Wirtschaft

Atomausstieg als Enteignung? Regierung und Energiekonzerne streiten

Eon-Chef Johannes Teyssen (rechts) diskutiert mit dem Bevollmächtigten seines Konzerns, Rupert Scholz.

Eon-Chef Johannes Teyssen (rechts) diskutiert mit dem Bevollmächtigten seines Konzerns, Rupert Scholz.

(Foto: imago/Stockhoff)

Kommt der Atomausstieg einer Enteignung der Betreiber gleich? Für die Energiekonzerne ist das im Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht die zentrale Frage. In Karlsruhe kämpfen sie um die Möglichkeit, Entschädigungen in Milliardenhöhe einzuklagen.

Im Prozess über den Atomausstieg sind die gegensätzlichen Auffassungen der Bundesregierung und der klagenden Energiekonzerne aufeinandergeprallt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigte sich am zweiten Verhandlungstag in erster Linie mit dem Thema Enteignung.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks wies zunächst Vorwürfe der Energieunternehmen Eon, RWE und Vattenfall zurück, die Bundesregierung habe Zusagen an die Betreiber von Atomkraftwerken nicht eingehalten. "Wir möchten dieser Unterstellung deutlich widersprechen", sagte die SPD-Politikerin. Bereits im Ausstiegsgesetz von 2002, das auf dem Atomkonsens von 2001 beruhte, seien wesentliche Elemente des jetzt angegriffenen Gesetzes enthalten gewesen.

Der Bevollmächtigte des Eon-Konzerns, Rupert Scholz, entgegnete, die Unternehmen hätten damals nur unter Bedingungen zugestimmt. Nach der Entscheidung von 2011, die Kraftwerke rascher abzuschalten, seien ihnen aber ihre gesamten Freiheiten zeitlich gestaffelt entzogen worden, so der ehemalige Bundesverteidigungsminister.

Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 hatte die damalige christlich-liberale Bundesregierung die erst im Vorjahr beschlossene Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Meiler wieder rückgängig gemacht. Acht überwiegend ältere AKW durften überhaupt nicht mehr hochgefahren werden. Die letzten Kraftwerke müssen nun spätestens 2022 vom Netz.

Außergerichtliche Einigung?

Aus Sicht der Unternehmen ist die entscheidende Änderung zu 2002, dass zur Deckelung der Strommenge, die noch produziert werden darf, noch eine Befristung hinzugekommen ist. Unter solchen Bedingungen hätten die Energiekonzerne dem Atomkonsens 2001 niemals zugestimmt, sagte ein Prozessbevollmächtigter.

Eon, RWE und Vattenfall klagen in Karlsruhe, weil sie sich durch die politische Kehrtwende 2011 enteignet fühlen. Der vierte große Versorger EnBW teilt nach eigener Darstellung diese Rechtsauffassung, klagt aber nicht selbst, weil er zu mehr als 98 Prozent in öffentlicher Hand ist. Ein Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht wäre die Grundlage, um Milliardenentschädigungen zu erstreiten.

Allerdings laufen derzeit auch Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Verteilung der gewaltigen Kosten und Risiken beim Abriss der Kraftwerke und der Lagerung des Atommülls. Nach Einschätzung von Experten geht es um mindestens 48,8 Milliarden Euro. Für ein Entgegenkommen verlangt Berlin die Rücknahme aller Klagen. Mit einem Urteil ist erst in mehreren Monaten zu rechnen.

Nicht auszuschließen ist, dass es vorher zu einer außergerichtlichen Einigung kommt. Zum Auftakt des Verfahrens am Dienstag hatte sich das Gericht mit der Frage befasst, ob zugewiesene Reststrommengen und Betriebsgenehmigungen überhaupt als Eigentum der Konzerne gelten können. Besondere Fragen wirft Vattenfall auf: Das schwedische Staatsunternehmen kann sich möglicherweise gar nicht auf deutsche Grundrechte berufen.

Quelle: ntv.de, wne/dpa

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