Wirtschaft

Verhaftung eines Finanzjournalisten "Peking hat so oder so verloren"

Hat der Journalist die Märkte manipuliert, oder ist er ein Bauernopfer?

Hat der Journalist die Märkte manipuliert, oder ist er ein Bauernopfer?

(Foto: dpa)

In China gesteht ein Journalist, durch das Streuen von Gerüchten die Börsenturbulenzen verursacht zu haben - wurde da ein "schwarzes Schaf" vorgeführt? Möglich, meint Doris Fischer, Professorin für China Business and Economics. "Es könnte aber auch ganz anders sein."

n-tv.de: Wie Anfang der Woche bekannt wurde, wurden in China mehrere Personen, darunter ein Journalist, festgenommen, weil sie "falsche Informationen" über das Börsengeschehen verbreitet haben. Hat Sie das Pekinger Vorgehen überrascht?

Doris Fischer: Mich hat es nicht überrascht, weil ich die Zeitschrift, für die der Journalist arbeitet, lese. Dort wurde schon vor Tagen berichtet, dass ein Mitarbeiter verhaftet und abgeführt worden sei und dass sie sich dafür einsetzen würden, dass seine Rechte gewahrt werden. Es ist auch deshalb nicht überraschend, weil die chinesische Regierung vor zwei Jahren mit der Regelung rausgekommen ist, dass Personen, die Gerüchte verbreiten, verhaftet werden können, wenn mehr als 5000 Personen ihre Beiträge lesen. Solange die Gerüchte in kleinen Kreisen, zum Beispiel in Chatgruppen, bleiben, ist es anscheinend nicht so schlimm.

5000 Leser hat man als Journalist aber schnell beisammen.

Deswegen wird man in den Medien auch schnell nervös, ob die Zensur gleich eingreift. Sobald die Regierung das Gefühl hat, es verbreitet sich, fühlt sie sich angegriffen. Insofern war es eine Verhaftung mit Ankündigung.

Der Journalist hat gestanden, falsche Informationen verbreitet zu haben, was zu "großen Verlusten für Investoren" führte. Wie glaubwürdig ist das Geständnis?

Ich kann persönlich nicht beurteilen, ob er seinen Beitrag wirklich auf der Basis von Gerüchten erstellt hatte oder ob er erhärtete Informationen hatte, die er jetzt zurücknimmt. Wir können es nicht wissen. Aber wir wissen, dass diese Art, Verdächtige vor die Presse zu führen und sie da etwas gestehen zu lassen, in China durchaus verbreitet ist. Wir wissen, dass gerade auch in der jüngsten Vergangenheit von der chinesischen Zensur stark durchgegriffen wurde. Da vermutet man natürlich schnell, dass hier ein "schwarzes Schaf" vorgeführt wurde, das die Schuld für den Crash auf sich nehmen muss, um zu zeigen: Es war nicht die Regierung, nicht die Regulierungskommission, da sind einzelne mit unlauteren Verhalten vorgegangen. Darin liegt aber auch die Tragik der Situation. Denn es gibt immer noch die Möglichkeit, dass er tatsächlich absichtlich und manipulativ Gerüchte verbreitet hat.

Manipulation und Insiderhandel wären ja auch hierzulande ein Problem.

Doris Fischer ist Professorin für China Business and Economics an der Universität Würzburg.

Doris Fischer ist Professorin für China Business and Economics an der Universität Würzburg.

Genau. Seit zwei Jahren hat die chinesische Regierung die Medienkontrolle angezogen, kämpft aber auch gleichzeitig gegen die Korruption. Nun hat Peking eigentlich so oder so verloren. Aus Sicht der chinesischen Regierung ist das meiner Meinung nach gar nicht mehr heilbar. Mit dem Journalisten zusammen wurden ja auch Leute von der Regulierungskommission verhaftet, die angeblich mit ihm zusammengearbeitet haben. Wenn es ein solches Schema gab - und das zwei Jahre nachdem Peking massiv mit der Anti-Korruptionskampagne rausgekommen ist -, ist das ja auch ein Gesichtsverlust.

Die chinesische Regierung hat ein Problem. Sie hat meiner Ansicht nach ein ehrliches Anliegen, die Finanzmärkte und auch die Wirtschaft zu reformieren. Aber zum einen gibt es diese massiven Eingriffe in die Pressefreiheit. Genau das, was jetzt den Journalisten vorgeworfen wird, nämlich die unlautere Beeinflussung der Anleger, wurde in der anderen Richtung oft über die staatlichen Medien gemacht. Da war bei wackelnden Kursen vom Anfang eines neuen Aufwärtszyklus die Rede und so weiter. Zum anderen schafft die Anti-Korruptionskampagne nicht nur Wohlwollen. Es gibt ja auch Widersacher, was den wirtschaftspolitischen Kurs angeht, und die kriegen sie scheinbar nicht in den Griff. Durch das harte Vorgehen gegen die Medien hat Peking aber auch international keine Sympathien - auf der politischen Ebene. Wirtschaftspolitisch haben sie viele Sympathien.

Was für Möglichkeiten gibt es überhaupt für die chinesischen Anleger, die als relativ unerfahren gelten, sich zu informieren, wenn Analysten nicht offen schreiben können?

Die kleinen Anleger informieren sich in ihren Blogs, ihren Zeitungen, es gibt da ein kleines Paralleluniversum von Informationsmedien in China. Aber sie können es nur sehr schwer objektiv validieren. Dazu gibt es den Verdacht, dass es eine Vielzahl von Insiderinformationen gibt. Ich bin, was die chinesischen Börsen angeht, eher konservativ eingestellt und halte mich an einen berühmten chinesischen Ökonomen, der schon vor zehn Jahren geschrieben hat, dass die chinesischen Börsen nichts als Kasinos sind. Staatlich manipulierte Kasinos. Konkret bedeutet das, dass die Aktienkurse an den chinesischen Börsen wenig die reale wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen widerspiegeln. An den Börsen sind nicht ausschließlich, aber überwiegend Firmen mit staatlichem Hintergrund notiert. Im Grunde achten die Anleger vor allen Dingen darauf, wie sich die staatliche Politik entwickelt und entscheiden dann, in welche Branchen und Unternehmen sie investieren. Welche Industrien werden unterstützt, welche Firmen haben gute Kontakte. Das beeinflusst die Börsen viel mehr als die wirkliche, fundierte, wirtschaftliche Leistung der Unternehmen. Außerdem gibt es aufgrund des "Dienstmädcheneffekts" eine Vielzahl nicht wirklich gut informierter Anleger. Das sind Investoren, die nur dabei sein wollten, bei diesem gigantischen Boom.

Wie hierzulande damals bei der Telekom-Volksaktie.

Richtig. Das Neue in China ist, dass man das Gefühl hatte, dass die chinesische Regierung die Kurse befeuert. Das ist natürlich auch ein bisschen tragisch, weil da irgendwo die Hoffnung war, dass man über den Aktienmarkt die Wirtschaft ankurbelt, und das ist nicht besonders gesund als Strategie.

Die Strategie ist auch nicht aufgegangen.

Nein, ist sie nicht. Die Chinesen haben eine Finanzmarktliberalisierung in einem System versucht, wo das vielleicht nicht so ganz hineinpasst. Sie haben sich international orientiert, aber das geht auch mal nach hinten los. Die neue Regierung hat versucht, den Reformstau anzugehen, aber nur auf der wirtschaftlichen Seite. Auf der politischen Ebene ist man weiterhin sehr konservativ. Und das passt nur bedingt zusammen. Es gibt aber auch keine einfache Lösung. Alles auf einmal liberalisieren, politisch, wirtschaftlich und gleichzeitig mit den niedrigeren Wachstumsraten zurechtzukommen ist nicht leicht. Gegen Korruption vorgehen ist ja erstmal nicht schlecht, aber sie machen das über die Parteistrukturen und nicht über die Rechtsstaatsstrukturen. Und da beißt sich das.

Mit Doris Fischer sprach Samira Lazarovic

Quelle: ntv.de

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