will der Dax-Konzern die Aufzugskabinen und eine Vielzahl von Komponenten für zukünftige Technologien testen. Das Gebäude soll vorwiegend aus zwölf Aufzugsschächten in einem fensterlosen Mantel bestehen. Nur ein paar ThyssenKrupp-Büros und eine Aussichtsplattform will der Konzern einrichten, wenn das Gebäude wie geplant im Jahr 2016 Realität ist.

Der Wolkenkratzer erinnert an eine Geburtstagskerze, die aus der südwestdeutschen Landschaft hervorschießt. Eigentlich steht die deutsche Provinz für Fachwerk und nicht für Hochhäuser.

Rottweil feiert sein neues Wahrzeichen

Doch hier in der schon seit Römerzeiten bestehenden Stadt Rottweil rollten die Behörden den roten Teppich für das bald höchste reine Aufzugsgebäude der Welt aus. Viele Einheimische sehen das neue Wahrzeichen als etwas, das der Stadt ein ganz neues und modernes Profil gibt, das als Touristenmagnet dienen könnte. "Der Testturm ist ein außergewöhnliches Wahrzeichen", freut sich Bürgermeister Ralf Broß. Er werde die Wirtschaft und den Tourismus ankurbeln und das Image der Stadt aufpolieren.

Die 25.000-Einwohner-Stadt lässt daran kaum einen Zweifel. Als ThyssenKrupp-Arbeiter mit dem Bau des rund 40 Millionen Euro teuren Turms auf einem Hügel außerhalb der Altstadt begannen, errichteten die Behörden extra eine Aussichtsplattform, von der aus Besucher rundum auf das Projekt schauen können.

Die Stadt vertreibt zudem Postkarten, auf denen der baldige Turm abgebildet ist und unter anderem in einer Reihe mit dem One World Trade Center gezeigt wird. Touren über die Baustelle bietet die Stadt für fünf Euro an. "Manchmal denke ich, die Stadt ist noch begeisterter als wir", wundert sich ThyssenKrupp-Sprecher Michael Ridder. Ein Großteil dieses Enthusiasmus geht auf das Konto von Rottweils Ruf als "Stadt der Türme", die aber bisher von Kirchen geprägt ist.

Ein überraschendes "Ja" aus der Provinz

ThyssenKrupp ist einer der größten Aufzugsbauer der Welt und brachte das Projekt vor vier Jahren auf den Weg. Zwar verfügt der Konzern über eine Handvoll kleinerer Testtürme rund um den Globus. Doch das Unternehmen wollte Hochgeschwindigkeitslifts für die größten Gebäude der Welt genau prüfen. Das geht nur mit noch höheren Testgebäuden. Aus diesem Grund suchten die Ingenieure der Firma nahe ihres Innovationszentrums im Raum Stuttgart nach einem Standort. Anfangs waren die Manager alles andere als optimistisch, dass die Bevölkerung bei dem Projekt mitmachen würde.

"Zunächst konnte ich an einen Erfolg kaum glauben", erklärt Andreas Schierenbeck, Chef der Aufzugssparte bei ThyssenKrupp. Stattdessen wollte er sich eigentlich lieber nach Asien wenden. Der Nachteil wäre gewesen: Das Gelände hätte sich vom Forschungs- und Entwicklungszentrum zu weit entfernt befunden. Nachdem Schierenbeck seine Fühler ausgestreckt hatte, zeigte Rottweil verstärktes Interesse. Es gab Diskussionsrunden und auch einen Architektenwettbewerb, bei dem der weltbekannte Helmut Jahn aus Chicago als Sieger gekürt wurde. Eine überwältigende Mehrheit des Stadtrats stimmte letztlich für das Bauvorhaben.

Doch es gab auch Widerstand in der Turmstadt. Eine kleine, aber leidenschaftlich argumentierende Opposition hielt das Lift-Hochhaus für völlig deplatziert in einer Stadt, die architektonisch eher mittelalterlich als modern ist. Zwar ist der Turm deutlich von der Altstadt entfernt, aber er ist klar sichtbar, wie er sich hinter den traditionellen Dächern Rottweils abzeichnet.

Der Turm ändere Rottweils Stadtansicht stärker als alles, was in 2000 Jahren Geschichte geschah, ärgert sich Historiker und Einwohner Winfried Hecht. "Für mich ist der Turm zu hoch." Schierenbeck räumt diese Widerstände zwar ein. Aber generell habe die Stadt das Vorhaben stets unterstützt, insbesondere nachdem der Plan immer mehr Gestalt annahm.

Quelle: ntv.de, Eliot Brown, DJ

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