Wirtschaft

Neue Mutter, neues Glück "Opel-Deal hat nur Gewinner"

GM "verschenkt" Opel an Peugeot-Citroen. Was bedeutet das für die deutschen Standorte und Jobs? Was verspricht sich PSA davon? Wieso gerade jetzt der Verkauf? Autoexperte Helmut Becker liefert die Antworten im n-tv.de-Interview.

GM trennt sich vom Europageschäft. Der Deal mit dem Peugeot-Citroen steht, Opel wechselt den Konzern. Was bedeutet das für die deutschen Standorte und Jobs? Was verspricht sich PSA davon? Wieso gerade jetzt der Verkauf? Autoexperte Helmut Becker liefert die Antworten im n-tv.de-Interview.

n-tv.de: Herr Becker, der PSA-Opel-Deal steht. Ist das ein guter Tag für Opel und seine Mitarbeiter?

Helmut Becker schreibt als Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker schreibt als Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker: Es ist auf jeden Fall ein besserer Tag, als man ihn unter General Motors gehabt oder wenn der Käufer Volkswagen geheißen hätte. Unter dem Dach der Amerikaner wären harte Einschnitte auf Opel zugekommen. Nun bei PSA besteht die Chance , nicht nur über Kostensenkungen zu gesunden, sondern auch und vor allem über Absatzsteigerung. Gemeinsam mit PSA ergeben sich für Opel neue Wachstumschancen.

PSA-Chef Carlos Tavarez kündigte bereits an: "Wir bekennen uns zu diesen Marken." (Opel, Vauxhall, Anm. der Red.) Wie ernst kann man solch einen Satz nehmen?

In diesem Fall sehr ernst! Man gibt keine 2,2 Milliarden Euro aus für eine Automarke, die man dann vom Markt nimmt. Vielmehr sieht PSA mit Opel eine deutliche Erweiterung seiner Möglichkeiten. So gibt es zahlreiche Synergieeffekte - eben nicht nur bei den Kosten, sondern auch im Entwicklungs- und Konstruktionsbereich. Denken Sie nur an den Elektroantrieb, bei dem PSA ziemlich blank ist. Die beiden Modellpaletten ergänzen sich darüber hinaus. Die Abstimmung verbessert sich ebenfalls.

Sie sprachen es an: 2,2 Milliarden Euro Kaufpreis. Ist das nicht etwas wenig, was PSA an GM zahlt? Nicht zuletzt deshalb, da General Motors auch noch die Pensionsverpflichtungen übernimmt, am Ende also sogar noch draufzahlt. Wollte GM Opel nach 18 Verlustjahren endlich weg haben, also eine Trennung um jeden Preis?

Ja, das stimmt. GM wollte sich um jeden Preis vom europäischen Markt zurückziehen, nach zum Teil sehr verlustreichen Jahren eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung. Selbst in einem Boom-Autojahr wie 2016 ist es Opel nicht gelungen, trotz aller Erfolge Gewinne zu schreiben. Wenn also selbst in guten Jahren keine schwarzen Zahlen generiert werden, was soll dann erst passieren, wenn die Märkte stagnieren oder sich abschwächen? Genau dieses Szenario steht nun aber bevor. So gesehen, hat GM alles richtig gemacht und sich von einem Verlustbringer rechtzeitig getrennt.

Opel-Chef Karl-Thomas Neumann spricht bereits von einem neuen "europäischen Champion". Nimmt er den Mund da vielleicht etwas zu voll

Nein. Neumann ist bei Volkswagen groß geworden. Er weiß, wie es bei einem Champion aussieht und welche Möglichkeiten man dort hat. Die von Neumann nun ausgegebene Champion-Position ist meiner Meinung nach erreichbar, denn das Gebilde PSA-Opel-Vauxhall hat von der Größe her in Europa als einziges die Chance, VW Paroli zu bieten. Und PSA-Chef Tavarez will diese Chance nutzen!

Also ist der Deal eine Win-Win-Situation für alle: GM, PSA und Opel/Vauxhall?

Ja! Andernfalls wäre der Deal wohl auch nicht zustande gekommen. GM wird ohne sein verlustreiches Europageschäft künftig höhere Gewinne ausweisen. PSA bekommt ein deutlich gestärktes Modell-Portfolio und eben die Chance, VW als Platzhirsch zu attackieren. Zudem: Opel ist stark in Mitteleuropa und in Großbritannien, PSA eher in Frankreich und den südeuropäischen Ländern. Und Opel hat endlich die Chance auf den chinesischen Markt.

Das ausgegebene PSA-Ziel für Opel heißt: bis 2021 in die Gewinnzone zu kommen. Droht damit eine harte Sanierung?

Eine Sanierung wird es definitiv geben. Aber ich denke, dass sie nicht so hart ausfallen wird, wie die, wenn GM Opel behalten hätte. Der Schlüssel heißt Wachstum, mehr Absatz und diese Chance ist unter dem PSA-Dach für Opel größer als mit einer Mutter GM.

Was sind die noch mit GM ausgehandelten Jobzusicherungen bis 2018 und 2020 für das Werk Eisenach wert?

Zunächst einmal bleiben diese Jobsicherungen bestehen. Das ist schon einmal etwas auf der Habenseite. Zudem gibt es die Zusicherung von Tavarez, dass Opel eine rein deutsche Marke bleibt. Ansonsten hat Opel ganz klar seine Hausaufgaben selbst zu machen, intern. Das heißt: Strukturen hinterfragen und in Ordnung bringen. Ich denke, dass die Anpassungsschmerzen bei Opel nicht so extrem ausfallen werden.

Droht am Ende vielleicht doch die Schließung eines Opel-Standorts in Deutschland, PSA will schließlich 1,7 Milliarden Euro einsparen?

Um diese Frage beantworten zu können, müsste man über Wasser gehen können (lacht). Hierfür eine Prognose abzugeben, wäre zu gewagt. Das weiß heute noch kein Mensch. Ich glaube aber, dass PSA rein aus politischen und Image-Gründen heraus kein Opel-Werk schließen wird, zudem sämtliche Opel-Werke, vor allem Eisennach in einem hervorragenden Zustand sind, mit hoher Effizienz und guten Modellen.

Apropos Politik: Seit der Ankündigung von Verhandlungen und dem Abschluss des Deals ist nicht viel Zeit vergangen. Welche Rolle spielte denn die Politik, schließlich stehen in Frankreich und Deutschland diesem Jahr richtungsweisende Wahlen an, Proteste von Opelanern und Jobängste könnten da für die Regierungen eher kontraproduktiv sein ...

Im Endeffekt können wir darüber nur spekulieren, wir wissen es einfach nicht genau. Aber ich denke, dass die Politik beidseitig eingeweiht war und dass auf dieser deutsch-französischen Schiene eine große interne Transparenz geherrscht hat. Dafür spricht letzten Endes auch die nun gefundene, sehr sozialverträgliche Lösung.  Es besteht kein Anlass, weder für PSA-Mitarbeiter, noch für Opelaner, auf die Straße zu gehen. Ich sehe in dem Deal eher ein Aufbruchssignal für ein geeintes Europa! 

Wann schafft Opel denn nun eigentlich die Trendwende und fährt wieder Gewinne ein?

Wenn der Markt mitspielt: bald. Es kann schnell gehen, auf alle Fälle, denn Opel-Chef Neumann hat in den vergangenen Jahren bereits einen sehr guten Job gemacht. Das Image von Opel hat sich klar zum positiven gewandelt. Mokka und Adam sind Erfolgsmodelle, auch der neue Astra ist gefragt. Das große Fragezeichen ist und bleibt aber der Markt: PSA und Opel sind im Massenmarkt aktiv. Die Kunden sind sehr treu, aber auch preissensibel. Marktanteilsgewinne gegenüber der Konkurrenz müssen hart erkämpft werden. Und das geht nicht von heute auf morgen. Aber der Anfang ist für Opel gemacht: Die Marke schrumpft nicht mehr, man hat "im Kopf umgeparkt". Das Image ist besser geworden und Opel nicht mehr die graue Maus von nebenan.  

Ein kurzes Fazit: Bietet der PSA-Deal mehr Chancen oder birgt er mehr Risiken für Opel?

Der Deal bietet auf jeden Fall mehr Chancen!

Mit Helmut Becker sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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