Wirtschaft

Militäreinsätze über Osteuropa Prag mietet Kampfjets

Flugtechnisch nicht schlecht: Der Saab JAS 39 "Gripen" überzeugt vor allem beim Preis.

Flugtechnisch nicht schlecht: Der Saab JAS 39 "Gripen" überzeugt vor allem beim Preis.

(Foto: REUTERS)

Dieses Modell könnte Schule machen: Mangels einer eigenen Flugzeugindustrie bestreitet das Nato-Land Tschechien seinen Bedarf an Düsenjägern seit Jahren mit Leasing-Jets aus dem befreundeten Ausland.

Der Nato-Verbündete Tschechien hält an seinen Miet-Kapazitäten zur Luftraumverteidigung fest. Das Leasing von 14 schwedischen Jagdflugzeugen werde nach Vertragsende 2015 bis zum Jahr 2027 verlängert, teilte das Prager Verteidigungsministerium mit. Der Vertrag solle demnächst unterzeichnet werden, hieß es.

Das Land behält damit eine eigene Flotte an Kampfflugzeugen. Die jährlichen Kosten belaufen sich den Angaben aus Prag zufolge auf umgerechnet 62 Millionen Euro. Das sei ein Drittel weniger als bisher. Theoretisch könnte sich das tschechische Militär in allen Fragen der Luftraumüberwachung auch komplett auf die Fähigkeiten verbündeter Nato-Staaten verlassen.

Doch der Betrieb einer eigenen Flotte hat für Tschechien auch politische Bedeutung: Mit den 14 Kampfjets vom Typ Saab "Gripen" halfen die tschechischen Luftstreitkräfte unter anderem auch bei der Nato-Luftraumüberwachung der baltischen Staaten über der Ostsee und an der Grenze zu Russland. Prag sichert sich damit informelle Mitspracherechte und bleibt innerhalb der Nato mit seinen größeren Partnern auf Augenhöhe.

Das Geschäft ist allerdings alles andere als unumstritten: Seit ihrer Beschaffung im Jahr 2004 steht die Notwendigkeit und der Nutzen der tschechischen "Gripen" immer wieder im Zentrum politischer Debatten. Kontrovers diskutiert wird zum Beispiel, ob sich das von Verbündeten umgebene Land angesichts knapper Kassen eigene Kampfflugzeuge überhaupt leisten kann.

Waffenkauf aus öffentlicher Hand

Mit dem Leasing-Modell kommt der tschechische Steuerzahler noch vergleichsweise günstig weg. Zum Vergleich: Allein für die Anschaffungskosten der bislang an die Bundesluftwaffe ausgelieferten 100 Exemplare des europäischen Kampfjet-Modells Eurofighter "Typhoon" musste die Bundesregierung mehr als 14 Milliarden Euro bezahlen. Die jährlichen Betriebskosten inklusive Treibstoff, Wartung, Ersatzteilbedarf und Personalaufwand in der Luft und am Boden kommen zu dieser Summe noch hinzu.

Neuesten Planungen zufolge soll die deutsche Eurofighter-Flotte von 180 auf 143 Maschinen reduziert werden. Wie Mitte Februar aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestags verlautete, will das Verteidigungsministerium damit 37 Kampfjets weniger für die Bundeswehr beschaffen als ursprünglich geplant. Die Maschinen sind eigentlich fest vorbestellt. Airbus fordert nun vertraglich vereinbarte Ausgleichszahlungen ein.

Politisch umstritten sind Kampfjet-Programme nicht nur in Tschechien und Deutschland. Intensive Debatte gab und gibt es auch in Südkorea, Brasilien, der Schweiz, Indien, Japan und den USA. Aufgrund hoher Kosten sehen Beobachter insbesondere das Verhältnis von Aufwand und Nutzen mittlerweile sehr skeptisch. Bis eine dieser oft hochspezialisierten Maschinen reif für den Einsatz ist, arbeiten Ingenieure oft Jahrzehnte in verschiedenen Entwicklungsphasen. Die Vorüberlegungen für den Eurofighter zum Beispiel reichen bis in die 1970er Jahre zurück.

Milliardenschwere Rüstungsprogramme

Der Aufbau einer entsprechend leistungsfähigen Flugzeugindustrie verschlingt Unsummen, dauert Jahre und hat in der Regel weitreichende wirtschaftspolitische Folgen. Denn im Kampfjetbau entstehen hoch spezialisierte Arbeitsplätze, die sich nur durch kostspielige Folgeaufträge oder mitunter heikle Exporterfolge erhalten lassen. Bei den langen Entwicklungsspannen kann es zudem vorkommen, dass sich die militärischen Anforderungen in der Zwischenzeit mehrfach ändern - wie zuletzt geschehen mit dem Eurofighter "Typhoon" - dem einstigen "Jäger 90"- oder auch dem futuristischen Stealth-Jäger F-35.

In der Praxis macht das die Maschinen teuer und führt zu überfrachteten Konzepten. Der Joint Strike Fighter zum Beispiel soll die teils komplett verschiedenen Einsatzspektren aller Teilstreitkräfte auf einmal abdecken. Schon jetzt gilt die F-35 als das "teuersten Kampflugzeug der Luftfahrtgeschichte". Zugleich setzt die US Air Force immer mehr auf unbemannte Lösungen aus dem schnell wachsenden Segment der Drohnen.

Schnell alternde Spezialprodukte

Aus Unternehmersicht bildet das Kampfjet-Segment ein sehr schwieriges Geschäftsfeld dar: Angesichts der Sparzwänge in den großen Industrienationen sehen sich die Schwergewichte der Luftfahrt- und Rüstungsbranche mittlerweile mit einem enorm verschärften Wettbewerb konfrontiert. Das Eurofighter-Konsortium mit dem Flugzeugbauer Airbus zum Beispiel konkurriert neben Saab unter anderem noch mit Dassault aus Frankreich, Lockheed-Martin aus den USA und - in einzelnen Märkten - auch mit Herstellern wie Suchoi oder Mikojan-Gurewitsch aus Russland und der aufstrebenden chinesischen Militärindustrie.

Für den Eurofighter sehen Experten derzeit noch Exportchancen in Dänemark, Katar, Bahrain und Malaysia sowie für eine weitere Order aus Saudi-Arabien. Die Schweiz hatte sich erst kürzlich gegen einigen Widerstand in der Bevölkerung für den Ankauf schwedischer "Gripen" entschieden. Ein Volksentscheid dazu steht noch aus.

Das Kampfjet-Konzept aus Prag eröffnet Staaten mit beschränkten finanziellen Mitteln einen Mittelweg zwischen Eigenentwicklung und Komplett-Ankauf: Das tschechische Modell, Kampfflugzeuge lediglich zu leasen, könnte die Debatte um Waffenexporte, Standortpolitik und die Arbeitsplätze in der europäischen Rüstungsindustrie neu anheizen.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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