Wirtschaft

Ärger für Autohersteller Peking jagt Preissünder

Daimler setzt große Hoffnungen in den chinesischen Markt.

Daimler setzt große Hoffnungen in den chinesischen Markt.

(Foto: REUTERS)

Chinas Anti-Monopol-Behörde macht jetzt auch in der Autobranche ernst: Audi und Chrysler sind angeblich überführt, bei Mercedes gibt es eine Razzia. Die Regierung in Peking tritt als Anwalt der Konsumenten auf.

Die Liebe der Chinesen zu deutschen Autos lässt Managerherzen in Stuttgart, München oder Ingolstadt höher schlagen. Die deutschen Konzerne investieren in der Volksrepublik Milliarden, damit sie auch in Zukunft die wachsende Nachfrage bedienen können. Doch so leicht macht Peking den Firmen das Geldverdienen nicht. Über erzwungene Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen Partnern leitet sie die Hälfte der Hersteller-Profite in die Kassen staatlicher chinesischer Firmen.

Damit nicht genug: Der Regierung ist die Preispolitik der Autobauer ein Dorn im Auge. Sie wittert Verschwörungen und glaubt, dass chinesische Kunden von ausländischen Herstellern unverhältnismäßig stark zur Kasse gebeten werden. Die Vorwürfe gären seit Jahren. In dieser Woche wurden die Ermittler konkret.

Der Monopolverdacht gegen die deutsche Premiummarke Audi und den US-Hersteller Chrysler habe sich bestätigt, teilte ein Sprecher der federführenden Entwicklungskommission NDRC mit. Überführt seien zudem ein Dutzend japanischer Zulieferer. In welcher Form die Unternehmen das Gesetz verletzt haben sollen, blieb unklar, genauso wie das Volumen möglicher Strafen. Audi bestätigte, dass sein Vertriebsnetz in der Provinz Hubei untersucht werde.

Bereits am Montag hatte die Anti-Monopol-Behörde ein regionales Büro von Mercedes-Benz in Shanghai gefilzt. Die Beamten suchten nach Beweisen dafür, dass Mindestpreise angeordnet wurden. Der Mutterkonzern Daimler wollte sich mit Hinweis auf ein laufendes Verfahren nicht zum Anlass der Untersuchung äußern. Sowohl Audi als auch Daimler sagten den Behörden ihre volle Unterstützung zu.

Preise für Ersatzteile gesenkt

Beide Unternehmen wurden von der Offensive der Kartellwächter überrascht. Mit Preissenkungen für Ersatzteile hatten sie der NDRC in den vergangenen Tagen ein Friedensangebot vorgelegt, auf dass die Behörde offenbar nicht einging. Dabei hatte Mercedes das Volumen der Preisnachlässe zuvor noch in Gesprächen mit den Aufsehern verhandelt, wie es aus Konzernkreisen heißt. Das Resultat: Ab 1. September werden 10.000 Komponenten des Ersatzteillagers in China um durchschnittlich 15 Prozent billiger angeboten. Es war bereits die zweite Runde von Mercedes an Nachlässen in kurzer Zeit. Vor wenigen Wochen hatten die Schwaben die Preise für Serviceleistungen und ein kleineres Sortiment an Ersatzteilen gesenkt.

Schon Ende Juli sah auch Audi Handlungsbedarf. "Proaktiv" habe man den Preis für mehrere Tausend Ersatzteile reduziert. Mit wachsenden Verkaufszahlen sinken eben auch die Produktionskosten pro verkaufter Einheit. Man gebe jetzt den Kostenvorteil an seine Kunden weiter. "Wir gehen davon aus, dass die Sache damit erledigt ist", sagte ein Mitarbeiter des Unternehmens hinter vorgehaltener Hand. Das war ein Irrtum. Die NDRC scheint entschlossen zu sein, Strafen zu verhängen.

Sie nutzt die Untersuchung, um sich als Anwalt der chinesischen Konsumenten zu positionieren. Die Regierung will unbedingt vermeiden, dass ihre Bürger den Verdacht hegen, sie stecke mit ausländischen Konzernen unter einer Decke. In den vergangenen zwei Jahren intensivierte die NDRC deshalb die Suche nach Verstößen gegen das 2008 implementierte Anti-Monopol-Gesetz und ermittelte seitdem in zahlreichen Industrien wie Pharma, Lebensmittel oder Technologie. 2013 wurden sechs Hersteller von Babynahrung zur Zahlung von 110 Millionen Dollar Strafe verurteilt. Der IT-Konzern Microsoft ist zurzeit ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen. Flankiert wurden die Untersuchungen von anklagender Berichterstattung in chinesischen Staatsmedien. Betroffen auch: Apple, McDonald's oder Starbucks.

"Tickende Zeitbombe"

Die Autoindustrie steht seit längerem im Fokus der NDRC. Und tatsächlich mussten Chinesen für Ersatzteile tiefer in die Tasche greifen als anderswo. Beispiel Audi A6L: Die in China gefertigte Langversion des A6 kostete bislang das Vierfache seines herkömmlichen Verkaufspreises, wenn man ihn nur aus Ersatzteilen zusammen geschraubt hätte. Der internationale Standard für diesen Relationswert liegt gerade einmal bei 300 Prozent. Seit 1. August würde ein A6L aus Ersatzteilen nur noch 291 Prozent seines Verkaufspreises kosten.

Tatsächlich gewinnt der After-Sales-Markt in China immer mehr an Bedeutung. Dennoch verzeichnet Audi dem Vernehmen nach bei den importierten Ersatzteilen sinkende Umsätze. Das liegt sowohl an der größeren Lokalisierungsrate als auch an der Neigung der Chinesen, sich günstig mit zweitklassigen Reparaturen von schlechten Mechanikern zufrieden zu geben. "Da steht dann außen Audi dran, und innen ist es eine tickende Zeitbombe", sagt ein deutscher Branchenkenner.

Die Autohersteller prangern das Problem öffentlich nicht an. Aber sie schieben dem Staat insgeheim eine Mitschuld in die Schuhe. Vor zehn Jahren trat eine Regelung in Kraft, die alle Vertragsautohäuser eng an die Bedingungen der Hersteller knebelt. Die Konzerne kontrollieren die Anzahl der Neuwagen und Ersatzteile, die ein Händler erhält. Die Verlockung ist groß, Knappheit zu produzieren und Zuschläge zu verlangen.

Ziel der Regelung war es aber eigentlich, schlechte Ersatzteile aus den Autohäusern zu verbannen, um die Straßen sicherer zu machen. Stattdessen aber weichen die Kunden auf private Werkstätten aus, weil ihnen die Reparaturen beim Hersteller zu teuer sind. "Die Regulatoren haben sich damals für eine einfache und kurzsichtige Option entschieden. Das sollten sie ändern, statt jetzt die Hersteller wegen zu hoher Preise zu belangen", sagt Yang Jian vom Fachmagazin Automotive News China.

Sein Kalkül: Würden die Händler freie Wahl bekommen, müssten die Hersteller automatisch die Preise anpassen. Der Markt würde das Preisproblem zum größten Teil von alleine lösen. Mehr Kunden würden sich Originalersatzteile leisten. Bei Audi und Mercedes interpretiert man die Preissenkungen für Ersatzteile deshalb langfristig auch als ein weiteres Argument für den Kauf ihrer Fahrzeuge. "Offensiv werben werden wir damit aber nicht", sagt ein Daimler-Sprecher.

Quelle: ntv.de

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