Wirtschaft

Inflationsdaten aus Deutschland Preisanstieg erreicht die EZB-Schwelle

Will den gesamten Euroraum ankurbeln: Den Zeitpunkt für eine Abkehr von der bisherigen Geldpolitik sieht Draghi noch nicht gekommen.

Will den gesamten Euroraum ankurbeln: Den Zeitpunkt für eine Abkehr von der bisherigen Geldpolitik sieht Draghi noch nicht gekommen.

(Foto: dpa)

Der Auftrieb bei den Verbraucherpreisen bereitet vielen Menschen in Deutschland Sorgen. Sparer und Anleger fühlen sich gefangen zwischen Nullzinspolitik und Inflation. Die Teuerung steigt im April auf 2,0 Prozent. Muss die EZB jetzt reagieren?

Die Energiepreise tragen angeblich die Hauptschuld: Im April haben die steigenden Ausgaben für Transport, Betrieb und Heizen die Inflation in Deutschland kräftig angefacht. Die Verbraucherpreise legten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,0 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit langte die Teuerung erneut an jener Schwelle an, bis zu der die Währungshüter in der Europäischen Zentralbank (EZB) eigenen Vorgaben zufolge die Preisstabilität gewährleistet sehen.

Mit dem Anstieg auf 2,0 Prozent bestätigten die Statistiker ihre erste Einschätzung zum aktuellen Preisauftrieb von Ende April. Vor allem die Preise für Energie kletterten im zurückliegenden Monat überdurchschnittlich: Dem Statistikamt zufolge stiegen sie in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,1 Prozent. Mineralölprodukte waren 14,3 Prozent teurer. Auch Strom verteuerte sich, der Preis für Gas ging hingegen zurück.

Damit zeichnet sich ein weiterer Anstieg der Verbraucherpreise ab. Am Weltmarkt für Rohöl arbeiten führende Förderländer derzeit unter der Führung der Opec-Staaten massiv auf höhere Rohstoffpreise hin. Mittelfristig dürften höhere Preise für Ölsorten wie Brent oder WTI auch in Deutschland für steigende Energiekosten sorgen. Entspannung ist von dieser Seite also aus der Sicht der Inflationsbeobachter nicht zu erwarten.

Risikofaktor Ölpreis

Für Nahrungsmittel mussten Verbraucher im April 1,8 Prozent mehr bezahlen. Deutlich teurer waren den Statistikern zufolge Speisefette und Speiseöle mit plus 15,8 Prozent und Molkereiprodukte mit plus fünf Prozent. Auch Fisch, Obst und Fleisch kosteten mehr.

Das Problem: Wie viel Verbraucher für Nahrungsmittel am Ende tatsächlich bezahlen müssen, hängt unter anderem auch von den Produktions- und Transportkosten ab. Steigen die erforderlichen Ausgaben für Benzin und Diesel sowie für das Heizen von Ställen und Gewächshäusern, bleibt vielen Erzeugern und Zwischenhändlern über kurz oder lang nicht viel anderes übrig, als die Mehrkosten an die Endverbraucher weiterzureichen. Damit wirkt der Ölpreis indirekt auch auf die Preise für Lebensmittel.

Mehr Geld mussten die Verbraucher zuletzt allerdings auch für Pauschalreisen ausgeben. Dieser Effekt macht sich in Ferienmonaten wie etwa dem April besonders stark bemerkbar. Hier stiegen die Preise um 10,5 Prozent. Grund dafür ist vor allem der Kalendereffekt, denn das Osterfest mit seinen Reisetagen fiel in diesem Jahr auf Mitte April.

Muss die EZB jetzt handeln?

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Der Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland bringt die Währungshüter der EZB zunehmend in Erklärungsnot - zumindest aus deutscher Sicht. Die Wahrung der Preisstabilität zählt eigentlich zu den wichtigsten Aufgaben der Zentralbank. Eine steigende Inflationsrate zehrt nicht nur angesparte Vermögen auf, sie verdüstert auch die Perspektiven für Kleinanleger und wirkt damit auch hemmend auf den Konsum.

Eigenen Vorgaben zufolge muss die EZB handeln, sobald die Verbraucherpreise im Währungsgebiet dauerhaft über die Marke von 2,0 Prozent steigen. Die naheliegende Maßnahme zur Bekämpfung einer beginnenden Inflationsentwicklung wäre üblicherweise eine Anhebung der Leitzinsen.

Führende EZB-Vertreter wiesen allerdings wiederholt darauf hin, dass der Anstieg bei den Verbraucherpreisen nicht das gesamte Währungsgebiet betreffe. Die Anzeichen einer Konjunkturerholung in Staaten wie Spanien, Italien oder Griechenland sind demnach weiterhin schwach. Und mit Blick auf Deutschland rechnen einzelne Ökonomen damit, dass sich die Teuerung wieder abschwächen wird. "Das Hoch bei den deutschen Inflationsraten dürften wir vorerst gesehen haben", sagte etwa DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein jüngst voraus.

"Sind bis Dezember festgelegt"

Sollte die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erhöhen, könnte das die zarten Ansätze einer Konjunkturerholung abwürgen, fürchten Analysten. Kredite für Verbraucher und Unternehmen würden dann teurer. Europas Währungshüter machten zuletzt keine Anstalten, ihre ultralockere Geldpolitik zu ändern. Allenfalls im Herbst sei mit einer Neubewertung der Lage zu rechnen, erklärte EZB-Vizechef Vitor Constancio. "Wir sind bis Dezember explizit auf eine Politik festgelegt. Das bedeutet automatisch auch, dass wir im Herbst über das weitere Vorgehen entscheiden müssen", sagte er.

Aus Sorge vor einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft (Deflation) flutet die EZB die Märkte seit Jahren mit enormen Mengen an Geld - überwiegend indirekt durch den Ankauf von Staatsanleihen im Multimilliardenmaßstab. Noch mindestens bis Dezember will die EZB Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden Euro pro Monat ankaufen, um damit die europäische Wirtschaft bis in alle Randbereiche anzukurbeln.

Zinswende ab 2018?

An den Märkten wird darüber spekuliert, dass die EZB ab Januar 2018 damit beginnen könnte, diese Summe abzuschmelzen, um danach dann eine Abkehr von der Nullzinspolitik einzuleiten. EZB-Vize Constancio betonte, dass die Notenbank geldpolitisch nichts überstürzen werde und lieber auf Nummer sichergehe: "Es ist weniger riskant, länger eine lockere Linie zu fahren, als den geldpolitischen Impuls vorzeitig zu entziehen." Bei der Inflation müsse die Notenbank sicher sein, dass der Preisauftrieb nachhaltig sei.

Das ist genau die Linie, die EZB-Chef Mario Draghi seit Jahren vertritt. Zuletzt erklärte er dazu, dass die Deflationsgefahren zwar fast verschwunden seien, die Preisentwicklung aber weiterhin Unterstützung durch die Geldpolitik benötige. Für einen Kurswechsel sei es "noch zu früh".

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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