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Anchorage ist raus Praktiker wechselt Rettungsboot

Überraschende Wende bei Praktiker: Die taumelnde Baumarktkette bricht die Verhandlungen mit dem Hedgefonds Anchorage über einen Rettungskredit ab. Stattdessen soll der österreichische Großaktionär Semper zum Zuge kommen. Details stehen noch aus, doch Aktionäre feiern den Schwenk mit kräftigen Kursgewinnen.

Related contentDie Turbulenzen bei Praktiker verschärfen sich. Die angeschlagene Baumarktkette will bei einem neuen Kredit erneut den Partner wechseln: Jetzt soll doch ihr Großaktionär, die österreichische Semper Constantia Privatbank AG, zum Zuge kommen. Mit dem Investor Anchorage will sie nicht weiter exklusiv über frisches Geld verhandeln.

Die Privatbank hatte nach Konzernangaben ein neues Kreditangebot vorgelegt. Als Grund für den Meinungswechsel nannte das Unternehmen Nachforderungen von Anchorage, die nicht erfüllt werden könnten. Mit Semper Constantia sei bereits ein erstes, positiv verlaufenes Gespräch über die Finanzspritze geführt worden. Noch Ende Juli hatte Konzernchef Kay Hafner den damaligen Vorschlag von Semper Constantia als nicht ausreichend abgelehnt, er biete nicht die notwendige Sicherheit.

Praktiker rechnet nun kurzfristig mit der Vertragsunterzeichnung mit Semper Constantia und setzt dabei auch auf bessere Konditionen. Manager des Unternehmens flogen schon am Donnerstag von Hamburg nach Wien und nahmen Verhandlungen mit der Bank auf, die mit knapp fünf Prozent an dem Unternehmen beteiligt ist. Eine Einigung sei "kurzfristig und zu besseren Konditionen zu erwarten," teilte Praktiker mit. "Damit ist ein weiterer wesentlicher Schritt zur Realisierung des vom Vorstand und Aufsichtsrat beschlossenen Sanierungskonzepts erreicht", so das Management. Zu den detaillierten Gründen für die Kehrtwende wollte sich ein Sprecher der Baumarktkette nicht äußern.

"Wucher"

Related contentDer Schwenk nach Wien ist nicht das erste kurzfristige Manöver. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Fondsmanagerin Isabella de Krassny zu, die für Semper Constantia und eine zyprische Investorengruppe namens Maseltov spricht, die weitere 10 Prozent an Praktiker hält. Krassny hatte Anfang Juli den Sanierungsplänen des Praktiker-Managements zugestimmt und auch den Einstieg von Anchorage gebilligt. Auf der Hauptversammlung hatte sie nach langem Ringen dem Konzept zugestimmt - nur um kurze Zeit später ein eigenes Angebot anzukündigen.

Stein des Anstoßes war ein 85 Mio. Euro schweres Darlehen von Anchorage, für dass der US-Investor mehr als 16 Prozent Zinsen verlangte und zudem die Tochter Max Bahr als Pfand einforderte. Krassny war Sturm gegen den als "Wucher" apostrophierten Anchorage-Kredit gelaufen. Sie stellt zwei Vertreter im Praktiker-Aufsichtsrat, der am Mittwochabend bis in die Nachtstunden verhandelt hatte. "Anchorage wollte immer mehr, da ist Praktiker der Kragen geplatzt", sagte ein mit dem Tauziehen Vertrauter.

Anchorage wurde von der Absage Finanzkreisen zufolge überrascht. Der Investor hatte den Informationen zufolge zuletzt weitere Zugeständnisse der Aktionäre, der Banken und der Vermieter von Praktiker gefordert und andernfalls mit Rückzug gedroht. Diese hätten "trotz des Entgegenkommens der Beteiligten nicht umfänglich erfüllt werden können", berichtete Praktiker. Vor allem die Mieten für die Max-Bahr-Märkte sollten drastisch sinken. Die 68 Gebäude gehören seit dem Frühjahr der britischen Bank RBS, seit ein Fonds Pleite gegangen war, der die Immobilien 2006 gekauft hatte. Ein Anchorage-Sprecher wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern.

Strippenzieher

Unklar ist, ob der streitbare Investor Clemens Vedder weiter mit Semper Constantia verbündet ist. Er hatte eine Beteiligung an dem Sanierungskonzept avisiert, das de Krassny unterbreitet hatte - und wollte auch bei einer Kapitalerhöhung von Praktiker über 60 Mio. Euro mitziehen. An der Wiener Bank sind unter anderem der österreichische Bau-Magnat Hans Peter Haselsteiner (Strabag) und Siemens -Vorstandschef Peter Löscher beteiligt.

Scheitert die Sanierung, droht Praktiker die Zerschlagung. Denn die als einzig wertvoller Teil des Unternehmens geltende Kette Max Bahr geht dann an die Kreditgeber. Das hatte Ängste vor einem Einstieg von Anchorage geschürt. Der Investor legt es oft darauf an, vom Kreditgeber zum Eigentümer eines Unternehmens zu werden. Beim Autozulieferer Honsel und beim Schiffsbauer Bavaria Yachtbau hatte Anchorage damit bereits Erfolg.

Quelle: ntv.de, nne/rts/DJ

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