Wirtschaft

Kleine Kernschmelze in der Bilanz Reißt Atomsparte Toshiba in den Abgrund?

Toshiba-Präsident Satoshi Tsunakawa verkündet die bittere Nachricht.

Toshiba-Präsident Satoshi Tsunakawa verkündet die bittere Nachricht.

(Foto: imago/AFLO)

Noch vor wenigen Wochen verbreitet der japanische Konzern Toshiba Zuversicht: Das erste Halbjahr läuft glänzend. Die Prognose wird angehoben, der Bilanzskandal scheint überwunden. Dann entdeckt das Unternehmen seine Atomsparte.

Japans Industriegigant Toshiba ist ins Taumeln geraten. Das Industrie-Konglomerat wird von seiner Atomsparte in die Tiefe gerissen. Dabei hatten sich Manager des Konzerns erst kürzlich optimistisch zur Geschäftsentwicklung der Atomsparte geäußert. Doch nach einer milliardenschweren Wertberichtigung fliehen Anleger aus den Papieren - die Aktie ist im freien Fall. Dem Unternehmen mit fast 188.000 Beschäftigen droht inzwischen sogar der Rausschmiss aus dem Tokioter Index Nikkei. Die neuerliche Korrektur macht zudem einen Großteil der Bemühungen bei der Bewältigung des jüngsten Bilanzskandals schlicht zunichte.

Vor jüngst hatte der 1875 gegründete Konzern mitgeteilt, den Buchwert der Tochter neu berechnet zu haben. Nach dem Kauf des US-Konzerns Westinghouse Electric vor einigen Jahren für mehr als fünf Milliarden Dollar waren die Japaner zum weltgrößten AKW-Bauer aufgestiegen. Und der Konzern kaufte weiter zu.

Doch die Kosten von AKW-Projekten der kürzlichen übernommenen Atom-Sparte des Unternehmens Chicago Bridge & Iron (CB&I) seien viel höher als angenommen, teilte das Management nun mit. Um gegenzusteuern, werde eine Kapitalerhöhung erwogen. "Wir ziehen Maßnahmen in Betracht, darunter auch eine Vorgehensweise beim Kapital", sagte Vorstandschef Satoshi Tsunakawa bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Das Unternehmen räumt ein, mehrere Milliarden Dollar an Verlusten nach der Übernahme der Kernkraftsparte von CB&I verbuchen zu müssen. Die Toshiba-Sparte Westinghouse fordert von CB&I zwei Milliarden Dollar an Nachzahlungen zurück, da etwa das Betriebsvermögen geringer sein soll als angenommen. CB&I reagierte auf die Vorwürfe mit einer Klage.

Über die genaue Höhe der Wertberichtigung will das Unternehmen erst im Februar berichten. Doch Marktbeobachter spielen bereits den Fall einer Überschuldung durch. An deren Ende könnte dann das Aus der Börsennotierung stehen. Mit dieser Aussicht verlor das Papier in Tokio den zweiten Tag in Folge zweistellig. Am Ende belief sich das Minus auf 20 Prozent - aber nur, weil damit das maximal erlaubte Tageslimit erreicht war. Bereits am Vortag war es um fast 13 Prozent hinab gegangen. Damit wird die ansonsten gute Jahresbilanz der Aktie erheblich getrübt. Denn bis 23. Dezember hatte sich der Kurs der Papiere fast verdoppelt.

Bilanzskandal noch in den Knochen

Toshiba hat gerade erst eine mehr als eine Milliarde Dollar schwere Affäre um jahrelange Bilanzmanipulationen hinter sich. Tausende Stellen wurden gestrichen, die Halbleitersparte eingedampft und Geschäftsbereiche abgestoßen - darunter die Fernsehsparte, die 1959 den erste Farbfernseher in Japan entwickelt hatte. Hisao Tanaka und sein Vorgänger, Vize-Vorstandschef Norio Sasaki, mussten ihre Stühle räumen. Die Behörden verhängte eine Millionenstrafe. Zudem klagten Anleger.

Übrig blieb ein Unternehmen, dass sich vor allem auf Chips, Atomreaktoren und sein Infrastrukturgeschäft konzentriert. Auch Abschreibungen über mehr als zwei Milliarden Dollar auf die US-Atomsparte Westinghouse setzten dem Konzern zuletzt zu. "Das kommt unerwartet und gerade zu einer Zeit, als die Sorgen über den Zustand des Konzerns zu schwinden begannen", sagte Yoshinori Ogawa von Okasan Securities nun zur neuerlichen Hiobsbotschaft.

Bislang rechnet Toshiba für das laufende Geschäftsjahr per Ende März einen Nettogewinn von 145 Milliarden Yen. Nach den ersten sechs Monaten hatte der Konzern bereits gut 996 Millionen Euro verdient. Dazu hatte unter anderem der Verkauf der Sparte für Haushaltsgeräte an die chinesische Midea Gruppe beigetragen. Hinzu kamen Einsparungen und die starke Nachfrage nach Halbleitern. Die Atomsparte dürfte die Gewinne bei Speicherchips nun wieder mehr als auffressen.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ

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