Wirtschaft

Pfizer und der 100-Milliarden-Deal Pharmabranche erlebt ihr blaues Wunder

Der Pfizer-Versuch könnte auf die gesamte Pharmabranche wie Viagra wirken.

Der Pfizer-Versuch könnte auf die gesamte Pharmabranche wie Viagra wirken.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe: Einer Zeitung zufolge will Pfizer den britischen Konkurrenten AstraZeneca schlucken. Der lehnt zwar bisher ab, das Potenzial des möglichen Deals ist aber so enorm, dass die Branche in Zugzwang gerät.

Zu komplex und zu riskant: Mega-Übernahmen waren in der Pharmabranche in den vergangenen Jahren wenig en vogue. Doch nun dreht sich das Fusionskarussell wieder - und erneut ist es der US-Konzern Pfizer, der für Schwung sorgt.

Nach einem Bericht der "Sunday Times" hat der größte US-Arzneimittelkonzern ein Auge auf den britischen Rivalen AstraZeneca geworfen. Rund 100 Milliarden Dollar soll Pfizer-Chef Ian Read der Rivale wert sein. AstraZeneca soll zwar abgewunken haben. Analysten rechnen aber damit, dass der Pharmariese nicht locker lassen wird. Denn die Aussicht auf Einsparungen und den Zugriff auf neue Wirkstoffe in der lukrativen Krebsmedizin macht Pfizer kauffreudig - auch in Europa.

Die Branche ist in Bewegung

Pfizer wäre nicht der einzige Pharmakonzern, der aktuell eine Milliardenübernahme anschiebt. Der kanadische Arzneimittelhersteller Valeant will zusammen mit dem Investor Bill Ackman für 47 Milliarden Dollar den kalifornischen Schönheitsmedizin-Spezialisten Allergan schlucken. Die US-Firma ist für seinen Faltenglätter Botox bekannt.

Und die Pharmariesen Novartis und GlaxoSmithKline planen einen Milliardendeal im Krebsmedizingeschäft. Seit Jahresbeginn hat sich das Volumen der Übernahmen im Pharmasektor nach Daten von Thomson Reuters auf knapp 78 Milliarden Dollar im Vergleich zu den ersten Monaten 2013 fast verdoppelt.

Neue Wirkstoffe und mehr Macht

Viele Arzneimittelhersteller wollen sich auf die Bereiche fokussieren, in denen sie eine führende Rolle einnehmen und daher Größenvorteile ausspielen können. Zudem nehmen viele margenstarke Geschäfte wie die Krebsmedizin ins Visier. Beide Faktoren locken auch Pfizer. Nach Ansicht der Analysten des Beratungshauses Morningstar verbessert eine Übernahme die Macht des Pharmakonzerns in Preisverhandlungen mit Regierungsstellen und Krankenkassen. Die Amerikaner würden mit AstraZeneca zudem neue Wirkstoffe in der Immuntherapie von Krebs hinzugewinnen - einer der vielversprechendsten neuen Ansätze in der Krebsmedizin.

Pfizer besitzt mit der Substanz Palbociclib nach Ansicht von Experten zwar einen Hoffnungsträger gegen Brustkrebs in der späten Entwicklung. Darüber hinaus gilt die Krebsmedizin bei den Amerikanern aber als schwach bestückt. "Bemerkbar ist, dass Pfizer noch nirgendwo präsent ist im wichtigen Feld der Immun-Onkologie, das Bristol-Myers Squibb, Roche, Merck & Co und auch AstraZeneca momentan dominieren", sagt ISI-Analyst Mark Schoenebaum. Mit AstraZeneca würde Pfizer hier mit einem Schlag zu den führenden Unternehmen gehören.

Wenig Überlappungen

Ein weiterer Vorteil: Es gibt wenige Überschneidungen in den Geschäften. Daher rechnen Experten nicht mit großen Kartellproblemen. "Vor ein paar Jahren noch standen beide Firmen in den sehr großen Märkten für Statine (Cholesterinsenker) und Mittel gegen Psychosen im Wettbewerb, aber Patentverluste haben dazu geführt, dass es jetzt sehr wenig Überlappungen bei beiden gibt", so die Morningstar-Experten.

So ist das Pfizer-Statin Lipitor gegen zu hohe Blutfettwerte inzwischen patentfrei. Crestor - das Top-Präparat von AstraZeneca - fällt 2016 in den USA aus dem Patent. Auch bei neuen Substanzen in der klinischen Entwicklung gibt es kaum Doppelungen. "Aber da sie ähnliche Krankheitsgebiete angehen, könnte dies eine Tür zu weiteren Einsparungen öffnen", so die Morningstar-Experten.

Auch steuerliche Gründe?

Eine große Übernahme außerhalb des Heimatmarktes könnte für Pfizer auch aus einem anderen Grund attraktiv sein. Analysten weisen auf die mehreren zehn Milliarden Dollar an Gewinnen hin, die der Konzern mit seinen Auslandstöchtern zuletzt verdient hat. Sollte Pfizer solche Gewinne in die USA zurückführen, wären hohe Steuern fällig. Das Bankhaus Jefferies hält aus diesem Grund Zukäufe im Ausland im Geschäft mit Nachahmermedikamenten oder mit Spezial-Pharmazeutika für sinnvoll.

Pfizer galt beispielsweise als einer der Interessenten für den Ulmer Generika-Hersteller Ratiopharm, der schließlich vom israelischen Konzern Teva geschluckt wurde. Auch als Interessent für den hessischen Produzenten von Nachahmermedikamenten, Stada, war Pfizer gehandelt worden.

Pfizer kennt sich mit Mega-Übernahmen gut aus. Zwischen 2000 und 2009 stemmte der Konzern gleich drei große Zukäufe: Warner Lambert, Pharmacia und Wyeth aus den USA. Rund 200 Milliarden Dollar kosteten die Akquisitionen insgesamt. Vor zehn Jahren, als der Konzern Pharmacia erwarb, konnte er rund vier Milliarden Dollar an Einsparungen erzielen. Das war mehr als ein Drittel der Jahreskosten bei Pharmacia. Sollte sich Konzernchef Read bei europäischen Wettbewerbern ähnliche Effekte versprechen, dürfte er dort Analysten zufolge wohl bald vorstellig werden.

Quelle: ntv.de, Frank Siebelt, rts

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