Wirtschaft

"Nicht fragwürdig, sondern dreist" Niebel geht zu Rheinmetall

Auftritt im Flüchtlingslager: Der Minister aus Deutschland sucht im Militaria-Outfit das Gespräch mit Kriegsvertriebenen (hier in einem Lager im Ost-Kongo im Januar 2010).

Auftritt im Flüchtlingslager: Der Minister aus Deutschland sucht im Militaria-Outfit das Gespräch mit Kriegsvertriebenen (hier in einem Lager im Ost-Kongo im Januar 2010).

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit Dirk Niebel kommt ein weiterer Politiker aus der früheren schwarz-gelben Bundesregierung in der Wirtschaft unter. Der Ex-Entwicklungsminister arbeitet künftig für einen Rüstungskonzern - und soll dort die internationalen Kontakte aufpolieren.

Mann mit Mütze: Ex-Minister Dirk Niebel trug gern seine Fallschirmjäger-Mütze. Die ist inzwischen im Museum.

Mann mit Mütze: Ex-Minister Dirk Niebel trug gern seine Fallschirmjäger-Mütze. Die ist inzwischen im Museum.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der ehemalige Entwicklungsminister Dirk Niebel hat einen neuen Job gefunden: Der FDP-Politiker mit der Fallschirmjägermütze wird ab 2015 beim Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall anheuern.

Dirk Niebel werde den Konzernvorstand "in allen Fragen und Aufgaben der internationalen Strategieentwicklung und beim Ausbau der globalen Regierungsbeziehungen unterstützen", teilte das Düsseldorfer Unternehmen mit.

Beobachter sprechen von einer Metamorphose eines Spitzenpolitikers: Niebel war Generalsekretär der FDP, Abgeordneter des Bundestages, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit - jetzt wechselt er in die Wirtschaft und wird Cheflobbyist von Rheinmetall.

Kritiker sehen den Wechsel von der Regierungsbank in die Wirtschaft mit Sorge. Sie fürchten im Fall solcher sogenannten Drehtür-Personalien eine unzulässige Verflechtung von politischen und persönlichen Interessen. Im Fall Niebels besteht immerhin ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen politischem Spitzenamt und dem Wechsel in die Wirtschaft.

Geheimnisse aus dem Bundessicherheitsrat?

Wechsel prominenter Politiker in die Wirtschaft sorgen regelmäßig für hitzige Debatten. Zuletzt hagelte es Kritik, als bekannt wurde, dass der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) Anfang 2015 bei der Deutschen Bahn als Lobbyist anfangen will.

Rheinmetall
Rheinmetall 520,40

Die Organisation "Lobbycontrol" findet auch die Personalie Niebel völlig inakzeptabel. Niebel sei als Minister Mitglied des geheim tagenden Bundessicherheitsrates und damit auch an Entscheidungen über Waffenexporte beteiligt gewesen: "Der Wechsel zu einem Rüstungskonzern ist damit nicht nur fragwürdig, sondern geradezu dreist", sagte Experte Timo Lange.

"So geht das nicht"

Lobbycontrol fordert eine gesetzliche "Abkühlphase" von drei Jahren für ehemalige Minister. Der Vize-Chef der Linksfraktion, Klaus Ernst, kritisierte bei "Handelsblatt ": "So geht das nicht. Dem muss der Bund endlich einen Riegel vorschieben. Drehtürwechsel von Ministern in die Wirtschaft müssen gesetzlich verboten werden."

SPD-Vize Ralf Stegner erklärte dagegen, "der abgewählte Entwicklungshilfeverhinderungsminister Niebel" sei als Lobbyist der Rüstungsindustrie "offenbar zuhause angekommen".

Minister mit Mütze

Der ehemalige Zeitsoldat und Fallschirmjäger war von 2009 bis 2013 während der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der 51-jährige gelernte Diplomverwaltungswirt saß von 1998 bis 2013 für die Liberalen im Bundestag, ist aber nach dem Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr im Parlament vertreten.

Mit seinen Beziehungen, Kontakten und Erfahrungen auf nationaler und internationaler wird Niebel zum wertvollen Helfer des deutschen Rüstungskonzerns. Rheinmetall macht seit längerem das schwache Rüstungsgeschäft zu schaffen. Der Konzern verbuchte zum Jahresauftakt einen Fehlbetrag. Konzernchef Armin Papperger will das internationale Geschäft ausbauen, das bereits jetzt schon 72 Prozent des Konzerumsatzes ausmacht.

Deutsche Arbeitsplätze

Rheinmetall beschäftigt weltweit 23.000 Menschen und erzielte zuletzt einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro in den Sparten Automobiltechnik und Rüstung. Fast drei Viertel der Erlöse aus diesen beiden Sparten entfallen auf das Ausland. Mit der Verpflichtung Niebels setzt das Unternehmen bei der geplanten weiteren Internationalisierung seiner Aktivitäten auf den Bekanntheitsgrad und das politische Gewicht des früheren Bundesministers im Ausland.

In Fachkreisen international bekannt ist Rheinmetall unter anderem als Hersteller des Transportpanzers "Fuchs", der "Panzerhaubitze 2000" und des schweren Kampfpanzers "Leopard II", die der Düsseldorfer Konzern zusammen mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) baut.

Bei Auftritten im Ausland zeigte sich Niebel oft demonstrativ mit Fallschirmjägermütze. Die für einen Minister für Entwicklungszusammenarbeit höchst ungewöhnliche, teils sogar provokative Kopfbedeckung wurde über die Jahre zum Markenzeichen des früheren Zeitsoldaten. Von irritierten Reaktionen auf Seiten ziviler Hilfsorganisationen oder kritischen Anwürfen der Opposition ließ sich der FDP-Politiker nicht von seinem betont hemdsärmeligen Auftreten abbringen.

Ein zweiter Fall Pofalla?

Vor seinem Aufstieg zum Entwicklungshilfeminister hatte sich Niebel öffentlich dafür stark gemacht, das Ministerium ganz abzuschaffen. Während seiner Amtszeit krempelte er mehrere Entwicklungsorganisationen um: Die staatliche GTZ, der DED und Inwent wurden zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fusioniert. In der FDP stand Niebel zuletzt isoliert da, nachdem er die Parteispitze um den damaligen Vorsitzenden Philipp Rösler stark kritisiert hatte.

Mit dem Einstieg in die deutsche Rüstungsindustrie bekommt Niebel die Chance für einen beruflichen Neuanfang.

Quelle: ntv.de, jwu/mmo/DJ/dpa/rts

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